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Arzneimittel und Therapie
Glucocorticoide: Dexamethason bei bakterieller Meningitis
Die akute bakterielle Meningitis bei Erwachsenen ist mit einer hohen Rate neurologischer Folgeschäden und einer hohen Sterblichkeit belastet. Dies gilt insbesondere für die Pneumokokken-Meningitis. Das liegt nicht an einer ungeeigneten Antibiotikatherapie, denn Liquor-Kulturen sind üblicherweise ein bis zwei Tage nach Beginn der Antibiotikatherapie steril.
Tierexperimente haben gezeigt, dass der durch das Antibiotikum ausgelöste Zerfall der Bakterienzellen zu einer Entzündung im Subarachnoidalraum führt. Diese Entzündung könnte zum ungünstigen Behandlungsergebnis beitragen. Bei Tieren verringerte eine begleitende Dexamethason-Therapie sowohl die Entzündung im Liquor als auch die neurologischen Folgeschäden.
Erfahrungen bei Kindern
Bei Kindern mit akuter bakterieller Meningitis wurde eine adjuvante Glucocorticoid-Gabe in mehreren Studien untersucht. Die Ergebnisse waren zum Teil widersprüchlich. Eine Metaanalyse der seit 1988 durchgeführten randomisierten, kontrollierten Studien ergab einen Nutzen bei Haemophilus-influenzae-Typ-B-Meningitis und einen möglichen Schutzeffekt bei Pneumokokken-Meningitis, wenn Dexamethason vor oder zeitgleich mit parenteralen Antibiotika gegeben wurde. In einer prospektiven, randomisierten Doppelblindstudie wurde neun Jahre lang untersucht, ob eine begleitende Dexamethason-Therapie das Behandlungsergebnis bei Erwachsenen mit bakterieller Meningitis verbessert.
Über 300 Teilnehmer
301 Patienten wurden aufgenommen, 157 in die Dexamethason-Gruppe und 144 in die PlazeboGruppe. Das Durchschnittsalter betrug 45 Jahre. 57% der Teilnehmer waren Frauen. Die meisten Patienten litten zu Beginn an klassischen Meningitis-Symptomen, wie Kopfschmerzen, Fieber und Nackensteifheit. Die Behandlungsgruppen waren zu Beginn in fast allen Kriterien vergleichbar. Sie unterschieden sich nur darin, dass in der Dexamethason-Gruppe mehr Patienten an Krampfanfällen litten als in der Plazebogruppe (10% gegenüber 5%).
Ein ungünstiges Behandlungsergebnis – 1 bis 4 Punkte auf der Glasgow Outcome Scale – hatten nach 8 Wochen 23 Patienten unter Dexamethason (15%) und 36 unter Plazebo (25%). Das relative Risiko für ein ungünstiges Ergebnis betrug unter Dexamethason im Vergleich zu Plazebo 0,59 (signifikant).
Weniger Patienten starben
Unter Dexamethason starben elf Patienten (7%), unter Plazebo 21 (15%). Das relative Risiko betrug 0,48 (signifikant). Einen besonders großen Nutzen hatte Dexamethason in der Untergruppe der Patienten mit Pneumokokken-Meningitis: 15 von 58 mit Dexamethason Behandelten (26%) gegenüber 26 von 50 mit Plazebo Behandelten (52%) zeigten nach 8 Wochen ein ungünstiges Ergebnis (relatives Risiko 0,5), und 8 (14%) gegenüber 17 (34%) verstarben (relatives Risiko 0,41). Bei Patienten, deren Hirnhautentzündung durch Meningokokken ausgelöst war, konnte kein Nutzen für Dexamethason gezeigt werden.
Dexamethason hatte keinen Einfluss auf neurologische Folgeschäden, einschließlich Hörverlusten. Nebenwirkungen führten bei vier Patienten mit Dexamethason und einem mit Plazebo zum vorzeitigen Behandlungsabbruch. Insgesamt hatte die Dexamethason-Begleittherapie keine vermehrten Nebenwirkungen. Gastrointestinale Blutungen traten bei zwei Patienten der Dexamethason-Gruppe und fünf Patienten der Plazebogruppe auf.
Auf der Basis dieser Ergebnisse empfehlen die Autoren, allen Erwachsenen mit akuter bakterieller Meningitis vier Tage lang alle sechs Stunden 10 mg Dexamethason zu geben. Die erste Gabe soll vor oder zusammen mit der ersten Antibiotika-Gabe erfolgen.
Dexamethason auch für Patienten mit Vancomycin?
Es gibt jedoch Pneumokokken-Stämme, die hochgradig resistent gegenüber Penicillinen und Cephalosporinen sind. Patienten, deren Meningitis durch solche Pneumokokken ausgelöst wird, benötigen ein Antibiotikaregime mit Vancomycin. Dexamethason beeinträchtigt möglicherweise die Verfügbarkeit von Vancomycin im Subarachnoidalraum. Bislang blieb unklar, ob eine Dexamethason-Therapie für Patienten, die Vancomycin benötigen, von Nachteil ist.
- = Tod
- = vegetativer Zustand, in dem der Patient keinen Kontakt zur Umgebung hat
- = schwere Behinderung. Der Patient kann nicht allein leben, kann aber Befehlen folgen
- = mäßige Behinderung. Der Patient kann allein leben, aber nicht arbeiten
- = leichte oder keine Behinderung. Der Patient kann wieder arbeiten
- trübem Liquor
- Bakterien im Liquor, die in der Gramfärbung nachgewiesen wurden
- mehr als 1000 Leukozyten pro mm³ Liquor
Die Patienten waren in den letzten 48 Stunden vor Aufnahme in die Studie nicht mit oralen oder parenteralen Antibiotika behandelt worden.
Die Teilnehmer bekamen randomisiert vier Tage lang alle sechs Stunden 10 mg Dexamethason-21-Dinatriumphosphat oder ein Plazebo intravenös verabreicht. Die erste Gabe erfolgte 15 bis 20 Minuten vor der parenteralen Antibiotika-Gabe. Als initiales Antibiotikum wurde nach Blut- und Liquorabnahme Amoxicillin sieben bis zehn Tage lang intravenös gegeben (2 g alle vier Stunden). Nach einer Zwischenanalyse bei 150 Patienten wurde die Aufnahme von Patienten in die Studie durch zwei Protokolländerungen beschleunigt: Das Studienmedikament durfte auch zeitgleich mit dem Antibiotikum gegeben werden. Die empirische Antibiotikatherapie war nicht mehr auf Amoxicillin festgelegt, sondern durfte den lokalen Empfehlungen folgen. Primäres Zielkriterium war der Punktwert auf der Glasgow Outcome Scale acht Wochen nach der Randomisierung im Urteil des Arztes. Ein Punktwert von 1 bis 4 bedeutete ein ungünstiges Ergebnis, ein Punktwert von 5 ein günstiges Ergebnis. Die Analyse folgte dem Intention-to-treat-Prinzip. Eine Subgruppenanalyse unterschied nach dem Meningitis-Erreger.
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