Arzneimittel und Therapie

Onkologie: Neue Wirkstoffe in der Onkologie

Ein Ziel künftiger chemotherapeutischer Interventionen ist der gezielte, selektive Angriff auf die Krebszelle bzw. auf Prozesse, die das Tumorwachstum auslösen. Dieses Vorgehen wird auch als "Targeted Therapies" bezeichnet.

Ein Beispiel für diese "Targeted Therapie" sind so genannte Antisense-Substanzen, die bereits die Bildung pathogener Proteine unterdrücken (s. Grafik). Bei Antisense-Molekülen handelt es sich um kurze, einsträngige Nukleinsäuren, die die Bildung eines nicht erwünschten Zielproteins unterbinden, in dem sie die Informationsübertragung von der m-RNA zu den Ribosomen blockieren. Zu den Antisense-Substanzen gehört der Proteinkinase C-alpha-Inhibitor LY900003 (Affinitac).

Proteinkinasen C spielen eine Rolle beim ungeregelten, abnormalen Zellwachstum in Tumoren. Durch die Blockade bestimmter Proteinkinasen C soll also das Tumorwachstum unterbunden werden. Dieser Wirkmechanismus unterscheidet sich von demjenigen klassischer Zytostatika, die erst in einem späteren Schritt eingreifen.

Eine Kombination herkömmlicher Zytostatika mit Proteinkinase-C-alpha-Inhibitoren führt zu einer additiven oder synergistischen Wirkung bzw. durch die Gabe einer Antisense-Substanz wird das Tumorgewebe für die nachfolgende Chemotherapie sensibilisiert. In der Praxis bedeutet dies eine relativ lange Vorbehandlungsphase mit Proteinkinase-C-alpha-Inhibitoren, bevor die eigentliche Chemotherapie beginnen kann.

Affinitac wurde bereits in mehreren Phase-I- und -II- Studien untersucht. In Kombination mit klassischen Zytostatika konnte die Überlebenszeit bei Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom deutlich verlängert werden. Derzeit werden Kombinationen von Affinitac™ mit Gemcitabin/Cisplatin und Paclitaxel/Carboplatin in Phase-III-Studien geprüft.

Pemetrexed – ein multifunktionaler Antimetabolit

Zu den neuen Substanzen zählt auch der Antimetabolit Pemetrexed (vorgesehener Handelsname Alimta®), der sich derzeit in der klinischen Prüfung befindet. Er zeigt Strukturähnlichkeiten mit Methotrexat und Raltitrexed, verfügt aber über einen breiter gefächerten Wirkmechanismus. Pemetrexed hemmt drei wichtige Schlüsselenzyme der Pyrimidin- und Purin-Neosynthese. Die wichtigsten Zielmoleküle sind hier die Thymidylat-Synthase TS, die Dihydrofolat-Reduktase DHFR und die Glycinamid Ribonukleotid-Formyltransferase GARFT. Durch die Hemmung dieser Schlüsselenzyme werden letztendlich die DNA- und RNA-Synthese beeinträchtigt. Bedingt durch die unterschiedlichen, mehrfachen Angriffspunkte zeigt Pemetrexed auch dann noch eine Wirksamkeit, wenn für andere Zytostatika bereits Resistenzmechanismen bestehen. In Kombination mit anderen Zytostatika zeigen sich additive und/oder synergistische Effekte.

Pemetrexed wurde bereits in mehreren Studien in der Mono- und in der Kombinationstherapie bei unterschiedlichen Karzinomen eingesetzt. Am weitesten fortgeschritten sind die Studien zur Therapie des malignen Pleuramesothelioms und des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms. Des Weiteren wird der Einsatz von Pemetrexed beim Mamma-, Pankreas-, Magen-, Blasen- und Kolonkarzinom und weiteren Tumorarten untersucht.

Die wichtigste, dosislimitierende Nebenwirkung ist eine Neutropenie, gefolgt von Thrombopenie, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen und Müdigkeit. Durch die Gabe von Vitamin B12 und Folsäure konnte das Ausmaß dieser unerwünschten Wirkungen reduziert werden.

Das maligne Pleuramesotheliom – ein "Asbesttumor"

Das maligne Pleuramesotheliom ist ein Tumor des die Lunge umhüllenden Brustfells. Der Tumor mauert die Lunge regelrecht ein, was sich unter anderem in Atembeschwerden, Reizhusten und schlecht lokalisierbaren Thoraxschmerzen äußert. Hinzu kommen Allgemeinsymptome wie Müdigkeit und Gewichtsverlust.

Die Prognose ist schlecht, die mittlere Überlebenszeit liegt zwischen vier und achtzehn Monaten. Derzeit gehört das maligne Pleuramesotheliom noch zu den seltenen Tumoren, was sich aber in den nächsten zwanzig Jahren ändern wird. Die Inzidenz dieses "Asbesttumors" steigt zur Zeit exponentiell an, und man schätzt, dass in zwanzig Jahren Mesotheliome häufiger sind als Ovarialkarzinome.

Neuer Standard: Cisplatin und Pemetrexed

Bislang gab es keine Standardbehandlung. Doch die erfolgsversprechenden Ergebnisse mehrer Studien, in denen das Antifolat Pemetrexed in Kombination mit Cisplatin eingesetzt wurde, legen den Grundstein für eine neue Standardtherapie. Die zurzeit wichtigsten Ergebnisse stammen aus einer randomisierten Phase-III-Studie mit über 400 Patienten, die 500 mg/m² Pemetrexed und 75 mg/m² Cisplatin (Vergleichsgruppe nur Cisplatin) erhielten. Zusätzlich erfolgte eine Supplementierung von Vitamin B12 und Folsäure.

Im Hinblick auf den primären Studienendpunkt, d. h. die Überlebenszeit sowie auf die Zeit bis zur Tumorprogression und das objektive Tumoransprechen (Parameter wie Lungendichte und Lungenfunktion) war die Kombination der Monotherapie statistisch signifikant überlegen. Unerwünschte Wirkungen, vor allem die hämatologische Toxizität, die in den ersten Studien auftrat, konnten durch die Vitamin- und Folsäuregabe deutlich reduziert werden. Aufgrund dieser positiven Ergebnisse ist das Zulassungsverfahren für die Anwendung von Pemetrexed beim malignen Pleuramesotheliom in den USA und in Europa beantragt.

Berufskrankheit Mesotheliom

Bei rund 80% aller Patienten mit einem malignen Pleuramesotheliom lässt sich eine Asbestexposition nachweisen. Diese ist meist beruflich bedingt, z. B. durch die Herstellung von Asbestzementprodukten für den Hoch- und Tiefbau, Isolationsmaterial, Asbesttextilien. Die Inhalation von Asbestfasern kann auch durch Asbestkontakt im häuslichen Umfeld erfolgen.

Wahrscheinlich werden fast alle Mesotheliome durch Asbest und andere biobeständige Fasern bestimmter Abmessungen hervorgerufen, denn auch bei Patienten ohne nachgewiesene Asbestgefährdung finden sich derartige Fasern im Lungengewebe. Die Latenzzeit zwischen Exposition und Krankheitsausbruch liegt zwischen zwanzig und fünfzig Jahren. Das Mesotheliom ist von den Berufsgenossenschaften als Berufskrankheit anerkannt.

Quelle

Dr. Johannes Blatter, Erl Wood; Prof. Dr. Axel Hanauske, Hamburg, Prof. Dr. Christian Manegold, Heidelberg, Satelliten-Symposium "Targeted Therapies: Innovative Technologien – Innovative Substanzen" anlässlich der Jahrestagung der Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO); 27. Oktober 2002, München; veranstaltet von der Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg.

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