Arzneimittel und Therapie

Antihypertensiva: Potenzstörung als unerwünschte Arzneimittelwirkung

Bei der Verordnung blutdrucksenkender Medikamente sollte der erektilen Dysfunktion als unerwünschter Arzneimittelwirkung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Neue Untersuchungen zur Compliance zeigen, dass bereits nach einem Jahr nur noch 60 Prozent der männlichen Hypertoniker ihre Arzneimitteltherapie befolgen. Das Auftreten von Potenzstörungen unter bestimmten blutdrucksenkenden Arzneimitteln könnte hier zu den entscheidenden Faktoren zählen.

AT1-Antagonisten ohne negativen Einfluss

Eine im American Journal of Hypertension veröffentlichte Studie vergleicht die sexuelle Aktivität von Männern, deren Bluthochdruck entweder mit dem AT1-Antagonisten Valsartan oder dem Betablocker Carvedilol behandelt wird. In die Studie eingeschlossen waren 160 verheiratete Männer zwischen 40 und 49 Jahren ohne erektile Dysfunktion in der Vorgeschichte.

120 Männer erhielten randomisiert und doppelblind 50 mg Valsartan oder 160 mg Carvedilol über 16 Wochen, was zu einer vergleichbaren Blutdrucksenkung führte. Eine Kontrollgruppe von 40 Männern erhielt Plazebo. Danach wurde im Sinne eines Cross-over-Designs die Medikation in der Behandlungsgruppe für weitere 16 Wochen getauscht.

Während des ersten Behandlungsmonats nahm die sexuelle Aktivität, definiert als Anzahl des Geschlechtsverkehrs pro Monat, unter beiden Medikamenten ab (von ca. achtmal auf vier- bis sechsmal pro Monat). Während der Weiterbehandlung nahm die sexuelle Aktivität unter Carvedilol weiter ab (auf durchschnittlich 3,7 mal Geschlechtsverkehr pro Monat), während sie sich unter Valsartan erholte und mit 10,2 mal pro Monat im Durchschnitt sogar über dem Ausgangswert vor der Behandlung lag. Das Ergebnis bestätigte sich auch nach dem Cross-over-Design. Über Potenzstörungen klagten 15 Patienten der Carvedilol-Gruppe und jeweils ein Patient unter Valsartan und unter Plazebo.

Individuelles Nutzen-Risiko-Profil erstellen

Gerade jüngere, sexuell aktive Hypertoniker könnten also von einer Behandlung mit ACE- und AT1-Hemmern profitieren. Allerdings fehlen für diese neueren Substanzen Endpunktstudien, die deren generellen Einsatz in der Behandlung des Bluthochdrucks rechtfertigen würden. So weisen die neuesten Ergebnisse der ALLHAT-Studie, die mit über 40 000 Teilnehmern bisher größte randomisierte Studie zur Hochdrucktherapie, auf eine Überlegenheit der Diuretika und Betablocker in Bezug auf schwere koronare Ereignisse und Überlebenszeit hin. Angesichts des Kostendrucks im Gesundheitswesen wird diese Tatsache zu einer Rückbesinnung auf diese lang eingeführten und preiswerten Präparate führen.

Jeder zweite Mann betroffen

Die 1989 publizierte Massachusetts Male Aging Study war die erste große Untersuchung, bei der die Frage nach der sexuellen Potenz gestellt wurde. Männer im Alter zwischen 40 und 70 Jahren wurden über zwei Jahre beobachtet; neben dem Monitoring physiologischer und psychologischer Parameter wurden umfassende Angaben zum Gesundheitsstatus und zum Lebensstil erfasst. Die Prävalenz aller Formen der erektilen Dysfunktion betrug in dieser Studie 52 Prozent. Komplette Impotenz trat bei 5 bis 15 Prozent der Teilnehmer auf. Alle Potenzstörungen korrelierten eindeutig mit zunehmendem Alter.

Bei der Auswertung wurde auch nach weiteren Risikofaktoren der erektilen Dysfunktion gefahndet. Nach Adjustierung auf das Lebensalter ergaben sich hier signifikante Werte für die Risikofaktoren

  • Herzkrankheit,
  • Bluthochdruck,
  • Diabetes und
  • Ängstlichkeit und Depressivität.

Rauchen scheint keinen direkten Einfluss auf die Potenz zu haben. Raucher mit Herzerkrankungen oder Diabetes haben allerdings ein höheres Risiko für komplette Impotenz. Auch Medikamenteneinnahme wurde in der Massachusetts Male Aging Study als Risikofaktor erfasst. Neben den Antidepressiva gehören die Antihypertensiva zu den Arzneimittelgruppen, die am häufigsten zu Potenzstörungen führen.

Erektile Dysfunktion als unerwünschte Arzneimittelwirkung

Bei Beginn der medikamentösen Therapie treten bei allen Antihypertensiva stärkere Einschränkungen auf, die vom Patienten wahrgenommen werden. Bei einigen Substanzgruppen ist diese unerwünschte Arzneimittelwirkung reversibel, die Sexualfunktionen erreichen nach einiger Zeit wieder ihre Ausgangswerte. Bei anderen Substanzgruppen muss allerdings mit einer andauernden Einschränkung gerechnet werden.

Am stärksten wirken sich Diuretika, Methyldopa, Clonidin und Betablocker auf die Potenz aus. Calciumantagonisten, ACE-Hemmer und AT1-Hemmer wirken sich weniger negativ aus. Allerdings sind Informationen zu diesem Thema oft widersprüchlich, beruhen auf Einzelberichten und nicht vergleichbaren, unkontrollierten Studien.

Eine frühere Studie untersuchte den Einfluss von Lisinopril und Atenolol auf die sexuelle Aktivität nicht vorbehandelter Hypertoniker. Unter Atenolol verschlechterte sich die Aktivität, gemessen als Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs pro Monat, dauerhaft. Unter Lisinopril kam es nur zu einer temporären Abnahme bei Behandlungsbeginn.

Quelle

Prof. Dr. R. Düsing, Bonn; Prof. Dr. R. Fogari, Pavia: Satellitensymposium "Hypertonie und erektile Dysfunktion – Neue therapeutische Optionen", 16. November 2002, Dresden, veranstaltet von der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.

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