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Toxikologie: Die Wirkung von Uranmunition
Uran ist überall
Das silbrige Uran ist ein natürliches Schwermetall der Ordnungszahl 92. Es kommt mit 0,5 bis 10 Gramm je Tonne in der Erdkruste häufiger vor als beispielsweise Quecksilber, Silber oder Gold. An der Luft bildet es eine dünne Oxidschicht aus. In feiner Pulverform verbrennt es ab 170 °C, in kompakter Form erst bei 700 °C. Das Metall wird von Wasser und Säuren angegriffen, gegen Alkalien ist es dagegen recht beständig. Die Dichte des Urans ist mit 19,07 g/cm3 nur wenig geringer als die von Wolfram (19,3 g/cm3) und um einiges höher als die von Blei mit 11,35 g/cm3.
Natururan besteht aus drei verschiedenen Isotopen. 99,2836% entfallen auf U-238, 0,7110% auf U-235 und der Rest von 0,0054% auf U-234. Für die meisten Anwendungen in der Nukleartechnik reicht der geringe Anteil des spaltbaren U-235 im Natururan nicht aus und muss deshalb angereichert werden.
Das bei diesem Verfahren zurückbleibende Gemisch, das 0,2 bis 0,3% U-235 enthält, wird abgereichertes Uran (DU) genannt. DU ist also ein Abfallprodukt der Herstellung von Brennstäben für Kernkraftwerke und von hochangereichertem Uran für Atombomben.
Uran ist ein schwacher Alphastrahler, sendet also Heliumkerne aus. Seine Beta- und Gamma-Strahlung ist sehr gering und nicht relevant. Die Alpha-Aktivität von Natururan beträgt 25 000 Bequerel (Bq) pro Gramm; die von DU liegt mit 15 000 Bq/g etwa 40% niedriger. – 1 Bq entspricht dem Zerfall eines Atoms je Sekunde (Tab. 1). Das chemische und biologische Verhalten von Uran ist jedoch nicht von der Isotopenform abhängig und deshalb für DU und Natururan identisch.
Toxizität beim Menschen
Nicht exponierte Personen besitzen im Mittel etwa 56 Mikrogramm Uran in ihrem Körper. Die tägliche Zufuhr, hauptsächlich über frisches Gemüse, Getreideprodukte, manche Fischarten und bestimmte Mineralwässer, liegt je nach Region zwischen 0,9 und 4 Mikrogramm. Die Trinkwasserkonzentrationen reichen von 2 Nanogramm bis 500 Mikrogramm je Liter. Die Aufnahme mit der Atemluft spielt keine Rolle.
Uran wird zu einem großen Teil rasch wieder über die Nieren ausgeschieden. Der Rest verteilt sich in verschiedenen Organen und wird über einen längeren Zeitraum ebenfalls über den Urin ausgeschieden, und zwar proportional zum Körpergehalt. Die Belastung lässt sich deshalb recht einfach über den Urin bestimmen.
DU wirkt außerhalb des Körpers nur über die schwache Strahlung. 1 Kilogramm DU führt in einer Distanz von 1 Meter zu einer Dosis von weniger als 1 Millisievert (mSv) pro Jahr. (Sievert ist die Einheit für die wirkungsbezogene Strahlendosis.) Zum Vergleich akkumuliert ein Mensch aus natürlichen Quellen eine Dosis von 3 mSv pro Jahr.
Die Alpha-Strahlung wird jedoch in der obersten Hautschicht absorbiert und erreicht das lebende Gewebe nicht. Strahlendosen von einigen mSv pro Jahr sind deshalb nicht in der Lage, akute Strahlenschäden auszulösen; einzige Folge wäre eine kaum quantifizierbare Zunahme des Krebsrisikos. Zwar liefert das DU in ehemaligen Kriegsgebieten nur einen winzigen Beitrag zur natürlichen Strahlenbelastung. Ein längerer direkter Hautkontakt zu DU-Munitionsteilen sollte dennoch vermieden werden.
Nach einer Inkorporation müssen sowohl die chemische als auch die radiologische Wirkung nebeneinander betrachtet werden. Entscheidender Faktor ist die Löslichkeit des inhalierten DU in Körperflüssigkeiten. Befindet sich das Uran in einer chemisch löslichen Form, wird der größere Teil innerhalb von Tagen über Blutbahn und Nieren wieder ausgeschieden.
In der Niere kann Uran toxisch wirken – bis zum totalen Nierenversagen. Eine einmalige Inhalation von 8 bzw. 40 mg Uran in löslicher Form gilt als Schwellenwert für das Auftreten von vorübergehenden bzw. permanenten Nierenschäden. Da die Besatzung eines getroffenen Panzers bis zu 50 mg Uranaerosol inhalieren könnte, würde das zu Schäden in der Niere führen.
Uran in leicht löslicher Form wird aus dem Verdauungstrakt nur zu etwa 2 bis 5% in die Blutbahn aufgenommen. Die Schwellenwerte für das Auftreten von reversiblen bzw. permanenten Nierenschäden nach einmaliger Einnahme dürften entsprechend höher liegen als beim Inhalationspfad. Uran in Form von Uranoxid, das im Körper schlecht löslich ist, wird aus dem Verdauungstrakt praktisch nicht aufgenommen und entwickelt deshalb selbst in Gramm-Mengen keine chemisch-toxische Wirkung.
Uran hat eine durchschlagende Wirkung
In Legierung mit 2% Molybdän oder 0,75% Titan und nach einer speziellen Temperaturbehandlung wird Uran härter als gehärteter Werkzeugstahl. Das Material dient deshalb zur Panzerung ebenso wie zum Durchschlagen von Panzerplatten.
Uran wird wegen seines hohen spezifischen Gewichts und seines niedrigen Preises wegen auch zivil, vor allem als Ausgleichsgewicht im Schiff- und Flugzeugbau verwendet. So sind in den ersten 550 Boeing 747 je 1,5 Tonnen als Gegengewicht in die Steuerklappen eingebaut worden. In den Kielen von Rennyachten wirkt es stabilisierend.
Da U-238 Gammastrahlung fünf Mal besser abschirmt als Blei, nutzt man es für die Transportbehälter von Kernbrennstäben und für medizinische Geräte. Doch diese Anwendungen haben bisher keine hohe Publizität erreicht.
In der Diskussion ist ausschließlich die DU-Pfeilmunition. Beim Aufprall auf eine Panzerplatte mit etwa dreifacher Schallgeschwindigkeit behalten Pfeile aus DU ihre Form besser als solche aus Wolfram oder Stahl. Ein solcher Pfeil schärft sich aufgrund der besonderen Eigenschaften von Uran beim Aufschlag sogar noch weiter, im Gegensatz zu solchen aus Wolfram, die sich zu einer Art Pilz verformen, und heizt sich auf mehrere tausend Grad Celsius auf. Nach dem Durchdringen der Panzerung verbrennt der verflüssigte oder pulverisierte Teil des DU-Pfeils und erhöht auf diese Weise die Zerstörungswirkung. Denn oft explodieren dadurch Treibstoff oder Munition des Panzers.
Je nach Material und Dicke der durchschlagenen Panzerungen werden etwa 10% des DU in ein feines Aerosol verwandelt. Dieses DU-Aerosol verbrennt zu größtenteils schwerlöslichen Uranoxiden, die im Panzer in relativ hohen Konzentrationen einige Zeit in der Luft verbleiben. Der ins Freie gelangende Anteil verdünnt sich rasch und wird verfrachtet und deponiert. Der Rest des DU-Geschosses bleibt in Form metallischer Bruchstücke im Panzer oder in der näheren Umgebung liegen.
Für Personen im Freien neben getroffenen Panzern oder brennendem DU dürfte die Aerosolbelastung wesentlich geringer sein. Auch für Personen, die sich nach Absetzen der Aerosole in die Panzer begeben, sollte die interne Belastung viel geringer sein, da höchstens ein kleiner Teil der Aerosole wieder aufgewirbelt und eingeatmet wird. Diese Gefährdung wird durch Niederschläge im Lauf der Zeit weiter verringert.
Das Einatmen von DU-Aerosolen stellt die eigentliche Gefahr dar. Eine akute Beeinträchtigung der Gesundheit ist dabei von der chemischen Giftigkeit des Urans zu befürchten, ähnlich wie bei anderen Schwermetallen, beispielsweise Blei und Quecksilber.
Es gibt noch kein eindeutiges Fazit
Die Ergebnisse der GSF (Gesellschaft für Strahlenforschung) legen ebenso wie die Aussagen des schweizerischen ABC-Schutzlabors Spiez den Schluss nahe, dass die Gefahr einer Inkorporation von DU in gesundheitsgefährdenden Ausmaßen weder bei Soldaten noch bei der Zivilbevölkerung besteht. Dennoch empfiehlt die GSF dringend, die in den betroffenen Gebieten lebenden Menschen auf die mögliche Gefährdung durch Uran hinzuweisen.
Insbesondere die Gefahr einer Inkorporation bei dort spielenden Kindern sollte deutlich gemacht werden. Die Untersuchungen der Vereinten Nationen im Kosovo bestätigen diese Einschätzung. Danach liegt die Strahlenbelastung nur in enger Nähe der Einschlagpunkte der DU-Munition geringfügig über der Hintergrundstrahlung. Eine messbare radioaktive Belastung der Umwelt habe nicht festgestellt werden können.
Auch Klaus Töpfer, der Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), sieht keine unmittelbare Gefahr für Mensch und Umwelt. Allerdings sind mittlerweile winzige Spuren von Plutonium (Pu-239 und Pu-240) und von U-236 in verschossener DU-Munition gefunden worden. Zwar wies das hochgiftige Plutonium nur eine sehr niedrige Aktivität von maximal 12,87 Bq/kg auf. U-236 lag bei einer Konzentration von nur 0,0028%. Dennoch müssen diese Munition und ihre möglichen Gefahren für Boden, Wasser und Mensch weiter beobachtet und untersucht werden.
Sogar das britische Militär will nun mit Urintests herausfinden, ob bei seinen Frontsoldaten verstärkt Nierenschäden, Lungenkrebserkrankungen oder Verbindungen zu dem mysteriösen Golfkriegs-Syndrom festgestellt werden können. Außerdem will Großbritannien demnächst die Einsatzorte von DU-Munition und die Ergebnisse der Untersuchungen veröffentlichen. Immerhin soll die Kriegskoalition im letzten Irakkrieg 2000 Tonnen Uranmunition verschossen haben.
Nachdem das radioaktive Schwermetall Uran in der Vergangenheit wegen seiner Verwendung in Atombomben und in Kernkraftwerken die Ängste der Bevölkerung geschürt hatte, ist es nun durch eine neuartige Munition wieder in den Blick der Öffentlichkeit gelangt. Die Uranmunition, die im Kosovokrieg und im Irakkrieg eingesetzt wurde, birgt nach gegenwärtigem Wissensstand nur ein geringes chemisch-toxisches Risiko und praktisch kein radiologisch-toxisches Risiko.
Die Weltproduktion von Uran liegt bei jährlich 35 000 Tonnen. Im Juni 1998 lagerte das Energieministerium der USA 734 000 Tonnen Uranhexafluorid. Zwei Drittel davon, etwa 500 000 Tonnen, sind abgereichertes Uran, der Rest Fluor. Zahlenangaben zu den "Vorräten" anderer Länder mit Anreicherungsanlagen gibt es nicht. Es wird geschätzt, dass jährlich zusätzlich ca. 30 000 Tonnen zu den jetzt schon riesigen DU-Lagern hinzukommen.
Laut NATO-Angaben wurden auf dem Balkan 30 000 Geschosse mit jeweils 270 g Uran verschossen.
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