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- DAZ 43/2002
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Arzneimittel und Therapie
Hypotonie: Subjektive Beschwerden und potenzielle Spätfolgen nicht vernachläss
Beeinträchtigung der Lebensqualität in vielen Lebensbereichen
Mit einer Prävalenz von etwa neun Prozent der Gesamtbevölkerung ist die essenzielle Hypotonie keineswegs selten. Die betroffenen Patienten klagen zu einem großen Teil über eine Vielzahl subjektiver Begleiterscheinungen, durch die sie sich in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt sehen. So nennen die Betroffenen organbezogene Beschwerden wie Zittern, Extrasystolie, Kältegefühl an Händen und Füßen, Kopfschmerzen, Einatmungsschwierigkeiten, Magendruck, Übelkeit, Appetitlosigkeit und Schweißausbrüche.
Psychische Beeinträchtigungen erleben die Patienten in erster Linie als Schwindelgefühl, Müdigkeit, Antriebsmangel, Schwächegefühl, innere Unruhe, Schlafstörungen, Reizbarkeit oder depressive Verstimmungen. Im kognitiven Bereich drücken sich die Leistungsminderungen in Konzentrationsschwäche und Beeinträchtigungen von Kurzzeitgedächtnis und Aufmerksamkeit aus.
Spätfolgen nicht unterschätzen
Die Patienten empfinden die Beschwerden durchaus nicht als Bagatelle; man schätzt, dass etwa 10 Prozent der Hypotoniker wegen ihrer Beschwerden in jedem Quartal ihren Arzt aufsuchen. Neben diesen subjektiven Beschwerden gehen mit der orthostatischen Hypotonie Risiken für Spät- bzw. Sekundärfolgen einher, die die Gesundheit der Patienten nachhaltig beeinträchtigen können:
- wichtige Organe sind aufgrund des erniedrigten Blutdrucks minderdurchblutet
- es kommt durch die mit niedrigem Blutdruck oft einhergehende orthostatische Dysregulation zu kurzfristigen Durchblutungsstörungen des Gehirns
- Kollapsneigung mit der damit verbundenen Verletzungsgefahr auf Grund unkontrollierter Stürze.
Etilefrin zur medikamentösen Therapie
Neben verhaltenstherapeutischen Hinweisen, wie langsamem Aufstehen, insbesondere aus dem Liegen und regelmäßiger sportlicher Betätigung kann die medikamentöse Therapie mit direkten Sympathomimetika wie Etilefrin (Effortil®) den gewünschten Erfolg bringen. Der Wirkmechanismus von Etilefrin beruht auf einem Anstieg des Herzzeitvolumens durch Anstieg des Schlagvolumens. Gleichzeitig steigen Venentonus und zentraler Venendruck. Hieraus resultiert eine Zunahme der zirkulierenden Blutmenge mit verbessertem Blutrückfluss zum Herzen. Dieses Wirkspektrum führt bei Hypotonie-Patienten zu einer Besserung der Beschwerden und einer Stabilisierung der Gesamthämodynamik.
Einfluss auf subjektiv empfundene Beschwerden
Eine klinische Studie, die den Einfluss der antihypotonen Therapie auf die subjektiv empfundenen Beschwerden im Zusammenhang mit symptomatischer orthostatischer Hypotonie zum Thema hatte, belegt die Wirksamkeit von Etilefrin hinsichtlich einer Verbesserung der subjektiven Symptomatik. An dieser Studie, die an insgesamt 60 Zentren in Deutschland durchgeführt worden ist, nahmen 362 ambulante Patienten mit symptomatischer orthostatischer Hypotonie teil. Anhand von Symptomfragebögen wurden chronische und akute Symptome im Zusammenhang mit der Primärerkrankung erhoben. Dabei wurde die Kreislaufsituation der Patienten festgestellt und dokumentiert. Von den Betroffenen wurden
- organbezogene Beschwerden: Zittern, Kältegefühl an Händen und Füßen, Kopfschmerzen, Magendruck, Übelkeit, Appetitlosigkeit
- psychische Beeinträchtigungen: Schwindelgefühl, Müdigkeit, Schwächegefühl, innere Unruhe, Schlafstörungen, Reizbarkeit
- Störungen im kognitiven Bereich: Leistungsminderungen durch Konzentrationsschwäche, Beeinträchtigungen von Kurzzeitgedächtnis und Aufmerksamkeit genannt.
In einem randomisierten Verfahren wurde das Gesamtkollektiv in drei Gruppen aufgeteilt und zwei Wochen lang therapiert: Gruppe 1 erhielt dreimal täglich 5 mg Etilefrin, Gruppe 2 dreimal täglich 10 mg Etilefrin und Gruppe 3 dreimal täglich Plazebo. Nach zwei Wochen erfolgte erneut eine Symptomabfrage. Bei beiden Verumgruppen war gegenüber der Plazebogruppe eine signifikant stärkere Besserung der subjektiven Beschwerden eingetreten. Dies betraf sämtliche dokumentierte chronische und akute Beschwerdebilder.
Sozioökonomische Aspekte der Hypotonie
Häufig als Bagatellerkrankung abgetan, verursacht die Hypotonie mit ihrer typischen Begleitsymptomatik, wie z. B. Schwindel, Antriebslosigkeit, Ohnmachtsanfälle oder Übelkeit, Folgeschäden in Milliardenhöhe. Diese Kosten werden durch Arbeitsausfälle, ambulante und stationäre ärztliche Behandlung sowie stationäre Heilbehandlungen verursacht: wegen niedrigen Blutdruckes wurden ebenso viele Kuren wie auf Grund von Schleimhautentzündungen des Magens und Zwölffingerdarms, Diabetes mellitus, symptomatischer Herzkrankheiten sowie Reizbildungs- und Reizleitungsstörungen verordnet. ck
Kastentext: Hypotonie
Von einer Hypotonie spricht man, wenn bei einer Blutdruckmessung unter Ruhebedingungen der systolische Blutdruck beim Mann unter 110 mm Hg und bei der Frau unter 100 mm Hg sowie der diastolische Blutdruck unter 60 mm Hg liegt. Behandlungsbedürftig ist eine Hypotonie nur, wenn sie bei den Patienten in stärkerem Maße belastende Symptome hervorruft sowie bei Risikogruppen. Dazu zählen ältere Patienten, Diabetiker und Schwangere. Hier können Komplikationen wie Schwindelattacken, Kollaps, Verletzungen infolge eine Sturzes oder ein Kreislaufschock häufiger auftreten und schwere Folgen haben.
Kastentext: Noradenalinderivat zur Blutdrucksteigerung
Das β-Phenylethylaminderivat Etilefrin zählt zu den so genannten direkten Sympathomimetika, Verbindungen die wie die physiologischen Catecholamine als Agonisten der adrenergen Rezeptoren fungieren. Es werden eine Vielzahl von Sympathomimetika als Antihypotonika angeboten, bei manchen ist der Nutzen auf Grund ungenügender Bioverfügbarkeit oder kurzer Halbwertszeit bei oraler Applikation fraglich.
Zu den nachgewiesen wirksamen Sympathomimetika zählt der α- und β-Adrenozeptoragonist Etilefrin. Etilefrin hat eine orale Bioverfügbarkeit von etwa 50% und eine Plasmahalbwertszeit von etwa drei Stunden, die durch Retardformulierungen auf sechs Stunden verlängert werden kann. Die erwünschte Blutdrucksteigerung ist neben der durch α--Adrenozeptorstimulation bedingten Vasokonstriktion auf die positiv inotrope und chronotrope Wirkung am Herzen infolge des β-adrenergen Effektes zurückzuführen.
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