Recht

M. WienStoppt das Bundesverfassungsgericht das Beitr

Das am 20. Dezember im Bundestag beschlossene Gesetz zur Sicherung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz Ų BSSichG) ist inzwischen im Bundesgesetzblatt verkündet worden und ist nunmehr zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten.

Das Beitragssatzsicherungsgesetz führt folgende Neuerungen ein: Verpflichtung der Apotheken zur Gewährung von erhöhten Krankenkassenabschlägen (§ 130 Abs. 1 SGB V n. F.), Einführung von Herstellerrabatten und Vorfinanzierung dieser Rabatte durch die Apotheken (§ 130 a Abs. 1 SGB V n. F.), Einführung von Großhändlerrabatten und Vorfinanzierung dieser Rabatte durch die Apotheken (Art. 11 BSSichG).

Einzelne Apotheker haben daher beim Bundesverfassungsgericht (BverfG) Eilanträge eingereicht, um zu erreichen, dass das Inkrafttreten der Art. 1 Nr. 7, Art. 1 Nr. 8 und Art. 11 des Gesetzes zur Sicherung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (BSSichG) vom 23.12.2002 (BGBl I Nr. 87/02, Seite 4637) bis zur Entscheidung über die Vereinbarkeit dieser Vorschriften mit dem Grundgesetz, längstens für die Dauer von 6 Monaten, einstweilen ausgesetzt wird.

Eilbedürftigkeit der Aussetzung des BSSichG

Vor einer ausführlichen Prüfung der formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit des BSSichG sind im Rahmen des Eilverfahrens, in dem das BverfG nach § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BverfGG) einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum allgemeinen Wohl dringend geboten ist, die Nachteile, die einträten, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Maßnahme aber später für verfassungswidrig erklärt würde, gegen diejenigen Nachteile abzuwägen, die entstünden, wenn die Maßnahme nicht in Kraft träte, die sich aber im Hauptsacheverfahren als verfassungsgemäß erwiese (BVerfG, NJW 2001, 3253).

Ergeht die einstweilige Anordnung nicht, erweist sich aber das BSSichG später im Hauptsacheverfahren als verfassungswidrig und nichtig, so drohen dem gemeinen Wohl schwere Nachteile. Denn aus den nachfolgend skizzierten ökonomischen Gründen wird eine Vielzahl der Apotheken nicht in der Lage sein, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die wirtschaftlichen Folgen des BSSichG zu tragen.

Die Umsatzeinbuße allein durch die Erhöhung der Kassenrabatte und die Liquiditätseinbuße durch die Verpflichtung der Apotheken, die Großhandelsrabatte und die Herstellerrabatte vorzufinanzieren, träfe eine Vielzahl von Apotheken so stark, dass eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebes für eine längere Zeitspanne nahezu ausgeschlossen wäre. Die Apotheker müssten bereits jetzt Mitarbeiter entlassen bzw. über eine Einstellung des Geschäftsbetriebes nachdenken.

Selbst ein Erfolg im Verfassungsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache käme dann zu spät. Würde umgekehrt dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben und hätte die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache keinen Erfolg, so bliebe die gegenwärtige Rechtslage länger als geplant in Kraft.

Angesichts der von den Krankenkassen bereits vorweggenommenen Erhöhung der Beitragssätze stellt sich allerdings die Frage, ob ein Fortbestehen der bisherigen Rechtslage einer Stabilität der Beitragssätze tatsächlich entgegenstehen würde. Denn die Krankenkassen haben mit der Erhöhung der Beitragssätze bereits unabhängig vom Beitragssatzsicherungsgesetz für ein funktionierendes Gesundheitswesen Vorsorge getragen.

Es ist deshalb nicht damit zu rechnen, dass das Gesundheitswesen in der Bundesrepublik Schaden erleiden wird, wenn die bisherige Situation vorübergehend perpetuiert wird. Im Gegenteil ist bereits dokumentiert, dass die gesetzgeberische Maßnahme auch nach Auffassung der hierdurch begünstigten Krankenkassen nicht geeignet ist, ihr Ziel der Beitragssatzstabilisierung zu erreichen.

Kein Vorteil für die Kassen, aber Nachteil für die Apotheken

Bei der Abwägung darf schließlich nicht außer Betracht bleiben, dass das Ziel der Sicherung der Beitragssätze es gerade nicht erfordert, die Apotheken mit einer Inkassofunktion und dem damit verbundenen Vorfinanzierungs- und Verwaltungsaufwand zu belasten.

Es bringt den gesetzlichen Krankenversicherungen keinerlei finanziellen Vorteil, jedoch den Apotheken einen umso größeren Nachteil, wenn die Apotheken gezwungen werden, die Hersteller- bzw. Großhandelsrabatte zunächst selbst zu verauslagen, um sich anschließend um eine Erstattung durch die jeweiligen Rabattpflichtigen zu bemühen. Eine solche Regelung ist nicht im Interesse einer Entlastung der Krankenkassen geboten.

Gerade weil das öffentliche Gesundheitswesen nicht nur auf niedrige Beitragssätze der gesetzlichen Krankenkassen, sondern auch auf ein funktionierendes Apothekenwesen angewiesen ist, ist es geboten, eine einstweilige Anordnung zu erlassen, um den Apotheken für eine Übergangszeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache die wirtschaftliche Existenzmöglichkeit zu sichern.

Wegen der schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen für die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge und deshalb eine Vielzahl von Apotheken schließen müsste, ist hier ein vorheriges Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts dringend geboten, um die selbst bei einem Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr abzuwendenden Nachteile zu vermeiden, die den Apotheken drohen, wenn das vom Gesetzgeber verabschiedete Beitragssatzsicherungsgesetz unverändert in Kraft treten sollte.

Argumente gegen die Verfassungsmäßigkeit des BSSichG

Die Apotheker sind in ihren Grundrechten insbesondere im Hinblick auf die Berufsfreiheit und das Eigentum durch das BSSichG unmittelbar betroffen und damit gem. Art. Abs. 1 Nr. 4a Grundgesetz zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde befugt, weil ihnen nicht erst durch die Abrechnung der Krankenkassen Liquidität entzogen wird, sondern weil sie unmittelbar durch das Gesetz zur Rabattgewährung und zum Rabattinkasso gegenüber Großhandel und Herstellern verpflichtet werden.

Im Rahmen der nunmehr zu erhebenden Verfassungsbeschwerde werden insbesondere folgende Aspekte zu beachten sein:

Formelle Gesichtspunkte. Das BSSichG beinhaltet in den angegriffenen Teilen Regelungen, durch die die Handelsspannen von Arzneimitteln für den mit Abstand größten Teil der abgegebenen Packungen verringert werden. Es wird somit in den Regelungsbereich der Arzneimittelpreisverordnung (AMpreisVO) eingegriffen. Die Arzneimittelpreisverordnung ist ein mit Zustimmung des Bundesrates erlassenes und nur mit dessen Zustimmung zu änderndes Bundesgesetz im materiellen Sinne. Sie beruht auf der mit Zustimmung des Bundesrates beschlossenen und nur mit seiner Zustimmung änderbaren Ermächtigungsnorm in § 78 Arzneimittelgesetz (AMG).

Der Bundesrat hat das BSSichG jedoch abgelehnt. Die ohne Zustimmung des Bundesrates erfolgte Änderung in den Handelsspannen für den Großteil der abgegebenen Medikamente dürften einen rechtswidrigen Eingriff in den Regelungsbereich der AMpreisVO darstellen.

Durch Das BSSichG werden Regelungen für das Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Rabattverpflichtung für Hersteller und Großhändler geschaffen, die das grundsätzlich den gesetzlichen Krankenkassen obliegende Abrechnungsverfahren bezüglich der abgegebenen Arzneimittel betreffen. Die Krankenkassen fungieren in diesem Zusammenhang als Behörden. Das Erfordernis der Zustimmung durch den Bundesrat kann nicht dadurch umgangen werden, dass das von den Krankenkassen angewandte Abrechnungsverfahren sich deshalb nicht ändert, weil der Rabatteinzug in unzulässiger Weise auf die Apotheker verlagert wird.

Die Aufspaltung des Gesundheitsreformpakets in ein zustimmungspflichtiges Zwölftes Änderungsgesetz zum SGB-V und in das als zustimmungsfrei durchgepeitschte BSSichG ist sachlich insbesondere im Hinblick auf die vorgenannten Aspekte nicht nachvollziehbar und dürfte somit gegen das Willkürverbot verstoßen.

Materielle Aspekte. Die wirtschaftlichen Belastungen aus dem BSSichG, die sich bei den Apothekern kumulieren, führen insgesamt zu einer Existenzgefährdung eines Großteils der bestehenden Apotheken und führen zu einer Erdrosselung im Sinne der in steuerrechtlichem Zusammenhang ergangenen Rechtsprechung des BVerfG.

Die gestaffelte Erhöhung des Abschlages, den die Krankenkassen von den Apotheken auf den für den Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreis erhalten, auf bis zu 10% wird gegenüber der Ertragslage der Apotheken im Jahr 2000 zu einer Verschlechterung der Umsatzrendite vor Unternehmerlohn und Kredittilgungen von durchschnittlich 9% (vgl. Richtsatzsammlung 2000, Bundessteuerblatt I 2001, S. 310) auf ca. 3% führen.

Die den GKV von den Apothekern zusätzlich zu gewährenden Abschläge von 3% des Arzneimittelpreises, die den Apothekern nunmehr aufgrund gesetzlicher Verpflichtung von den pharmazeutischen Großhändlern zu gewähren sind, werden in voller Höhe das Ergebnis der Apotheker belasten, da der Großhandel den gesetzlichen Pflichtrabatt auf die den Apotheken bereits bisher gewährten Einkaufskonditionen anrechnen wird. Erste Gespräche mit Herstellen haben gezeigt, dass auch die Hersteller den ihnen auferlegten Pflichtrabatt in Höhe von 6% auf den Herstellerabgabepreis auf die bisher den Apotheken eingeräumten Einkaufskonditionen anrechnen werden.

Umsatzrendite wird stark sinken

Es ist daher davon auszugehen, dass die durchschnittliche Umsatzrendite aller Apotheken von 9% im Jahr 2000 auf etwa 3% absinken wird. Es wird erkennbar, dass bei einem durchschnittlichen Umsatz von 1,2 Mio. Euro aus einem Gewinn von 36 000 Euro Lebensunterhalt, Alters- und Krankenversicherung des Inhabers nicht gedeckt werden können und insbesondere Tilgungen von Krediten aus Existenzgründungen oder Apothekenübernahmen nicht bedienbar sein werden und insoweit Insolvenzen vorprogrammiert sind.

Schon bisher war die Abgabe niedrigpreisiger Arzneimittel für die Apotheken nicht kostendeckend. Dies sei anhand der Beispiele einiger häufig verordneter Arzneimittel erläutert: Wenn eine Apotheke die Tropfen "MCP AI" zu einem Verkaufspreis von 2,01 Euro verkauft, wird hierbei ein Rohertrag von 0,60 Euro erzielt. Dabei muss der Apotheker dem Kunden allerdings Einnahmehinweise geben und ihm Ratschläge zur schnelleren Genesung erteilen.

Selbst wenn der Kunde leicht zu bedienen ist und keine weiteren Nachfragen hat, dauert die Abgabe des Arzneimittels ca. 5 Minuten. Allein die Lohnkosten würden in diesem Fall 1,90 Euro betragen. Hinzu kommen die laufenden Fixkosten wie z. B. Raumkosten, Finanzierungskosten, Abschreibungen etc. Die Deckungsbeiträge aus dem Verkauf der niedrigpreisigen Arzneimittel reichen deshalb nicht einmal aus, die Kosten des Apothekeninhabers zu decken.

Verkauft eine Apotheke das Arzneimittel "Doxy 100 1A Pharma" zu einem Verkaufspreis von 1,75 Euro, wird hierdurch ein Deckungsbeitrag von 0,52 Euro erzielt. Wenn das Arzneimittel "Paracetamol 500 von ct" (10 Tabletten) zum Verkaufspreis von 0,94 Euro abgegeben wird, beträgt der Rohertrag des Apothekers 0,28 Euro. Auch dies reicht nicht einmal aus, um die Lohnkosten zu refinanzieren.

Da sich die überwiegende Mehrzahl der Arzneimittelabgaben gerade im unteren Preissegment bewegt, konnte die Wirtschaftlichkeit der Apotheken in letzter Zeit nur dadurch gewährleistet werden, dass die Arzneimittelabgaben im höheren Preissegment einen entsprechend höheren Deckungsbeitrag erzielten, der geeignet war, die Mindererlöse im niedrigen Preissegment zu kompensieren. Durch die Erhöhung des Kassenrabatts auf 10% im mittleren Preissegment wird diese Kompensation künftig unmöglich werden.

Inkassofunktion ist "eine unzulässige Indienstnahme von Privatpersonen"

Zusätzlich zu den nach Arzneimittelpreisen gestaffelten Kassenrabatten sollen die Apotheken künftig für die gesetzliche Krankenversicherung eine Inkassofunktion gegenüber den Großhändlern und Herstellern übernehmen.

Zwar bestehen zunächst keine Bedenken dagegen, dass zur Entlastung der gesetzlichen Krankenkassen die Arzneimittelhersteller verpflichtet werden, einen Herstellerabschlag von 6% auf den Herstellerabgabepreis zu gewähren. Ebenso wenig bestehen Bedenken dagegen, dass der pharmazeutische Großhandel verpflichtet wird, zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherungen einen Großhandelsabschlag in Höhe von 3% auf den Apothekenabgabepreis zu gewähren.

Bedenklich ist jedoch die Regelung, die es nicht den Krankenkassen auferlegt, diese Rabatte direkt gegenüber dem Großhandel bzw. gegenüber dem Hersteller zu realisieren. Hierbei handelt es sich um eine unzulässige Indienstnahme von Privatpersonen zur Erfüllung öffentlicher im SGB V den Krankenkassen zugewiesener Aufgaben.

Liquiditätsengpässe voraussehbar

Da im Zeitpunkt des Einkaufs der Arzneimittel durch einen Apotheker im pharmazeutischen Großhandel noch nicht feststeht, ob das Arzneimittel später zu Lasten der GKV abgerechnet werden soll, wird der Großhändler in diesem Zeitpunkt noch nicht einen Einkaufsrabatt in dem Maße einräumen, den das Gesetz nur für den Fall der späteren Abrechnung zu Lasten der GKV vorsieht. Aus diesem Grunde wird der Großhändler gegenüber dem Apotheker zunächst den vollen Preis bzw. einen anderweitig ausgehandelten Einkaufsrabatt gewähren.

Der gesetzlich vorgeschriebene Großhandelsabschlag von 3% wird beim Arzneimittelankauf gegenüber dem Großhändler in aller Regel zunächst nicht berücksichtigt, sondern muss vom Apotheker vorfinanziert werden. Erst im Nachhinein – nach der Weitergabe des Medikaments an einen Patienten – rechnet der Apotheker das Medikament zu Lasten der GKV ab, wobei ihm der Großhandelsabschlag von vornherein abgezogen wird. Anschließend muss der Apotheker versuchen, einen Erstattungsanspruch gegen den Großhändler nachzuweisen und durchzusetzen. Dies bedeutet, dass der Großhandelsabschlag von 3% dem Apotheker in erheblichem Maße Liquidität kosten wird.

Gleiches gilt auch für den Herstellerabschlag in Höhe von 6% auf den Herstellerabgabepreis. Dabei trägt der Apotheker sogar das Inkassorisiko, falls ein Hersteller nicht oder nicht rechtzeitig zahlt. Diese Maßnahmen kosten den Apotheken in einem erheblichen Umfang Liquidität und belasten zusätzlich die Abrechnung mit einem bürokratischen Verwaltungsaufwand.

Für jede Apotheke und für jeden Hersteller muss eine separate Rechnungslegung erfolgen, die danach unterscheidet, welche Medikamente in welchem Umfang an Versicherte der GKV und an sonstige Patienten weitergegeben wurden. Alle Risiken und aller Aufwand, der mit diesem komplizierten Abrechnungssystem zusammenhängt, sind von den Apotheken zu tragen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Vorfinanzierungs- und Inkassofunktion der Apotheken sind erheblich.

Die existenzvernichtenden Regelungen des BSSichG stehen außer Verhältnis zu den mit dem Gesetz verfolgten Zielen. Ziel dieser gesetzgeberischen Maßnahme ist die Senkung der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Interesse einer Vermeidung weiterer Erhöhungen der Krankenkassenbeiträge.

Erkennbar hat der Gesetzgeber sein Ziel der Beitragssatzstabilität mit den angestrebten Arbeitsmarkteffekten verfehlt, denn bereits während des Gesetzgebungsverfahrens zum BSSichG wurden die Krankenkassenbeiträge im Durchschnitt um über ein halbes Prozent erhöht. Das Gesetz hat sich damit bereits vor seinem Inkrafttreten als ungeeignet gezeigt, die verfolgten Ziele zu fördern.

Einseitiges Sonderopfer

Die Senkung der Arzneimittelausgaben durch Rabatte soll den Krankenkassen rund 1,37 Milliarden Euro Einsparung bringen. Von diesem Einsparpotenzial werden allerdings mehr als 80% voraussichtlich zu Lasten der Apotheken gehen. Das Arzneimittel macht etwa 15% des Gesamtbudgets der GKV aus. Der Wertschöpfungsanteil der Apotheke hieran beträgt 18%, d. h. 2,7% der Gesamtausgaben der GKV – etwa die Hälfte der Ausgaben für die Krankenkassenverwaltung. Dies zeigt, dass das BSSichG zu einseitigen Sonderopfern für den Berufsstand der Apotheker führt.

Die Forderung nach mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen ist für den Bereich der Apotheken kaum nachvollziehbar. Zwar sind die Abgabepreise gesetzlich fixiert, aber natürlich stehen die 21 500 deutschen Apotheken im Qualitäts-, Kosten- und Einkaufswettbewerb untereinander. Dieser Wettbewerb ist jedoch zu Recht durch die Belieferungsverpflichtung ärztlicher Verschreibungen eingeschränkt, um die Versorgung der Bevölkerung flächendeckend sicherzustellen.

Eine derartige Belieferungsverpflichtung gem. § 17 Abs. 4 ApBetrO existiert im übrigen für keinen anderen Berufsstand in Deutschland – und erst recht nicht für ausländische Versender. Zurecht wird der Apotheker wegen des Sicherstellungsauftrages der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in jeder seiner Handlungen staatlich überwacht.

Die Investitions- und Personalkosten sind durch das Apothekenrecht (welches durchaus Sinn macht) weitestgehend festgelegt. Selbstverständlich muss daher eine durch den Gesetzgeber gestaltete Preispolitik die von ihm geschaffenen Kostenfaktoren berücksichtigen, dies ist bei dem vorliegenden Gesetz nicht der Fall.

Angemessene Übergangsfristen fehlen

Es kommt erschwerend hinzu, dass der Gesetzgeber es versäumt hat, angemessene Übergangsfristen vorzusehen. Die betroffenen Apotheken sind erst sehr kurzfristig über die geplante Gesetzesänderung informiert worden. Weder die Apotheken noch deren Verrechnungsstellen oder der Großhandel verfügen bislang über geeignete Software, um das komplizierte Abrechnungssystem zu vollziehen. Schon technisch wird es deshalb den Apotheken nicht möglich sein, die Erstattungsansprüche gegen die Großhändler bzw. gegen die Hersteller kurzfristig durchzusetzen.

Umgekehrt werden jedoch die Krankenkassen mit sofortiger Wirkung die Hersteller- bzw. Großhändlerabschläge zu Lasten der Apotheken einbehalten. Hierdurch entsteht für die Apotheken das Problem, dass eine nicht absehbare Vorfinanzierungszeitspanne überbrückt werden muss, bis die Erstattungsansprüche in einem institutionalisierten technischen Verfahren über die Abrechnungsstellen bei den Großhändlern und Herstellern geltend gemacht werden können. Gerade um den Betroffenen Zeit zu geben, die notwendigen technischen Voraussetzungen für den Vollzug des BSSichG zu schaffen, hätte der Gesetzgeber eine angemessene Übergangszeit einräumen müssen.

Darüber hinaus hätte der Gesetzgeber auch eine Übergangsregelung für die bereits im Jahr 2002 angeschafften Arzneimittel vorsehen müssen. Aus dem Beitragssatzsicherungsgesetz ergibt sich nicht, dass die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet sind, für diesen Altbestand an Arzneimitteln noch ein Entgelt nach den bisherigen Bestimmungen zu entrichten.

Es steht deshalb zu befürchten, dass die Krankenkassen mit sofortiger Wirkung nicht nur die Abschläge nach § 130 SGB V, sondern zusätzlich auch die Hersteller- und Großhandelsrabatte geltend machen, obwohl die einzelne Apotheke die jeweiligen Medikamente noch zu einem Zeitpunkt angeschafft hatte, in dem eine entsprechende Rabattierungspflicht noch nicht bestand. Auf diese Weise wird das Eigentum der Apotheker an den bereits erworbenen Lagerbestände wirtschaftlich zusätzlich entwertet.

Handlungsempfehlungen

Neben den bereits beschrittenen Wegen zur unmittelbaren Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sollte jeder einzelne Apothekenleiter sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die ihm auferlegten Belastungen zur Wehr setzen. Insbesondere sollte gegen von den Krankenkassen vorgenommene Rabattabzüge sofort Widerspruch erhoben und erforderlichenfalls Klage vor dem Sozialgericht erhoben werden, damit entsprechende Rabattabzüge nicht bestandskräftig werden.

Sofern Hersteller und Großhandel die Einräumung der Pflichtrabatte nicht oder nicht rechtzeitig vornehmen sind entsprechende Ansprüche der Apotheken auf dem Zivilrechtsweg zu sichern. Sofern Hersteller, Importeure und Großhändler abgestimmt die zusätzliche Einräumung der gesetzlichen Pflichtrabatte gegenüber den Apotheken verweigern, könnte diesbezüglich eine kartellrechtliche Überprüfung in Erwägung gezogen werden.

Das Beitragssatzsicherungsgesetz führt folgende Neuerungen ein: Verpflichtung der Apotheken zur Gewährung von erhöhten Krankenkassenabschlägen, Einführung von Herstellerrabatten und Vorfinanzierung dieser Rabatte durch die Apotheken, Einführung von Großhändlerrabatten und Vorfinanzierung dieser Rabatte durch die Apotheken. Einzelne Apotheker haben daher beim Bundesverfassungsgericht (BverfG) Eilanträge eingereicht, um zu erreichen, dass das Inkrafttreten entsprechender Artikel dieses Gesetzes bis zur Entscheidung über die Vereinbarkeit dieser Vorschriften mit dem Grundgesetz, längstens für die Dauer von 6 Monaten, einstweilen ausgesetzt wird

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