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Arzneimittel und Therapie
Interview: Selen bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse
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Was hat Selen mit der Schilddrüse zu tun?
Heufelder:
In den letzten Jahren wurde der hohe Stellenwert von Selen für die Funktion der Schilddrüse erkannt. Dafür gibt es zwei Gründe: Ein Enzym, das am Umbau von T4 zu T3 entscheidend beteiligt ist, ist selen-abhängig. Fehlt das Spurenelement, kann die Enzymaktivität eingeschränkt sein. Auch die Glutathionperoxidase, die die Schilddrüse maßgeblich vor oxidativem Stress schützt, ist selenabhängig.
Untersuchungen zeigen, dass dieses Enzym bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse nicht voll funktionsfähig ist. Leichter Selenmangel begünstigt bei genetischer Disposition möglicherweise die Entwicklung einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, wird er ausgeprägter, kann er auch die Umwandlung von T4 zu T3 limitieren. Der Weg in die Hypothyreose ist gebahnt.
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Damit ein ausreichender Umbau von T4 zu T3 gewährleistet ist, reichen bereits kleine Selenmengen aus. Besteht aus Ihrer Sicht dennoch Substitutionsbedarf?
Heufelder:
Die Selenversorgung in der Bevölkerung verschlechtert sich kontinuierlich. Stichprobenuntersuchungen in unserer Praxis zeigen, dass Patienten häufig einen Selenspiegel von unter 60 µg/l haben, also nicht einmal die Hälfte dessen, was bei Patienten in der Schweiz oder in den USA gemessen wird.
Für die Substitution gilt die alte Empfehlung: 50 bis 100 µg Selen sollten zusätzlich zur normalen Ernährung zugeführt werden, entweder durch bewusst gewählte selenreiche Nahrungsmittel wie grünes Gemüse oder Fisch, oder durch Supplementierung. Eine generelle Selenbestimmung vor der Substitution halte ich nicht für notwendig.
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Wird Selen bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse auch therapeutisch eingesetzt?
Heufelder:
Für die Behandlung der Hashimoto-Thyreoiditis mit Selen gibt es mittlerweile zwei Studien mit ermutigenden Resultaten. Beide zeigten übereinstimmend, dass die thyreoidale-Peroxidase(TPO)-Antikörper unter Selenzufuhr deutlicher und schneller abfallen. Eingesetzt wurden dafür Selen-Tagesdosen von 200 µg.
In dieser Dosis ist Selen bereits rezeptpflichtig. In den Studien wurde über drei Monate therapiert, ich behandle sechs bis zwölf Monate. Für den Einsatz bei Morbus Basedow gibt es noch keine veröffentlichten größeren Studien. Unserer Erfahrung nach wirkt Selen aber auch hier günstig.
Da die Therapieerfahrungen mit Selen bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse erst relativ kurz zurückreichen, müssen noch mehr Daten in prospektiven kontrollierten Studien mit relevanten Endpunkten gesammelt werden. Deshalb sollte der Einsatz von Selen möglichst im Rahmen von Therapiestudien erfolgen.
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Gibt es Risiken?
Heufelder:
Bei Tagesdosen von 800 µg sind mittelfristig keine Nebenwirkungen beobachtet worden. Kurzfristig (Wochen) wurden auch viel höhere Dosen problemlos vertragen, z. B. in der Intensivmedizin. Vorsicht ist bei niereninsuffzienten Patienten geboten.
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Herr Professor Heufelder, wir danken Ihnen für das Gespräch!
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