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Kriminologie: Das Rätsel des Turiner Grabtuches

Die berühmteste Reliquie des Christentums gibt weiterhin Rätsel auf. Ist das Bild auf dem Leinentuch, in das Jesus Christus eingewickelt gewesen sein soll, ein Acheiropoietos, ein nicht von Menschenhand Gemachtes, oder ist es eine geniale Fälschung aus dem späten Mittelalter? Trotz aller denkbaren fachkundigen Untersuchungen ist nicht geklärt, wie das Abbild eines Gekreuzigten darauf entstanden ist. Doch ob echt oder nicht, das Turiner Grabtuch ist auch ein leuchtendes Beispiel interdisziplinärer Forschung. Es hat darüber hinaus eine große kulturhistorische Bedeutung.

Kardinal Giovanni Saldarini, der Turiner Erzbischof, erklärte das Grabtuch von Turin am 23. April 1997 im Radio Vatikan für echt. Die Motive, es als authentisches Leichentuch Christi anzusehen, überwögen die Bedenken. Es gebe für die Art und Weise, wie das Antlitz und die Gestalt Jesu auf das Tuch gekommen seien, keine wissenschaftliche Erklärung.

Dem kann bis heute nicht widersprochen werden. Der Pfahl im Fleisch dieser Überzeugung ist zwar die Radiocarbondatierung (C-14), die 1988 von einer internationalen Wissenschaftlerdelegation unter Aufsicht des Vatikans unternommen worden war und deren Aussage lautet: Das Tuch stammt eindeutig aus der Zeit des späten Mittelalters. Doch dieses Ergebnis einer scheinbar exakten Messmethode wird aus gewichtigen Gründen angezweifelt.

Das Tuch aus textilkundlicher Sicht

Das Turiner Grabtuch ist ein 437 cm langes und 111 cm breites Leinengewebe, inklusive eines etwa 8 cm breiten angenähten Streifens vom selben Stoffballen (Abb. 1 und Abb. 2). Der Gewebestreifen wurde mit einer an der Oberseite nahezu unsichtbaren Naht exakt angenäht. Für Mechthild Flury-Lemberg ist es unter anderem deshalb ein mit professioneller Sorgfalt eigens auf diese Größe zugeschnittenes Leinen.

Die führende Textilexpertin ist erlesenes Mitglied der wissenschaftlichen Kommission für das Grabtuch und einer der ganz wenigen Menschen, die das Tuch sehen, befühlen und untersuchen durften. Sie hält das Gewebe für kostbare Importware aus Ägypten oder Syrien.

Zumindest ist die Gewebestruktur, eine 3/1-Spitzgradköperbindung, also ein Fischgratmuster, nicht untypisch für diese Landstriche vor 2000 Jahren, während sie im Abendland nicht vor dem 15. Jahrhundert nachgewiesen ist. Die web- und nähtechnischen Merkmale sprechen für seine Entstehung in einer Manufaktur des 1. Jahrhunderts nach Christus.

Darüber hinaus fand man geringe Spuren der Baumwolle Gossypium herbaceum im Gewebe. Der Anbau von Baumwolle ist im Mittelalter in Europa nur für Sizilien und das arabische Spanien belegt, während die Pflanze in Syrien und Palästina schon in vorchristlicher Zeit angebaut wurde.

Die Flachsfasern sind in einem bemerkenswert guten Zustand. Der Gang der Zeit hat allerdings Spuren hinterlassen. Das Tuch ist voller Flecken, Falten und Verfärbungen und mit Flicken besetzt, die von Flury-Lemberg mittlerweile entfernt worden sind. Die größten Schäden entstanden 1532, als ein Brand das Tuch fast vernichtet hätte.

Zweimal der Länge nach und zwölfmal der Breite nach gefaltet, hatte es in Chambéry in Savoyen (heute: Frankreich) in einem silbernen Schrein gelegen. Dieser war durch die Flammen so heiß geworden, dass das Tuch durch alle Schichten an den Kanten angesengt wurde und Brandlöcher entstanden. Außerdem verursachte das Löschwasser große Flecken.

Hinweise auf die Passion Christi

Die Bedeutung des ursprünglich eierschalenfarbenen Grabtuches liegt in der Abbildung eines gekreuzigten, bärtigen, nackten Mannes in seiner ganzen Größe in Vorder- und Rückenansicht. Der Habitus der auf 1,77 m Länge und 77 kg Gewicht geschätzten Gestalt deutet auf ein Alter zwischen 30 und 35 Jahren hin.

Die Verbindung des Toten mit Jesus Christus liegt schon in der Tuchlege selbst begründet. Denn damals haben Trupps von vier Mann bis zu 500 Kreuzigungen täglich durchgeführt. Die Gerichteten galten als Schwerverbrecher und wurden an ihren Ölbäumen oder notdürftig zusammengenagelten Latten hängen gelassen oder buchstäblich auf den Müll geworfen und nur manchmal richtig begraben.

Dass ein Gerichteter vom Kreuz genommen und in kostbarstes Leinen gewickelt wurde, war in jedem Falle äußerst ungewöhnlich. Die Blutspuren der Blutgruppe AB an der Stirn, am Hinterkopf, auf der rechten Brustseite und an Hand- und Fußgelenken, weisen ganz eindeutig auf eine Kreuzigung hin, wie sie Jesus widerfahren ist.

Wunden von gut hundert Geißelhieben auf Rücken und Oberschenkeln wurden gezählt; sie stimmen exakt mit den Spuren überein, die ein römisches Flagrum hinterlässt. Dies und sämtliche weiteren Spuren auf dem Tuch decken sich exakt mit der Passion Christi unter Pilatus, wie sie in der Bibel beschrieben ist.

Die vielen kleinen, blutenden Verletzungen am Kopf lassen sich nicht anders als durch eine Dornenkrone verursacht erklären. Die römischen Soldaten hatten sich bekanntlich diesen Scherz mit dem "König der Juden" erlaubt, der bei anderen Gekreuzigten keinen Sinn gemacht hätte.

Am Abdruck der rechten Ferse haftete Straßenstaub, darunter das Calciumcarbonat Aragonit. Dieses seltene rhombische Mineral kommt in Jerusalemer Gräbern und am Damaskustor in der Nähe der ehemaligen Richtstatt Golgatha vor. Im Abdruck der Augenhöhlen wurden Spuren von Kupfermünzen (Lepton) entdeckt, die im 16. Jahr der Regierung des Pontius Pilatus, also 29 n. Chr. in Palästina geprägt worden waren.

Seit 100 Jahren systematisch erforscht

Die wissenschaftliche Untersuchung des Tuches beginnt 1898 mit der 50-Jahre-Feier der Ausrufung der Republik Italien durch Manzini und Garibaldi. Im Rahmen der Ausstellung hatte Secundo Pia, der Bürgermeister von Asti, die ersten Fotografien gemacht. Als er die Platten des Formats 50 x 60 cm aus dem Entwicklungsbad zog, entdeckte er, dass die Negative ein positives Bild des Mannes auf dem Leinen ergaben. Während das mit bloßem Auge erkennbare Bild recht verschwommen ist, erstand plötzlich eine klar erkennbare Person vor den Augen des Betrachters. Das Tuch hatte sein wichtigstes Geheimnis offenbart.

Was damals eine Weltsensation war, begeistert und erregt auch heute noch die Gemüter. Doch erst die perfekten Bilder des Berufsfotografen Giuseppe Enrie, 1931 anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen Umberto unter notarieller Kontrolle und im Beisein von hundert Wissenschaftlern aus aller Welt aufgenommen, räumten die letzten Zweifel an der Echtheit von Pias Bildern aus.

Im Kern ging es und geht es jedoch um die Frage, ob das Tuch 2000 Jahre alt ist und ob Jesus Christus in ihm lag. 1903 stellte der Agnostiker Yves Delage, Professor für vergleichende Anatomie an der Sorbonne, fest, das Leichentuch könne unmöglich gefälscht sein. Es müsse das Grabtuch des Jesus von Nazareth sein. Die Anatomie des Mannes sei fehlerfrei.

Darüber hinaus wäre es für jeden Fälscher schwierig gewesen, im Negativ zu arbeiten. Sein Kollege, der Biologe Paul Vignon, ergänzte, dass ein Maler vor Erfindung der Daguerrotypie keine Vorstellung von einem Negativ hätte haben können. Auch sei der Körper in seinen Konturen erst durch die photomechanische Umkehrung erkennbar. In der Akademie der Wissenschaften in Paris war man entsetzt ob dieser Behauptungen.

Anatomische und botanische Indizien

Eine Reliquie als echt zu bezeichnen, galt schon damals als unerhört in den so genannten aufgeklärten Kreisen. Doch es bleibt die Tatsache eines Abbildes in vollkommener anatomischer und physiologischer Exaktheit eines gekreuzigten Mannes. Sogar die Verletzung des Mediannervs durch den in die Handwurzel getriebenen Nagel, die zum charakteristischen Einknicken des Daumens führt, kann am Tuch belegt werden. Ein solches medizinisches Spezialwissen hätte ein mittelalterlicher Maler nicht haben können.

Ebenso wenig hätte ein Fälscher die mehr als 100 000 identifizierten Blütenpollen auf das Gewebe gestreut. Wie sollte er im Mittelalter eine elektronenmikroskopische Analyse voraussehen? Die Pollen stammen von mindestens 76 Pflanzenarten, die nur zum geringsten Teil in Europa wachsen. Mindestens 44 weisen auf die außergewöhnliche geobotanische Lage Jerusalems an der Grenze zwischen mediterraner und saharo-sindischer Region hin. Einige stammen aus Urfa, dem früheren Edessa in Anatolien, und zwei aus dem Iran und dem Tiefland von Turan, dem Gebiet jenseits des Oxus, heute Amudarja, der in den Aralsee mündet.

Das Tuch zeigt auch den Abdruck von Hunderten von Blüten, Blättern, Früchten und Stängeln. Der Tote muss also reich geschmückt mit dem Leinen bedeckt worden sein. Der Botaniker Avinoam Danin aus Jerusalem stellte dazu 1997 fest, dass das Ensemble aus Blumen und Früchten so nur in dieser Gegend vorkomme. Ein solcher Blumenschmuck hätte im Mittelalter in Europa nicht erstellt werden können.

Ikonographische Indizien

Die noch nicht abgeschlossene ikonographische Analyse spricht ebenfalls gegen eine Fälschung. Das Tuch gibt den Archetyp aller Christusbilder seit dem 4. Jahrhundert wieder. Die seitdem allgemein üblichen Darstellungen mit Bart und schulterlangem, in der Mitte gescheiteltem Haar gehen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf das Turiner Grabtuch zurück. Beispielsweise enthält der Codex Pray von 1192, der in der Ungarischen Nationalbibliothek liegt, eine Federzeichnung, die ohne Kenntnis des Tuches nach menschlichem Ermessen so nicht entstanden sein kann (Abb. 3).

Für Professor Karlheinz Dietz, Althistoriker an der Universität Würzburg und führender Grabtuchexperte, ist das Bild identisch mit dem so genannten Edessabild des Königs Abgar V. mit dem Beinamen Uchomo oder Ukkâmâ, was der Schwarze bedeutet (Abb. 4). Abgar war von 9 bis 46 König von Edessa. Er gilt als Sprössling der parthischen Arsakiden und soll der engste Freund des römischen Kaisers Augustus gewesen sein. Das Edessabild taucht erstmals 544 als Acheiropoietos – als nicht von Menschenhand Gemachtes – in der Überlieferung auf.

Die Dietz´sche Hypothese stützt sich auf die Legende, dass der schwer erkrankte Abgar Jesus nach Edessa eingeladen hatte. Bischof Eusebius von Caesarea in Palästina († 339/40) berichtet in seiner Historia ecclesiastica, Abgar habe Jesus brieflich um Heilung gebeten.

Jesus soll ihm laut der syrischen Quelle Doctrina Addai brieflich erwidert haben, er könne der Einladung nicht folgen, werde aber nach seiner Himmelfahrt einen seiner Jünger senden, der ihn heilen solle. Dieser Bote Hanan (Ananias) – nach anderer Quelle auch Thaddäus – hat dann angeblich ein Abbild Jesu, mithin das Tuch, mit nach Edessa gebracht.

Merkwürdigkeiten bei der Probennahme

Die eigentlich naturwissenschaftliche Untersuchung begann 1969, als einer Sonderkommission erlaubt wurde, UV- und IR-Fotos zu machen und Textilproben zu analysieren. 1978 rückten 40 Spezialisten dem Tuch mit teuerstem Gerät der NASA zu Leibe. Weitere Runden mit Gerichtsmedizinern und anderen Experten folgten.

Da die Ergebnisse mit großer Mehrheit auf ein Alter von 2000 Jahren hinwiesen, hatte 1983 John Arthur Robinson, ehemaliger Bischof der Kirche von England, gefordert, es sei nicht Aufgabe der Anhänger der Jesus-Hypothese, die Echtheit des Tuches zu verteidigen, sondern vielmehr müsse die Gegenseite die Unechtheit beweisen.

Dies scheint dann 1988 mit der C-14-Altersbestimmung unwiderlegbar geschehen zu sein. Die Datierung auf den Zeitraum zwischen 1260 und 1390 wurde am 13. Oktober 1988 von Kardinal Anastasio Ballestrero auf einer Pressekonferenz offiziell verkündet, das Ergebnis in "Nature" veröffentlicht und das Tuch zur mittelalterlichen Reliquie erklärt.

Drei Labors, in Tucson (USA), Oxford (England) und Zürich, hatte der Erzbischof von Turin aus sieben Bewerbern ausgewählt. Jedes erhielt ein Stoffstück der Größe einer halben Briefmarke. Michael Tite vom Britischen Museum koordinierte die wissenschaftlichen Analysen. Der Vorgang der Probennahme ist mit 14 Stunden Videoaufnahmen dokumentiert. Doch das Entscheidende, die Verpackung der Tuchschnipsel als Blindproben, wurde von Ballestrero und Tite allein in einem Nebenraum und ohne Videoüberwachung durchgeführt.

Weitere Merkwürdigkeiten sind mit der Zeit an die Öffentlichkeit gelangt. So wurden die Proben an einer stark verschmutzten Ecke entnommen, zwischen einem aufgesetzten Flicken, hinter dem sich allerlei Staub der Geschichte angesammelt hatte, und dem Schmutzrand eines Löschwasserflecks (Abb. 2). Gerade an den Ecken wurde das Tuch im Laufe der Jahrhunderte auch immer wieder angefasst.

Auch die Probennahme selbst bietet Stoff für Spekulationen. Der Textilexperte Giovanni Riggi di Numana durfte als Einziger die Schere führen. Abgeschnitten worden sein soll ein 70 x 10 mm großes Stück, das halbiert und dessen eine Hälfte in drei gleiche Teile geschnitten wurde. Seltsamerweise maß allein die Züricher Probe 14 x 18 mm, wo sie doch höchstens etwa 12 x 10 mm groß hätte sein dürfen. Diese wundersame Stoffvermehrung der Probe ist ein weiteres kleines Detail der vielen Merkwürdigkeiten rund um die C-14-Analyse. Beispielsweise wurde bis heute kein offizielles Testprotokoll veröffentlicht. Auch steht ein Korruptionsverdacht gegen Michael Tite im Raum.

Die Radiocarbondatierung scheint fehlerbehaftet

Abgesehen von Manipulationsvorwürfen wird nun auch über die C-14-Methode selbst heftig diskutiert. Der russische Experte Dimitrij Kusnetzow meinte 1993 auf einem Kongress in Rom, die Laboratorien hätten sich schlicht um 1300 Jahre geirrt. Seine Versuche, den Brand von 1532 zu simulieren und ein Gewebe einer heißen, feuchten und gashaltigen Atmosphäre auszusetzen, wie sie im Silberschrein von Chambéry geherrscht haben muss, ergaben einen stark erhöhten C-14-Gehalt. Ein so behandeltes Tuch wäre also deutlich jünger. Auch hätten die Tester nicht beachtet, dass sich der Flachs bei der Umarbeitung zu Stoff mit C-14-Isotopen anreichere.

Die Argumente haben die Diskussion zum C-14-Verfahren angefacht. Es scheint so, als ob die Datierung mit Kohlenstoff-Isotopen nicht so einfach durchzuführen ist, wie lange angenommen wurde.

Ein Bild ohne Pigmente

Unabhängig davon ist noch immer nicht geklärt, wie das Negativbild auf das Tuch kam. Es konnten keinerlei Farbpigmente auf dem Leinen identifiziert werden. Das Abbild des Gekreuzigten existiert nur auf der äußersten Oberfläche einzelner Flachsfasern von 0,8 mm Durchmesser. Selbst die feinsten Zobelpinsel wären zu dick, um so dünne einzelne Fasern zu bemalen.

Erst der Abstand von zwei Metern lässt die einzelnen dunkleren Faserspitzen zu einem Bild verschwimmen. Es kann also kein Gemälde sein. Die Möglichkeit des Abdrucks eines heißen Bronzereliefs scheidet ebenfalls aus. Legt man ein Tuch auf ein solches Flachrelief, wäre die Ver-färbung flächig und hätte sich in die Tiefe des Gewebes fortgesetzt.

Einzelne Forscher spekulieren über die erste Fotografie der Weltgeschichte. Kein Geringerer als Leonardo da Vinci (1452 – 1519) soll sie angefertigt haben. Camera obscura, lichtempfindliches Silberiodid, Urin zur Fixierung und Linsensysteme seien zu seiner Zeit schon bekannt gewesen. Gegen diese Theorie spricht allein, dass das Tuch schon vor Leonardos Lebzeiten nachweisbar existiert hat. Abgesehen davon, gibt es in der Kunstgeschichte keinerlei Beweis für eine Fotografie vor Erfindung der Daguerrotypie im 19. Jahrhundert.

Färbung durch niederenergetische Strahlung?

Plausibel erscheint die Vorstellung der Verfärbung als Folge von Oxidation und Dehydrierung. Im UV-Licht fluoreszieren die gefärbten Fasern, nicht aber die tiefer liegenden Kettfäden. Daraus folgert man – ob zu Recht, sei dahingestellt –, dass die chemischen Prozesse der Bildentstehung durch eine niederenergetische Wärme-, Licht- oder Energiestrahlung ausgelöst sein könnten, die keine nennenswerte Temperaturzunahme an der Leinenoberfläche bewirkt haben dürfte.

Das mit einem Scanner abgetastete Grabtuch lieferte ein dreidimensionales Bild eines Körpers (Abb. 5). Der Grad der Vergilbung stand somit in direktem Verhältnis zum Abstand zur Körperoberfläche.

Das Tuch musste zum Zeitpunkt des Abdrucks locker aufgelegen haben. Das Leinen lag also beispielsweise unmittelbar auf der Nasenspitze auf, während die Augenhöhlen einen gewissen Abstand hatten.

... oder durch Neutronenstrahlung?

Vor allem Naturwissenschaftler tun sich mit Spekulationen über eine mysteriöse Bestrahlung des Tuches hervor. Der Leichnam könnte sich beispielsweise bei der Auferstehung in Energie verwandelt und dabei eine Neutronenstrahlung von etwa 150 Nanometern abgegeben haben. Was wiederum den Anteil der C-14-Isotope verändert haben soll.

Nach einer anderen Version könnten die Deuteriumatome auf der Haut des Gerichteten Protonen und Neutronen freigesetzt haben. Die Neutronen hätten dann das Isotopenverhältnis verschoben, während die Protonenstrahlung die Oxidation der Flachsfasern bewirkt haben könnte. Mit anderen Worten: Die Auferstehung müsste das Tuch verändert haben.

Das Turiner Grabtuch ist einzigartig

Das Abbild des Gekreuzigten ist einzigartig. Das ist sowohl den Anhängern der Jesus-These als auch denjenigen, die die Entstehung des Tuches ins ausgehende Mittelalter legen, klar. Es gibt nichts Vergleichbares in Kunstgeschichte und Archäologie. Flury-Lemberg hält den C-14-Test für unsinnig. Die Webtechnik mache ein sehr viel älteres Datum möglich.

Ein Beweis für das Jesus-Abbild sei das aber nicht. Genau das aber glaubt Karlheinz Dietz. Mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit habe Josef von Arimathäa Jesus Christus darin bestattet. Die wissenschaftliche Untersuchung, insbesondere der C-14-Test, leide unter den im vorwissenschaftlichen Bereich gefällten Grundsatzentscheidungen der beteiligten Forscher. Die Kurie spiele bei dem Streit keine Rolle. Sie akzeptiere jedes faktische Ergebnis.

Falls Jesus in das Tuch gebettet war, belegt das Grabtuch die biblischen Erzählungen über sein irdisches Ende. Es ist damit aber kein Beweis für eine wie auch immer geartete Auferstehung. Doch wäre das Grab nicht leer gewesen, müsste das Tuch mit dem Leichnam zwangsläufig verwest sein. Zweifellos wäre ein echtes Abbild Christi eine Art Bild gewordenes Wort, eine direkte Überlieferung Jesu, der nichts Schriftliches hinterlassen hat.

An einem Freitag vor dem jüdischen Passahfest vor fast 2000 Jahren wurde Jesus von Nazareth in Jerusalem gekreuzigt und begraben. Ein angebliches Zeugnis dieser Ereignisse ist das Turiner Grabtuch. Es ist mit modernsten wissenschaftlichen Methoden untersucht worden. Dennoch ist nicht eindeutig geklärt, ob es echt ist und wie die Abbildung des Leichnams auf das Gewebe gekommen ist.

Die Geschichte des Grabtuchs von Turin Spekulativ

1. Jh. Jünger Jesu bringen das Grabtuch in Edessa (Urfa oder Sanliurfa, Anatolien) bei König Abgar in Sicherheit 2. Jh. Das Tuch wird zum Schutz in die Stadtmauer eingemauert 525 Wiederentdeckung des Tuchs. Es wird die Vorlage aller weiteren Darstellungen Jesu mit Bart und Mittelscheitel 945 Der Kaiser des Oströmischen Reiches bringt das Tuch vor den Arabern gegen den Austausch von Kriegsgefangenen in Konstantinopel in Sicherheit 1204 Das Tuch verschwindet bei der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzritter. Möglicherweise haben die Templer es an sich gebracht 14. Jh. Nachdem Philipp der Schöne den Templerorden in Frankreich zerschlagen hat (1306), wird in einer englischen Templer-Niederlassung der Deckel einer Truhe mit einem Bild gefunden, das große Ähnlichkeit mit dem Antlitz auf dem Grabtuch aufweist

Gesichert

1357 Die Witwe des Ritters Gottfried (Geoffroy) von Charny stellt das Tuch öffentlich aus 1452 Das Tuch gelangt in den Besitz des Hauses Savoyen, aus dem im 19. Jh. die italienischen Könige hervorgehen 1532 Die Schlosskapelle von Chambéry brennt nieder. Das Tuch kann schwer beschädigt gerettet werden 1898 Das Tuch wird zum ersten Mal fotografiert 1969 Beginn der systematischen wissenschaftlichen Untersuchung 1983 Italiens Exkönig Umberto schenkt das Tuch dem Vatikan 1988 Nach einem Radiocarbontest wird das Tuch auf den Zeitraum zwischen 1260 und 1390 datiert 12. April 1997 Das Tuch fällt in Turin beinahe einem Brandanschlag zum Opfer

Vokabularium

Das Grabtuch lat. Sancta Sindon (auch: Sanctum Sudarium) it. la Sindone (auch: il Sudario) sp. la Síndone port. o Sudário frz. le Suaire engl. the Shroud Die Wissenschaft vom Grabtuch Sindonologie, Sindonology

Das Turiner Grabtuch im Netz

Offizieller Netzauftritt der katholischen Kirche zum Grabtuch – englisch und italienisch http://sindone.torino.chiesacattolica.it Filmaufnahmen vom Tuch http://sindone.torino.chiesacattolica.it/it/ostens/filmati.htm2 Auftritt des Grabtuches – auf englisch www.shroud.com/ Kurz und knapp www.turiner-grabtuch.de Museo della Sindone in Turin www.sindone.org/it/museo.htm

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