Arzneimittel und Therapie

Phytoöstrogene: Ersatz für den Hormonersatz?

Klimakterische Beschwerden stellen zwar kein lebensbedrohliches Leiden dar, sie sind aber wegen des hohen Leidensdrucks für die betroffenen Patientinnen durchaus behandlungsbedürftig. Die im vergangenen Sommer in den USA abgebrochene WHI (Women's Health Initiative)-Studie zeigte allerdings, dass die häufig empfohlene und in den vergangenen 20 Jahren sehr populär gewordene Hormonersatztherapie (HRT) nicht ohne Risiko ist und heute nur noch bei strenger Indikationsstellung und kurzbefristet eingesetzt werden sollte. Eine im "Gynäkologen" erschienene Auswertung und Gegenüberstellung wissenschaftlicher Daten zu östrogenwirksamen Pflanzeninhaltsstoffen dürfte für den Apotheker eine gute Hilfe bei der Beratung bieten.

So groß ist die Auswahlmöglichkeit gar nicht: In der öffentlichen Diskussion stehen derzeit die "Phytoöstrogene" und Extrakte aus der Traubensilberkerze Cimicifuga racemosa.

Kaum Wechseljahrsbeschwerden bei asiatischen Frauen

Lange schon wurde ein Zusammenhang postuliert zwischen dem hohen Sojaverbrauch und dem Fehlen von klimakterischen Beschwerden bei den asiatischen Frauen. Soja – und seit neuerem auch Rotklee – sind die reichsten Quellen von Genistein und Daidzein, zwei Isoflavonen, die im In-vitro- und im Tierversuch deutliche östrogenähnliche Reaktionen zeigen und daher, wie auch die wirkungsverwandten Coumestane und Lignane, als Phytoöstrogene bezeichnet und intensiv beforscht wurden [DAZ 37, 44, (2002)]. Soja- und Rotkleepräparate wurden kurzerhand zu "den" Hoffnungsträgern zur alternativen Behandlung von Wechseljahrsbeschwerden ausgerufen. Sie werden in erster Linie als Nahrungsergänzungsmittel angeboten.

Gibt es den idealen Phyto-SERM?

Da die genannten pflanzlichen Verbindungen je nach Zielorgan ganz unterschiedliche Wirkung an den Östrogen-Rezeptoren entfalten können, hat sich für sie die Bezeichnung "Selektive Estrogen Rezeptor Modulatoren" bzw. "Phyto-SERMs" eingebürgert. Ein idealer Phyto-SERM als Alternativ-Medikation zu einer Hormonersatztherapie bei postmenopausalem Östrogenmangel sollte dementsprechend einen positiven Einfluss auf

  • die ZNS-vermittelten Effekte (klimakterische Beschwerden, psychische Reaktionen),
  • auf den Knochenstoffwechsel (Osteoporose),
  • das Vaginalepithel (Trockenheit),
  • auf das kardiovaskuläre (Arteriosklerose, Myocardinfarkt) und
  • Urogenitalsystem (Inkontinenz) haben, jedoch nicht die unerwünschte proliferierende Wirkung des Estradiols am Endometrium oder in der Brust entfalten.

In Tabelle 1 sind die bisher bekannten östrogenen Wirkungen von Isoflavonen, Coumestanen (sie sind jedoch vergleichsweise wenig untersucht) und Cimicifuga-racemosa-Extrakten gegenübergestellt. Die Auflistung gibt einen Überblick über den bisherigen Stand der pharmakologisch-zellbiologischen sowie der tierexperimentellen und klinischen Befunde.

Osteoprotektive Wirkung gesichert

Eindeutig dürfte die osteoprotektive Wirkung sowohl der Isoflavone als auch der Cimicifuga-racemosa-Extrakte bewiesen sein, eine der wichtigsten Indikationen bisher für die Hormonersatztherapie und seit langem Hauptthema der Isoflavonforschung. Sie gilt tierexperimentell als gesichert und klinisch wahrscheinlich: Die Entwicklung einer Osteoporose nach der Menopause scheint bei Einnahme von Isoflavonen oder Östrogenen langsamer fortzuschreiten. Aussagekräftig ist auch der Quotient der Osteoblasten (Knochenbildner)- und Osteoklasten (Knochenabbau)-Aktivität. Für einen Cimicifuga-Extrakt (Klimadynon®) konnte mit diesen Parametern zum ersten Mal der klinische Beweis seiner osteprotektiven Effekte an postmenopausalen Patientinnen erbracht und mit Östrogen und Plazebo behandelten Patientinnen verglichen werden. Für Soja- und Rotkleeisoflavonen existieren noch keine derartigen Vergleichsstudien.

Widersprüchliche Datenlage bei Brustkrebs

Da bei vielen Japanerinnen, deren Hauptproteinquelle Soja ist, nach einer Umsiedlung in die USA die Krebsinzidenz auffällig anstieg, galt lange Zeit, dass Sojaisoflavone vor Brustkrebs schützen können. Entsprechende zellbiologische Untersuchungen von Isoflavonen an Mammakarzinomzellen konnten die reduzierte Zellproliferation bestätigen, jedoch nur unter unphysiologisch hohen Isoflavonkonzentrationen.

Im Normbereich, wie es auch der Einnahme von isoflavonhaltigen Gesundheitsprodukten entspricht, war eher eine Proliferation der Mammakarzinomzellen zu beobachten. Noch ist die reichhaltige Datenlage sehr widersprüchlich und es lassen sich weder für Isoflavone noch für Cimicifuga klare Aussagen bezüglich günstiger, ungünstiger oder keiner Effekte auf Brustkrebs machen

Wechseljahrsbeschwerden

Leitsymptom der Wechseljahrsbeschwerden sind die "hot flushes", die in einem komplizierten hormonellen Rückkoppelungssystem über den Hypothalamus und die Gonadotropine reguliert werden. Herrscht in der Menopause Östrogenmangel, wird dies vom Körper durch eine verstärkte pulsartige LH-Ausschüttung ausgeglichen, Ursache der synchron aktivierten plötzlichen Hitzewallungen und von plötzlichem Herzrasen. Eine Reduktion der LH-Pulsatilität kann daher als Maß für die östrogene Aktivität einer Verbindung gelten (s. Tab. 1). In der Mehrzahl klinischer Studien mit Isoflavongemischen aus Soja oder Rotklee ist es bisher nicht gelungen, eine Verbesserung der klimakterischen Beschwerden, insbesondere von "hot flushes", zu belegen.

Die Wirksamkeit von Cimicifuga-Extrakt-Präparaten auf die klimakterische Symptomatik wurde ebenfalls in mehreren klinischen Studien untersucht. Bezüglich der "major climacteric complaints", nämlich Hitzewallungen, depressiver Verstimmung, Schlafstörungen, vaginaler Trockenheit sowie Muskel- und Gelenkschmerzen ergaben die Studien mit Cimicifuga-Extrakt bereits nach 8 und 12 Wochen Therapie (Dos.: 40 mg/d) einen signifikanten Rückgang der Beschwerden im Vergleich zu Plazebo.

Während der Behandlung mit Cimicifuga-Extrakt konnten mit Ultraschall keine uterotrophen Effekte nachgewiesen werden. Aus Gründen der Risikoabwägung für die Patientin ist der ausgeschlossene Einfluss auf das Endometrium von enormer Bedeutung. Hohe Dosen von Genistein und Coumestanen zeigten hingegen im Tierversuch einen uterotrophen Einfluss auf das Uterusgewebe.

Daten zur Prävention der Arteriosklerose nicht eindeutig

Unter Soja- und Rotkleeisoflavonen wurden HDL-Anstieg und LDL-Reduktion bei postmenopausalen Frauen nachgewiesen. Auch Tierexperimente ergaben, dass Isoflavone analog den lange Jahre empfohlenen Östrogenen die Entstehung einer Arteriosklerose verhindern können. Diese Befunde führten in den USA zur Zulassung von Sojaisoflavonen zur Behandlung der Arteriosklerose durch die FDA.

Seit der Rücknahme der Empfehlung zur Hormonersatztherapie durch die American Heart Association geht man jedoch auch wieder kritischer mit den Isoflavonergebnissen um. Derzeit ist keine Schlussfolgerung möglich, ob Phytoöstrogene zur Prävention der Arteriosklerose indiziert sein könnten. Für Cimicifuga-Extrakt ist die Situation ähnlich, da aus Tierexperimenten und klinischen Daten keine überzeugenden Daten vorliegen.

Keine unkontrollierte Selbstmedikation mit Phytoöstrogenen

Cimicifuga-Präparate erfüllen nach derzeitigem Kenntnisstand wohl am ehesten die Ansprüche an einen Phyto-SERM, da sie weitgehend die erwünschten Wirkungen aufweisen. Wichtiger Pluspunkt: Cimicifuga-Extrakt-Präparate sind zugelassene (und verschreibungsfähige) Medikamente und erfüllen entsprechend die Auflagen eines Arzneimittels, d. h. ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit ist belegt, ihr gleichbleibender Qualitätsstandard gesichert.

Bei der wissenschaftlichen Bewertung der so genannten Phytoöstrogene sind die Meinungen geteilt. Soja und andere phytoöstrogenhaltige Präparationen können im Rahmen einer gesunden Lebensführung sinnvoll und unterstützend sein, können aber nicht als Therapie angesehen oder eingesetzt werden. Produkte, die auf Isoflavone standardisiert sind, wie Soja-, Rotklee- oder Kombinationspräparate, sind immer nur Nahrungsergänzungsmittel, jedoch keine zugelassenen Arzneimittel. Ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit ist nicht eindeutig belegt, ihr Risikopotenzial noch nicht vollkommen ausgelotet. Da auch Isoflavone stark wirksame Substanzen darstellen, muss vor allem vor einer unkontrollierten Selbstmedikation gewarnt werden.

Cimicifuga: altbekannte Indianermedizin

Cimicifuga racemosa stammt aus der Indianermedizin Nordamerikas. Der Wurzelauszug war bereits in den 50er-Jahren als pflanzliches Medikament bei "Frauenleiden" und klimakterischer Symptomatik anerkannt, bevor es aufgrund der Hormonersatztherapie kurzzeitig fast in Vergessenheit geriet.

Als wertbestimmende Inhaltsstoffe der Traubensilberkerze werden Triterpenglykoside und das Isoflavon Formononetin diskutiert. Noch aber möchte man sich nicht auf "den" oder "die" eigentlichen Wirkstoffe festlegen. Es wäre naheliegend, die Wirksamkeit von Cimicifuga einfach dem Isoflavon Formononetin zuzuschreiben.

Man hat jedoch im Arbeitskreis um Prof. Wuttke, Göttingen, zeigen können, dass Cimicifuga-racemosa-Extrakte in zytosolischen Organextrakten ganz eigene SERM-Reaktionen hervorrufen und nicht in gleicher Weise an die rekombinanten Östrogenrezeptoren und ‚ binden wie die bisher erforschten Isoflavone.

1 Kommentar

Literaturverzeichnis fehlt sowie der Zugriff auf die im Text erwähnten Tabellen.

von D. Gutberlet-Schwind am 24.06.2019 um 10:28 Uhr

Wäre schön, wenn Sie mir dies per Mail schicken könnten.

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