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Geologie: Wie weit reicht das Erdöl?

Der "Club of Rome" warnte Anfang der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts, das Erdöl gehe 2000 zu Ende. Ähnliche Prognosen und Rechnungen gibt es seitdem viele über das Öl. Falsch sind sie notwendigerweise alle. Denn die so genannte Ölreichweite errechnet sich aus dem Quotienten der gesichert abbauwürdigen Mengen und dem jährlichen Verbrauch. Und das sind Variablen mit vielen Unbekannten (Tab. 1).

Die Prognosen stimmen nicht

Ende 2001 lagen die weltweit sicher nachgewiesenen Erdölreserven bei 143 Milliarden Tonnen, bei einem jährlichen Verbrauch von etwa 3,5 Milliarden Tonnen. Die Zahlen ergeben bei konstantem Verbrauch eine statische Reichweite des Öls von etwa 40 Jahren. Der Geologische Dienst der USA geht von 450 Milliarden Tonnen konventionellen Erdöls aus, was eine Reichweite von 128 Jahren ergäbe.

Die tatsächlich zugängliche Ölmenge ist aber ebenso wenig bestimmbar wie der Verbrauch in 40 Jahren. Denn der Quotient aus Menge und Verbrauch hängt ab von der technischen Entwicklung, der Entwicklung der Menschenzahl und von vielen anderen Unwägbarkeiten.

Darüber hinaus werden die Geologen immer wieder fündig, sei es in der Tiefsee, im Kaspischen Meer, in Afrika, in Sibirien oder im Kurischen Haff. Und der technische Fortschritt bringt nicht nur verbrauchsärmere Motoren; er erweitert auch die Möglichkeiten. Beispielsweise sind die Lagerstätten im Golf von Mexiko nicht mehr unerreichbar. Heute sind dort bereits Förderanlagen in 2000 Meter Tiefe im Einsatz. Überhaupt scheinen der Förderbarkeit des Öls heute kaum noch Grenzen gesetzt. So sind Bohrungen bis in 9000 Meter Wassertiefe geplant.

Bei geringen Tiefen werden die Stahltürme einfach in den Meeresboden gerammt. Es gibt aber auch schwimmfähige Plattformen, Hubinseln genannt, die mit hydraulisch ausfahrbaren Beinen über dem Bohrloch stehen. Große Tiefen werden mit Halbtauchern erschlossen.

Die stählernen Riesen fluten ihre großen Ballasttanks, um den Schwerpunkt unter die Wasseroberfläche zu drücken. Auf diese Weise erhöht sich die Stabilität ihrer Lage wesentlich. Auch das eisige Klima Alaskas stellt heute kein Hindernis mehr da, wenn es darum geht, der Erde das Öl zu nehmen.

Ein hohes Potenzial haben auch die unkonventionellen Ölreserven. Dazu zählen Ölschiefer, Ölsande und Schweröle, deren Abbau und Nutzung heute noch weitgehend unrentabel sind (Tab. 2). Allein die Ölsande übersteigen die konventionellen Ölreserven bei weitem. Große Vorkommen lagern in den USA, in Madagaskar, China, Russland, Venezuela und Brasilien.

Ölsand ist ein molasseähnliches Gemisch aus zähflüssigem Bitumen, Wasser, Sand und Lehm. Kanada hat bereits damit begonnen, Ölsande im Tagebau in den Athabasca Sands in der Nähe der Stadt Fort McMurray zu fördern. Das Gebiet umfasst 25 000 Quadratkilometer, was der Hälfte der Fläche der Schweiz entspricht. Die Vorräte werden auf 400 Billionen Liter geschätzt, 500 Milliarden Liter davon sind leicht abbaubar und entsprächen dem Weltölbedarf von 15 Jahren.

Es begann in Pechelbronn

Der moderne Bohrbergbau begann 1785 in Pechelbronn im Elsass. Auf einem hölzernen Gestänge saß ein stählerner Meißel, der schwingend ins Bohrloch fiel und das Gestein zertrümmerte. Erst 1901 konnte dieses primitive Schlagbohren durch das wesentlich effektivere Drehbohrsystem (Rotary) ersetzt werden.

Vor allem deutsche Pioniere brachten die Bohrtechnik im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts voran. Die Deutsche Bohrmeisterschule in Celle war lange Zeit technologisch führend. Während man in den USA über 800 Meter Tiefe mit primitiven Seilbohranlagen, die den Meißel hoben und wieder fallen ließen, nicht hinauskam, stellte der Bohrinspektor Karl Zobel 1871 einen für unerreichbar gehaltenen Weltrekord auf (Tab. 3).

Moderne Bohrtechnik

Das Drehbohren ist noch heute Stand der Technik, wurde aber weiterentwickelt:

  • Beim Schmelzbohren treten heiße Gase aus den Düsen eines drehbaren Schneidbrenners aus und erhitzen das Gestein auf 2300 °C, bevor es der Meißel zertrümmert.
  • Beim Turbinenbohren wird der Bohrmeißel durch einen Elektromotor oder eine Wasserturbine am unteren Ende des Bohrgestänges angetrieben.

Das Turbinenbohren wird vor allem bei Ablenkbohrungen eingesetzt. Liegt das Öl unter einer Ortschaft oder einem Naturschutzgebiet, wird das Feld horizontal erschlossen. So ist die Bohrinsel Mittelplate im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer erst nach einer horizontalen Bohrstrecke von 8367 Meter fündig geworden.

Die Horizontalbohrtechnik erspart bei großen Feldern weitere Tiefbohrungen. Die Öllager können sukzessive vom Bohrwurm angezapft werden. Setzt man das Bohrloch unter hohen Druck, beispielsweise mit Kohlendioxid, entstehen feine Risse, aus denen Öl seitlich entlang der ganzen Bohrstrecke in das Loch sickern kann.

Das vom Meißel zermalmte Gestein – Bohrklein genannt – wird mit einem speziellen Schlamm aus Ton und Wasser, der am Meißel aus dem hohlen Bohrgestänge austritt, zwischen Gestänge und Bohrlochwand nach oben gespült.

Tertiärverfahren der Förderung

Anstelle des Schlamms kann auch heißes Wasser oder Dampf in die Tiefe gepumpt werden, denen Tenside und andere Zusätze hinzugefügt werden. Diese so genannten Tertiärverfahren machen viskoses Öl dünnflüssiger und erhöhen so den Nutzungsgrad eines konventionell ausgebeuteten Feldes.

Allerdings bringt das Einpressen großer Mengen Wasser auch Probleme mit sich. Denn mit dem Wasser gelangen sulfatreduzierende Bakterien in das Öl. Diese setzen Schwefelwasserstoff (H2S) frei, der toxisch und korrosiv ist und damit die Qualität des Öls massiv beeinträchtigt. Die Bohrer geben deshalb dem Wasser Biozide wie Glutaraldehyd und Cocodiamin hinzu. An Nitrit und Molybdat als Inhibitoren wird geforscht.

Die geothermische Tiefenstufe von etwa drei Grad Celsius auf hundert Meter Bohrtiefe bereitet noch immer große Probleme. Denn durch die steigende Hitze beginnen die üblichen Ton-Süßwasser-Schlämme bald zu kochen und werden instabil. Alternativen sind deshalb begehrt. Um Wasser anzudicken, werden beispielsweise Polyelektrolyte oder wasserlösliche Polymere zugesetzt. Solche Polymere müssen bei niedriger Konzentration eine hohe Viskosität erzeugen und dennoch eine gute Fließeigenschaft des Gemisches erhalten.

Schließlich muss das Fluid gegen hohe Salzgehalte und Temperaturen und alkalische Verhältnisse inert sein. Häufig werden Polyacrylamide eingesetzt. Sie sind aber ebenso wenig optimal wie die Hydroxyethyl-Cellulose. Deshalb wird derzeit unter anderem nach Biopolymeren gesucht. Kandidaten sind beispielsweise Xanthangummi oder die Exopolysaccharide von Sphingomonas paucimobilis GS-1.

Die Geologen hatten lange einen schweren Stand

Genese und Zusammensetzung des Erdöls blieben lange Zeit rätselhaft. Vor allem in den USA hielt man es im ganzen 19. Jahrhundert für eine Art verflüssigter Kohle und bohrte nur in der Nähe großer Kohlelagerstätten. Das Wissen über Senken, Verwerfungen und Hebungen der Gesteinsschichten war noch rudimentär.

Als der große Geologe Hans Cloos (1885 – 1951) – Professor an der Universität Breslau – den neuen Eisenbahntunnel am Lorettaberg bei Freiburg im Breisgau beging, sah er ein ganzes System an unterirdischen Gleitbahnen und Rutschfugen. Seine Erkenntnisse über Verwerfungen der Gesteinsschichten befruchteten die Ölgeologie außerordentlich.

Es bestätigte sich schließlich, dass gerade geologische Verwerfungen als klassische Ölfallen fungieren, in denen das wichtigste Schmiermittel der Wirtschaft zu Lagerstätten zusammenfließt. Denn die Kohlenwasserstoffe entstehen in der Regel nicht dort, wo sie gewonnen werden. Sie bilden sich im Erdölmuttergestein und wandern dann sukzessive aufgrund von Dichteunterschieden in die so genannten Trägerschichten.

Es dauerte dennoch viele Jahrzehnte, bis die Geologen von den Ölpionieren wirklich ernst genommen wurden, die als kernige Hasardeure lange nur ihrer Ölnase folgen wollten.

Prospektion mit Satellit und Dynamit

Die systematische und geologisch fundierte Prospektion begann verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg. Seitdem werden Bilder von Satelliten und aus Flugzeugen geologisch ausgewertet. Sie liefern Informationen, die dem bloßen Auge verborgen bleiben.

Auch die 3D-Seismik ist heute unentbehrlich für die Geologen. Mit einer Ladung Dynamit wird ein kleines künstliches Beben erzeugt. Die an den Gesteinsschichten reflektierten und gebrochenen Schallwellen geben dann Aufschluss über die tektonischen Verhältnisse unter der Erde. An der entstehenden Wellengraphik kann man dann auf Ölfallen schließen.

Seit einigen Jahren wird diese Methode auch in den Küstengebieten von Schiffen aus durchgeführt. Hier müssen die Geophone durch Hydrophone ersetzt werden, die die reflektierten Schallwellen aufnehmen. Die 3D-Seismik findet bis heute auch dort noch Ölbecken, wo die ausgefeilten Oberflächenanalysen durch den Satelliten EOSAT seit 1991 keinerlei Hoffnung geben. Bis in 6000 Meter Tiefe lassen sich die Untergründe erforschen. Letzte Sicherheit über ein Ölfeld liefern allerdings auch weiterhin erst teure Probebohrungen.

Bakterien sparen Geld

Um teure Bohrungen zu vermeiden, spannen die Geologen neuerdings obligate kohlenwasserstoffoxidierende Bakterien ein (HCO-Bakterien). Solche Mikroorganismen reichern sich im Boden an, wenn niedermolekulare Kohlenwasserstoffe aus den Lagerstätten an die Erdoberfläche diffundieren. Denn durch die Brownsche Molekularbewegung durchdringen die sehr kleinen Moleküle die Gitterstruktur aller festen Minerale ab einem Atomabstand von 50 Angström.

Die Moleküle reichern sich oberhalb einer Ölfalle an und dienen den ubiquitären HCO-Bakterien als Elektronenakzeptor. Während deren Zellzahl normalerweise bei etwa 100 je Gramm Boden liegt, steigt sie über Öllagerstätten leicht auf 10 000 bis 100 000.

Die Erdöl-Erdgas Gommern GmbH hat nun im Verlauf von 30 Jahren das MPOG-Verfahren (Microbial Prospection of Oil and Gas) entwickelt, das sowohl an Land als auch im Meer eine sehr zuverlässige Aussage über unterirdische Ölfallen zulässt. Mit statistisch ausgeklügelten Verfahren werden Methylomonas methanica und weitere nicht genannte Bakterien identifiziert.

Darüber hinaus berichtet die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe von 500 gas-, säure-, biotensid- und biopolymerbildenden Mikroorganismen, die zur Ölförderung eingesetzt werden können. Deren grenzflächenaktive Substanzen erhöhen die Entölung konventionell ausgebeuteter Öllagerstätten. Diese Beispiele zeigen, dass der Suche nach und der Förderung von Erdöl offenbar noch immer keine Grenzen gesetzt sind.

Der saudiarabische Scheich Jamani hat aus all den Gründen die Frage nach dem Erdöl so beantwortet: "Ebenso wenig wie die Steinzeit aus Mangel an Steinen zu Ende gegangen ist, wird das Ölzeitalter aus Mangel an Öl zu Ende gehen."

Reserven und Ressourcen Reserven sind Mengen, die in einer Lagerstätte nachgewiesen sind und mit der gegenwärtigen Technik gefördert werden können.

Ressourcen sind Mengen, die geologisch nachweisbar sind, aber derzeit nicht gewonnen werden können, und Mengen, deren Existenz vermutet wird.

Öl wurde anfangs in undichten Holzfässern transportiert. Auf dem langen Weg aus Amerika ging ein Drittel verloren. Der Kaufmann Wilhelm Riedemann kam auf die Idee, das Öl in Trinkwassertanks zu transportieren. Der Versuch war ein voller Erfolg, und Riemann baute in sein größtes Segelschiff "Andromeda" eiserne Petroleumtanks ein. Er ist der Erfinder des Öltankschiffes.

Harold "Hayseed" Stephens von der Ölfirma Ness Energy International will aufgrund zahlreicher Bibelstellen den imaginären, weltumspannenden Ölozean, der alle Kontinente tragen soll, am Toten Meer anzapfen. "Die Geologen sagten, ich bin verrückt", meint der erfolgreiche Ölmann und Christ. "Aber Gott sagt mir, wo ich bohren soll, und ich tue es." Er will dort, wo einst Sodom und Gomorra gestanden haben sollen, bis in 6400 Meter Tiefe bohren.

Öl im Netz Mineralölwirtschaftsverband www.mwv.de/n Rohölaufsuchungsgesellschaft www.rohoel.at Ölseiten der Geschwister-Scholl-Schule der Stadt Meckenheim http://home.t-online.de/ home/hsm_projekt_oil/index. html Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e. V. www.erdoel-erdgas.de Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover www.bgr.de

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