Berichte

Pharmaziegeschichte: Von Fachliteratur bis zu Verbandstoffen

Am 17. Juni trafen veranstalteten die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft und die Pharmazeutische Gesellschaft Württembergs, UG Württemberg-Hohenzollern in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie im Pharmazeutischen Institut in Tübingen eine Vortragsreihe über "Pharmaziegeschichte Ų ein Fach mit Zukunft", die einen Bogen von der Antike zur Moderne schlug. Die begleitenden Worte sprach Prof. Dr. Stefan Laufer, Ordinarius für Pharmazeutische Chemie an der Universität Tübingen.

Illustrierte Titelblätter

Dr. Anne Geertje Wertz, Sachsenheim, vermittelte den Zuhörern einen Einblick in die illustrierten Titelblätter der Arznei- und Kräuterbücher von 1500 bis 1800. Diese Titelblätter lösten die Praxis des Mittelalters ab, ein Buch bereits mit der ersten Textseite beginnen zu lassen.

In der frühen Neuzeit informierte das nunmehr eingefügte Titelblatt anfangs noch rein verbal, doch bald kamen figürliche und dekorative Elemente hinzu, die schmückenden und werbenden Zwecken dienten. Dabei verwendete man antik-heidnische bzw. christliche Symbole der Heilkunde.

Im 17. Jahrhundert waren die Titelmuster entsprechend dem barocken Zeitgeist prächtig und aufwändig gestaltet, im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden sie allerdings auf Grund des steigenden wissenschaftlichen Anspruchs der Fachliteratur und aufgrund von Sparmaßnahmen der Verleger mehr und mehr verdrängt, sodass illustrierte Titelblätter in der pharmazeutischen Literatur immer seltener wurden und im 19. Jahrhundert nur noch in Ausnahmefällen zu sehen waren.

Wie Wertz betonte, ist "die Bildwelt von Titelblättern medizinisch-pharmazeutischer Fachliteratur zwischen 1500 und 1800 zweifelsohne eine kulturhistorische Fundgrube für den heutigen Betrachter. Für denjenigen, der hierin sehend zu lesen versteht, rollen sich Jahrhunderte Medizin- und Pharmaziegeschichte auf eine reizvolle Art auf."

Verbandstoffe

Prof. Dr. Marcus Plehn, Brackenheim, stellte die Verbandstoffe, die in der Apotheke "meist außerhalb des Generalalphabets, irgendwo zwischen Krankenpflegeartikeln, Übervorrat und dunklem Keller ein Schattendasein führen", ins Rampenlicht, und zwar unter dem Motto: "Von der Mumie zur Mullbinde. Ein Streifzug durch die Verbandstoffgeschichte mit Zwischenstopp in Tübingen".

Es ist anzunehmen, dass unsere prähistorischen Vorfahren Wunden mit Hilfe von Baumbast und langen Blättern schützten und die Wundränder mit länglichen Pflanzenfasern fixierten. Die erste schriftliche Erwähnung von Verbandstoffen findet man im ägyptischen Papyrus Ebers (ca. 1550 v. Chr.).

Damals wurden Binden von sehr guter Qualität und bis zu hundert Metern Länge aus Lein gewoben. Mit ihnen wurden die Toten kunstvoll und faltenfrei zu Mumien bandagiert. Auch die Griechen kannten die Bindenherstellung aus Lein oder Hanf. Im Mittelalter dagegen wurde wenig Wert auf das Verbandmaterial gelegt; statt dessen existierten viele Rezepte zur Wundheilung. Das Lorscher Arzneibuch von 795 empfahl z. B., auf Unterschenkelgeschwüre Schimmel von trockenem Käse, weichen Schafdung und ein klein wenig Honig aufzutragen.

In der Neuzeit war bis ca. 1870 der gebräuchlichste Verbandstoff die Leinenscharpie (von charpir = pflücken, zupfen). Hergestellt wurde sie, indem aus Leinentüchern oder Hemden, die weder zu alt noch zu neu sein durften, die einzelnen Fäden ausgezupft, übereinandergelegt, gekämmt und anschließend zu "Meisseln" gebunden wurden.

Die Baumwolle war zwar seit ungefähr 1800 das wichtigste Rohmaterial zur Herstellung von Kleidungsstücken, aber es brauchte noch geraume Zeit, bis sie auch in der Verbandstoffherstellung ihren Siegeszug antrat.

Victor von Bruns war es, der in seinem 1863 erschienenen "Handbuch der Chirurgie" mitteilte, wie er – in Zusammenarbeit mit dem Tübinger Apotheker Johannes Schmid – zunächst mit Ether, dann mit 4%iger Soda-Lösung die für Verbandstoffe störende Wachsschicht der Baumwollfäden erstmals entfernen konnte.

Somit war der Weg geebnet für eine industrielle Fertigung von Verbandmaterialien. In der Schweiz entstand aus einer Textilfabrik die "JVF Schaffhausen", in Deutschland die Firma "Paul Hartmann" in Heidenheim.

Recherche im Internet

Dr. Michael Mönnich, Stellvertretender Leiter der Universitätsbibliothek Karlsruhe, informierte über die für die Pharmaziehistorie wichtigen elektronischen Informationsmittel.

Die mit Abstand größte Quellensammlung stellt die "Digitale Bibliothek Pharmazie" dar, ein Bestandteil der "Virtuellen Fachbibliothek Pharmazie" der Universitätsbibliothek Braunschweig. Sie enthält zahlreiche historische Pharmakopöen, Arzneitaxen, Sammlungen von Apothekengesetzen, Lehr- und Handbücher und pharmakognostische Nachschlagewerke sowie eine Anzahl von Floren aus dem 19. Jahrhundert.

Die wichtigsten bibliographischen Datenbanken sind:

  • Die Pharmaziehistorische Bibliographie (Spezialbiographie zur Pharmaziegeschichte, Literatur seit 1988),
  • Register zu Schmitz: Geschichte der Pharmazie (Band I; 4500 Einträge pharmazeutischer Literatur),
  • Wellcome Library London medizinhistorische Fachbibliothek),
  • Landesbibliographien,
  • SciFinder (Historische Artikel zur Chemie, Biologie und Medizin; reicht bis 1907 zurück und ist kostenpflichtig),
  • PubMed (Datenbank für Medizin und Biowissenschaften mit 12 Mio. Literaturnachweisen),
  • Historical Abstracts (Fachdatenbank für die Geschichtswissenschaft und benachbarte Disziplinen für die Zeit ab etwa 1450),
  • Jade (enthält Zeitschrifteninhalte).

Nachschlagewerke, die es inzwischen in elektronischer Form gibt, sind:

  • Zedlers Universallexikon (1732 – 1754),
  • Meyers Konversationslexikon (1888 – 1889),
  • Internationaler Biographischer Index (Kurzinformationen zu mehr als 3,4 Mio. Personen),
  • ADB / NDB (Biographische Angaben zu Personen aus dem deutschsprachigen Raum),
  • Orbis Latinus (wichtigste lateinische Orts- und Ländernamen).

Des Weiteren merkte Mönnich an, dass inzwischen Diskussionsforen im Internet existieren, in denen sich Experten der Pharmaziegeschichte austauschen, so z. B. die "History of Pharmacy Discussion Group".

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