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Arzneimittel und Therapie
Phosphodiesterase-5-Hemmer: Sildenafil senkt Lungenhochdruck
Unter Lungenhochdruck (pulmonaler Hypertonie) versteht man Erkrankungen mit erhöhtem Druck im Lungenarteriensystem. Lungenhochdruck kann primär, das heißt ohne erkennbare Ursache, oder sekundär aufgrund einer Lungen-, Herz- oder systemischen Krankheit auftreten.
Da man wenig über die Pathogenese des Lungenhochdrucks weiß, sind die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt. Seit einigen Jahren werden Substanzen eingesetzt, die mehr oder weniger selektiv die Lungengefäße erweitern:
- Stickstoffmonoxid (NO), inhalativ
- Prostanoide: Prostacyclin (= Epoprostenol, Flolan®) und seine stabileren Analoga Iloprost (Ilomedin®), Beraprost und Uniprost. Sie werden intravenös oder inhalativ verabreicht. Beraprost ist auch oral verfügbar.
- Endothelin-Antagonist Bosentan (Tracleer®), oral
Behandlungsstandard bei primärem Lungenhochdruck ist intravenöses Prostacyclin. Bei interstitiellen, also vom Bindegewebe ausgehenden Lungenerkrankungen, kann die systemische Gabe eines gefäßerweiternden Wirkstoffs jedoch einen Nachteil haben: Indem der Vasodilatator den Blutfluss in nicht oder wenig belüftete Lungenregionen erhöht, verschlechtert er das Belüftungs-Durchblutungs-Missverhältnis weiter und fördert den Blutfluss über Shunt-Verbindungen (Nebenwege).
Idealfall "supraselektive" Wirkung
Ein idealer Arzneistoff zur Behandlung des Lungenhochdrucks sollte nicht nur selektiv in der Lunge, sondern gezielt in gut durchlüfteten Lungenregionen wirken. Eine solche "supraselektive" Wirkung hat möglicherweise der Phosphodiesterase-5-Hemmer Sildenafil, der zur Behandlung der erektilen Dysfunktion zugelassen ist (Viagra®).
Grundkrankheit Lungenfibrose
In einer kleinen offenen Studie am Universitätsklinikum Gießen wurden die Akutwirkungen von inhalativem NO, oralem Sildenafil und intravenösem Prostacyclin an 16 Patienten untersucht, die aufgrund einer Lungenfibrose an schwerem pulmonalem Hochdruck litten. Alle Patienten wiesen einen Lungenarterien-Mitteldruck über 35 mmHg auf. Zehn Patienten hatten eine Herzinsuffizienz der NYHA-Klasse III und sechs eine Herzinsuffizienz der NYHA-Klasse IV. Alle Patienten benötigten eine langfristige Sauerstofftherapie.
Erst NO, dann Prostacyclin oder Sildenafil
Zur Messung verschiedener Lungen- und Herzparameter wurde den Patienten ein Katheter in die Lungenarterie gelegt. Zunächst inhalierten alle Patienten kurzzeitig 10 bis 20 ppm NO. Nachdem die hämodynamischen Parameter sich normalisiert hatten, bekamen die Patienten randomisiert entweder
- Prostacyclin i. v. in der maximal verträglichen Dosis – im Mittel 8,0 ng/kg pro Minute (n = 8) – oder
- 50 mg Sildenafil oral (n =8).
Primäres Studienziel war es, die gefäßerweiternde Wirkung von Sildenafil, NO und Prostacyclin an der Lunge, gemessen als Abnahme des Lungengefäßwiderstands-Indexes, zu vergleichen.
Etwa so stark gefäßerweiternd wie Prostacyclin ...
Die Intention-to-treat-Analyse ergab: Der Lungengefäßwiderstands-Index sank mit NO um 22%, mit Prostacyclin um 37% und mit Sildenafil um 33%. Alle drei Substanzen senkten den Mitteldruck in der Lungenarterie. NO und Sildenafil wirkten in der Lunge stärker gefäßerweiternd als im systemischen Kreislauf: Sie reduzierten daher den Quotienten aus pulmonalem und systemischem Gefäßwiderstand. Unter Prostacyclin sanken pulmonaler und systemischer Gefäßwiderstand gleichermaßen, so dass der Quotient konstant blieb.
NO und Sildenafil verbesserten außerdem das Belüftungs-Durchblutungs-Ungleichgewicht. Der Shunt-Blutfluss nahm leicht ab, und die arterielle Sauerstoffsättigung nahm zu. Dagegen verschlechterte Prostacyclin das Belüftungs-Durchblutungs-Missverhältnis weiter und verringerte die arterielle Sauerstoffsättigung. Die gefäßerweiternde Wirkung von Sildenafil begann nach 15 Minuten und erreichte nach 45 bis 60 Minuten ein Plateau. Die Wirkung hielt bis zum Ende der Beobachtungszeit – 120 bis 150 Minuten – an. Im Zusammenhang mit Sildenafil wurden in dieser Studie keine Nebenwirkungen beobachtet.
... aber selektiver
Demnach wirkt Sildenafil bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie aufgrund einer Lungenfibrose ähnlich stark gefäßerweiternd in der Lunge wie i. v. Prostacyclin. Es greift aber selektiver in gut durchlüfteten Lungenbereichen an und verbessert daher den Gasaustausch. Indem es die Phosphodiesterase 5 hemmt, stabilisiert Sildenafil cyclisches GMP, den Second Messenger von NO, und verlängert so die Wirkung von endogenem NO. Aufgrund der Akutwirkungen, wie sie in dieser kleinen Studie gesehen wurden, betrachten die Autoren Sildenafil als vielversprechenden Kandidaten für die Behandlung von Patienten mit Lungenhochdruck infolge einer Lungenfibrose.
Sildenafil (Viagra) erweiterte in einer kleinen Studie an Lungenfibrosepatienten mit schwerem pulmonalem Hochdruck selektiv die Lungengefäße und verbesserte den Gasaustausch. 50 mg orales Sildenafil wirkte vergleichbar stark gefäßerweiternd wie die maximal verträgliche Dosis intravenösen Prostacyclins. Der Phosphodiesterase-5-Hemmer erscheint daher ein vielversprechender Kandidat für die Behandlung von Patienten mit Lungenhochdruck zu sein.
Fortgeschrittene Stadien einer Herzinsuffizienz:
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