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Arzneimittel und Therapie
Isomerenforschung: Nutzen von optisch reinen Isomeren bei Refluxerkrankungen
In der Natur allgegenwärtig
Viele Substanzen in der Natur sind Gemische – so genannte Racemate – zweier optischer Isomere. Die chemisch-physikalischen Eigenschaften der verschiedenen Isomere sind gleich, da die Moleküle aus denselben Atomen zusammengesetzt sind. Die verschiedenen optischen Isomere können sich in biologischen Systemen jedoch unterschiedlich verhalten.
Zusätzlich unterscheiden sie sich in der Anordnung der Atome im Raum. Die Moleküle verhalten sich wie Bild und Spiegelbild oder rechte und linke Hand zueinander – sie können nicht zur Deckung gebracht werden, wie immer man sie auch dreht. Die unterschiedlichen Eigenschaften und Wirkungen von optischen Isomeren können auch bei medizinischen Wirkstoffen vorteilhaft angewandt werden.
Optisch reine Isomere als Wirkstoffe
Die Vorteile optisch reiner Isomere liegen beispielsweise in einer besseren Wirksamkeit; manchmal entfalten auch die beiden Isomere eine vollkommen unterschiedliche Wirkung. Vermittelt würden die unterschiedlichen Wirkungen im menschlichen Körper durch verschiedene Enzymbindungen oder Rezeptoraffinitäten. Es gibt zahlreiche klinische Studien, in denen für S-Isomere von verschiedenen Wirkstoffen (u. a. Warfarin, Ketamin, Ofloxacin, Bupivacain) eine bessere oder andere Wirkung nachgewiesen wurde als für das entsprechende Racemat.
In den letzten zehn Jahren stieg der Anteil an Wirkstoffen, die aus optisch reinen Isomeren bestehen, von 20% auf 75%. Die Eignung von pharmazeutischen Substanzen für die isolierte Nutzung nur eines optischen Isomers stellt dabei die Grundvoraussetzung dar; entscheidend ist zusätzlich, ob das optische Isomer auch tatsächlich großtechnisch hergestellt werden kann. Entwickelt werden entsprechende Methoden, die unter Anwendung von spezifischen Katalysatoren eine industrielle Herstellung von optischen Isomeren ermöglicht.
Eingeschränkte Lebensqualität mit Sodbrennen
In der Gastroenterologie steht seit Oktober 2000 ebenfalls ein optisch reines Isomer zur Verfügung, das Esomeprazol – S-Isomer des Omeprazols. Omeprazol wurde als erster Protonenpumpenhemmer 1989 in Deutschland zugelassen und seitdem erfolgreich in der Therapie der Refluxkrankheit eingesetzt wird. Das S-Enantiomer von Omeprazol, Esomeprazol (Nexium®), wird wesentlich langsamer verstoffwechselt als R-Omeprazol und zeigt entsprechend höhere Wirkstoffspiegel.
Isomerenreiner Wirkstoff mit deutlichen Vorteilen bei Refluxerkrankungen
Die Verwendung der Protonenpumpenhemmer in Form der Step-down-Therapie ist seit einigen Jahren der Goldstandard in der Therapie der Refluxösophagitis. Die Hauptziele einer Therapie gegen Sodbrennen sind eindeutig:
- die Symptomatik soll in kurzer Zeit beseitigt und die Patienten sollen schmerzfrei werden,
- die Entzündung der Speiseröhre soll möglichst schnell abheilen und
- in der Langzeittherapie muss eine gute Wirksamkeit gewährleistet sein.
Studien haben gezeigt, dass Esomeprazol dem Racemat Omeprazol in der Erreichung dieser Ziele überlegen ist. So heilen beispielsweise Speiseröhrenschäden bei Einnahme von Esomeprazol etwa doppelt so schnell. Dies führt zu einer Reduktion der Therapiekosten um bis zu 50%.
Ausschließlich Esomeprazol ist für die so genannte Bedarfstherapie bei der nicht-erosiven Refluxösophagitis zugelassen, bei der die Patienten symptomorientiert nur noch dann eine Tablette einnehmen, wenn es nötig ist. Damit kann der Patient in Absprache mit seinem Arzt eigenverantwortlich handeln und der Medikamentenverbrauch sinkt gegenüber der Dauertherapie mit den klassischen Protonenpumpenhemmer durchschnittlich um ein Drittel.
Kasten Optische Isomere in der Natur
Viele Aromastoffe sind optische Isomere. Je nachdem, ob links- oder rechtsdrehend, sind die Duftnoten unterschiedlich, zum Beispiel bei den optischen Isomeren des Aromastoffs Carvon: Das eine riecht nach Pfefferminz und das andere nach Kümmel. Auch bei Limonen sind die Geruchseindrücke deutlich unterschiedlich, denn das R-Isomer hat einen Orangengeruch, das andere Isomer riecht nach Zitronen.
Beim Süßstoff Aspartam schmeckt nur das R,R-Isomer süß, das S,R-Isomer schmeckt bitter. Ist Aspartam mit mehr als einem Prozent des Spiegelbilds verunreinigt, bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Aber auch sonst begegnet man oft einer Bevorzugung jeweils eines optischen Isomers: Im Joghurt befindet sich rechtsdrehende Milchsäure. Selbst im Pflanzen- und Tierreich gibt es die Orientierung in eine Richtung; Hopfen beispielsweise windet sich nur nach links um eine Rankhilfe, die menschliche Nabelschnur ist in sich gedreht – und zwar nach links.
Quelle
Prof. K. Barry Sharpless, La Jolla (USA), Dr. med. Albin Lütke, Koblenz; Pressekonferenz "Vom Nobelpreis in die ärztliche Praxis", 8. November 2002, München, veranstaltet von der AstraZeneca GmbH, Wedel. ck
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