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Wirtschaft
R. HerzogWirtschaftliche Auswirkungen des GMG &ndash
Die Umsatzdimension
Viele Punkte des GMG haben direkte oder indirekte Wirkungen auf den Umsatz, wobei Umsatz nicht gleich Ertrag ist:
1) Das neue Kombimodell, bestehend aus 8,10 Euro Fixzuschlag zuzüglich 3% des Apothekeneinkaufspreises, bei 2 Euro Rabatt für die gesetzlichen Krankenkassen, soll einigermaßen rohertragsneutral für die Gesamtheit der Apotheken ablaufen.
Bei gleichen Einkaufspreisen resultieren hieraus in der Summe keine nennenswerten Umsatzeffekte. Vielmehr wird jedoch ein struktureller Effekt angestoßen: Teure, innovative Präparate werden billiger (Tab. 1), Billigpräparate (Kinderzäpfchen, Billigstgenerika) ganz erheblich teurer.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit dies das Verordnungsverhalten der Ärzte mittelfristig beeinflussen wird. Negative Umsatz- und Ertragseffekte sind bei stark verordnungslastigen Apotheken mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Präparaten oberhalb eines Apothekenverkaufspreises von etwa 40 Euro im GKV-Bereich zu erwarten.
2) Schwer abzuschätzen ist der Wegfall des nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittelsortiments aus der Erstattungspflicht der GKV. Allerdings sollen 10 bis 12 Indikationen – wie Acetylsalicylsäure nach Schlaganfall – doch wieder erstattet werden. Wir reden hier insgesamt über ein Umsatzvolumen von rund 3,0 Mrd. Euro netto, entsprechend knapp 10% des Gesamt-Apothekenumsatzes, welches zur Neuordnung ansteht.
Schätzungsweise wird mindestens ein Drittel doch in der Erstattungspflicht bleiben (hier wird nach alter AMPreisV erstattet), der Rest wird zum Teil durch Privatkäufe aufgefangen werden. Je nach Standort der Apotheke wird ein Großteil davon wegfallen, oder auch zu über 50% in diesen Privatbereich überführt werden können. Unter dem Strich sind Umsatzeinbußen, bezogen auf den bisherigen Gesamtumsatz, in der Größenordnung von 3% bis 5% realistisch.
3) Neue Festbeträge für patentgeschützte "Me-too-Präparate" sowie die schärfere Auslegung der unteren Preisdrittellinien dürften weitere Umsatzverluste nach sich ziehen. Sofern dies im verschreibungspflichtigen Segment passiert, wirken sich diese Senkungen, vom momentanen Lagerwertverlust abgesehen, längerfristig jedoch eher positiv im Sinne einer niedrigeren Kapitalbindung aus – der Fixzuschlag macht's möglich, denn er garantiert einen einkaufswertunabhängigen Ertrag.
4) Ähnliches gilt für die in aller Regel verschreibungspflichtigen Reimporte, die im Schnitt 5% bis 10% gegenüber dem heutigen Stand billiger werden müssen – das neue, 15%ige Preisabstandsgebot zum Original erfordert dies. Der nominale Umsatz sinkt, der Ertrag fast gar nicht.
5) Hilfsmittel machen nur wenige Umsatzprozente aus. Hier sollen bundesweite Festbeträge und Ausschreibungen für Kosteneinsparungen sorgen. Umsatzreduktion: Geschätzte 1% für die Durchschnittsapotheke – maximal.
6) Unklar ist die Handhabung des nunmehr 16%igen (!) Herstellerabschlages. Läuft es wie bisher, bleibt der nominale "Lauer-EK" unberührt und damit auch die nominalen Umsätze. Dennoch stellt sich die Frage, wie die Verrechnung des jetzt viel höheren Abschlages aussehen wird. Bitter wird es, wenn er wiederum von den Apotheken (bzw. den Rechenzentren) vorfinanziert werden muss.
7) Ein heiß diskutiertes Thema sind die demnächst gestatteten Versandapotheken. Wieviel Umsatz wird ihnen zufallen? Meine Prognose: Er wird marginal bleiben. Die Umstellung auf das Kombimodell – man mag dazu stehen, wie man will – hat in jedem Fall ein Gutes: Der wirtschaftliche Spielraum für Versender wird eng. Für 6,10 Euro plus 3% macht das Päckchenpacken wenig Freude, zumal die Krankenkassen niedrigere Preise erwarten, dieser Aufschlag also gar nicht erreicht wird.
Nun mag man zu Recht einwenden, dass ja auch drei oder vier Präparate auf einmal bestellt werden können, damit multipliziert sich der Aufschlag. Zudem mögen bessere Einkaufskonditionen (Direkteinkauf in der Industrie) erzielt werden. Bei hoher Lieferfähigkeit und damit verbundener, großer Sortimentsbreite relativiert sich das jedoch wieder.
Deshalb: Es werden allenfalls Umsätze im unteren, einstelligen Prozentbereich erreicht werden können – sofern die "Waffengleichheit" gewahrt bleibt und nicht Verordnungen gezielt zu Versendern umgeleitet werden. Doch die wirtschaftliche Vernunft spricht bei der neuen Preisbildung dagegen.
8) Kaum abschätzbar im Hinblick auf Umsatz- und Ertragsbedeutung sind zurzeit die neuen, "integrierten Versorgungsformen", an denen ausgewählte Apotheken mit gesonderten Verträgen beteiligt werden können.
Fazit: Es sind Umsatzeinbußen im Bereich von 5% bis 10% für die Durchschnittsapotheke denkbar. Durch die Umstellung auf das Kombimodell wird jedoch der Rohertrag, wie unten gezeigt, nicht unbedingt im gleichen Maß sinken müssen. Zudem werden diese möglichen Rückgänge durch die allgemein wahrscheinlich weiter steigende Nachfrage nach Pharmazeutika überlagert.
Die Rohertragsseite
Viel wichtiger als die absoluten Umsätze sind die Rohgewinne, die nach der Reform noch zu erwarten sind. Hierzu ist es notwendig, die Absatzstrukturen der Apotheken genauer zu betrachten (Abb. 2 und 3). Aus diesen Daten lässt sich der Packungsabsatz der durchschnittlichen "Muster-Apotheke" ableiten, und aufbauend darauf eine Schätzung der zu erwartenden Rohgewinne vornehmen (Tab. 2). Die heutige Situation der als Beispiel herangezogenen 1,40 Mio. Euro-Apotheke stellt sich wie folgt dar:
– Nettoumsatz: 1,40 Mio. Euro – Erwartete Netto-Handelsspanne ("Spanne"): ca. 27,5% – resultierender Rohgewinn: 385 000 Euro (sämtliche Rabatte einbezogen). – Rund 6% noch verbliebener, effektiver Rabatt (inklusive Direkteinkäufen) nach BSSichG auf ein Einkaufsvolumen von 1,015 Mio. Euro ergeben ein Rabattvolumen von etwa 60 000 Euro. Schätzungsweise etwa 40 000 Euro davon stammen vom Großhandel, 20 000 Euro resultieren aus Direkteinkäufen. Bereinigt um diese Rabattsumme ergeben sich ca. 325 000 Euro Rohgewinn vor Rabatten.
Zum Vergleich: Vor dem BSSichG lag allein schon der Rabatt des Großhandels im Schnitt bei etwa 6,5% über alles und unter dem Strich, heute sind es noch zwischen 4% und 5%. Individuell bessere Konditionen und auch höhere Anteile an Direkteinkäufen können diesen Wert im Einzelfall ganz beträchtlich heben, der Durchschnitt hingegen orientiert sich an diesen Beträgen.
Dieser letztere Rohgewinn von 325.000 Euro ist somit die Vergleichslatte für die Rohertragsrechnung in der Tabelle 2, die die Rabatte erst einmal außen vor lässt.
Auf den ersten Blick sieht es also gar nicht so schlecht aus – im Gegenteil. Aber eben nur, wenn man die Situation vor Rabatten betrachtet. Nominal werden die Erträge auf dem Nach-BSSichG-Niveau festgeschrieben. Die politische Zielmarke scheint bei rund 25% Handelsspanne zu liegen. Um das heutige, bereits BSSichG-geschmälerte Rohgewinn-Niveau wenigstens annähernd auf nominalem Level halten zu können, müssen also für die individuelle Apotheke drei entscheidende Punkte erfüllt werden:
1) Die Kompensation der schätzungsweise nicht allzu dramatischen, dennoch spürbaren Umsatzeinbußen (siehe oben). Dies bedeutet in erster Linie weiteren Verdrängungswettbewerb.
2) Der Erhalt der bisherigen Rabattstruktur zumindest auf dem geschmälerten Nach-BSSichG-Niveau. Hier ist das Eckpunktepapier erstaunlich interpretationsbedürftig, ist hier doch nur von einem Großhandelsabschlag die Rede, der "übermäßige Belastungen der Apotheker vermeiden soll".
3) Die Preisfreigabe im OTC-Sortiment darf nicht zu einem Preis-Dumping führen. Bei obiger Prognoserechnung ist von einem Erhalt des Renditeniveaus ausgegangen worden. Der Barverkauf schlägt demnach mit einem nominalen Rohgewinn von über 60.000 Euro zu Buche, zuzüglich Rabatten, die gerade in diesem Segment recht großzügig ausfallen. Sie können leicht – bei einem Einkaufsvolumen im Beispiel von gut 100.000 Euro – 15.000 bis 20.000 Euro zusätzlich ausmachen. Damit stellt der OTC-Bereich die Kronjuwelen der Apotheke dar, bei denen die Rendite noch stimmt.
Sprach man früher davon, dass die Apotheke zum großen Teil von Großhandelsrabatten lebt, so kann sich das schnell dahingehend wandeln, dass der gesamte Verordnungsbereich noch die fixen Kosten deckt, der Barverkauf hingegen das Unternehmereinkommen erbringt – ähnlich, wie Tankstellen fast ausschließlich von ihren Shops leben, ihre eigentliche Zweckbestimmung hingegen reicht oft nicht einmal für die Fixkosten. Vor leichtfertigen, kaufmännisch nicht durchdachten Preisorgien kann daher nur dringendst gewarnt werden!
Damit ist das entscheidende, extern vorgegebene Momentum, ob die heutigen Rabatte halbwegs erhalten bleiben. Fallen sie komplett weg, dann drohen der Durchschnittsapotheke nächstes Jahr im worst case Rohgewinneinbußen von weiteren 40 000 bis 50 000 Euro pro Jahr gegenüber 2003 – zusammengesetzt aus etwas sinkenden Umsätzen sowie einer nochmals reduzierten Spanne.
Unvernunft bei der Preiskalkulation – die apothekeninterne Komponente – kann sogar noch schlimmere Ertragseinbrüche nach sich ziehen. Damit sind Spannen unterhalb der 25%-Marke selbst für die Durchschnittsapotheke auf breiter Front denkbar. Im günstigeren Fall stabilisieren sich die Handelsspannen bei etwa 26% bis 28% netto, je nach Großhandelsrabatten und eigener Preispolitik.
Gewinner und Verlierer
Vor diesem Szenario sind auch mögliche Gewinner relativ zu sehen. Auf der Gewinnerseite stehen all diejenigen, die
- niedrige Verordnungswerte haben und nur vergleichsweise wenige Packungen im höherpreisigen Bereich umsetzen. Die Schwelle, unterhalb derer das Kombimodell einen höheren Ertrag als bisher verspricht, liegt bei etwa 37,50 Euro Endverkaufspreis brutto. Wer also schwerpunktmäßig niedrigere Packungswerte im verschreibungspflichtigen GKV-Bereich hat, gehört tendenziell zu den Profiteuren.
- sich nicht in einen Preiskampf im OTC-Segment begeben müssen, sondern weiterhin, von sorgfältig ausgewählten Indikator- und Sonderangebotsartikeln abgesehen, das bisherige Preisniveau halten können. Das hängt entscheidend vom Standort der Apotheke ab, sowie der Konkurrenzsituation.
Verlieren werden hingegen etliche "Ärztehaus-Apotheken", die schon nach dem BSSichG Probleme bekommen haben. Die neue Honorierungsform akzentuiert diese Schwierigkeiten noch. Erbrachte ein 500 Euro-Mittel (Apothekenverkaufspreis) im Jahre 2002 bei der GKV noch rund 74 Euro Rohgewinn, so sind es jetzt noch gut 56 Euro, nächstes Jahr werden es maximal noch etwa 16 Euro sein – Großhandelsrabatte und den dagegen stehenden 3%-Rabattabschlag einmal ausgeklammert.
Eine typische, verordnungslastige, höherpreisig orientierte Apotheke wird in vielen Fällen die 25%-Marke bei der Handelsspanne deutlich verfehlen. Prognosemodelle sehen einen Spannennachteil von 3 bis 4 Prozentpunkten gegenüber der Durchschnittsapotheke.
Betriebe mit ausgesprochen niedrigen Packungswerten können dagegen schnell mehrere Prozentpunkte über dem Schnitt liegen und zudem noch im Umsatz etwas zulegen oder zumindest Rückgänge an anderer Stelle kompensieren – dann nämlich, wenn ihr durchschnittlicher Packungswert im Verordnungsbereich erheblich unter dem oben erwähnten Endverkaufspreis von etwa 37,50 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) liegt.
Fazit und Ausblick
Angesichts der vielen Unklarheiten kann diese Bestandsaufnahme nur eine erste Trendmeldung sein, die zeigt, in welche Richtung es sich bewegt. Insbesondere die Frage nach der Zukunft der Großhandelsrabatte ist essentiell. Bleibt es bei den jetzigen Abschlagsmodellen, bekommt der Großhandel eine neue, erheblich gekürzte Aufschlagsstaffel, wie in den ersten Entwürfen des GMG vorgesehen, oder wird eine ganz neue Variante präsentiert?
Wie die Kollegenschaft mit der voraussichtlich neuen Freiheit der Preiskalkulation umgehen wird, steht in den Sternen. Es kann nur geraten werden, sich mit den Grundlagen kaufmännischer Deckungsbeitrags- und Renditerechnung auseinander zu setzen.
Im Gegensatz zur bisherigen Situation, in der das freikalkulierbare Sortiment vielfach vernachlässigbar war, reden wir zukünftig über eine tragende, finanzielle Säule des Apothekenbetriebes. Zudem verfängt das Marketingargument heutiger Preisaktionen nicht mehr, mit der "Wurst nach dem Schinken zu werfen". Hintergedanke vieler Sonderangebote ist doch, teure Rezepte und gute, private Zusatzumsätze in die Apotheke zu ziehen. Angesichts der neuen Honorierung muss der Aufwand, der in das Anwerben von Rezepten gesteckt wird, neu überdacht werden.
Völlig unbefriedigend beantwortet in der gegenwärtigen Lage ist die Frage des Mehr- und womöglich Fremdbesitzes. Verschiedene Querschüsse seitens einiger prominenter Politiker lassen hier mittelfristig nichts Gutes erwarten. Es ist zudem schlicht unerträglich und mehr als kontraproduktiv, eine Reform, bei der die Tinte unter dem Eckpunktepapier noch nicht trocken ist und die konkreten Gesetzestexte gerade erarbeitet werden, schon wieder in Frage zu stellen – wenige Tage zuvor war es noch die "Jahrhundertreform". Das ist alles andere als vertrauensbildend.
Angesichts dieser Unberechenbarkeit und Konzeptionslosigkeit auf der ganzen Linie, nicht nur im Gesundheitsbereich, verwundert es geradezu, wie gut die Wirtschaft noch läuft. Doch die Verteilungsspielräume werden eng, sehr eng. Das gegenwärtige Taktieren, aufgebaut aus einer Mischung aus Verdummung, Bevormundung und Hoffen auf bessere Zeiten, kann rasch in eine Situation führen, in der nur noch wirklich drastische Maßnahmen den wirtschaftlichen Kollaps abwenden können.
Das sind dann wirklich keine guten Aussichten, denn viele der Ansprüche und Anforderungen, über die heute noch lebhaft diskutiert wird, werden dann Makulatur sein. Länder wie z. B. Argentinien, einst eines der reichsten Länder der Erde, lassen grüßen .
Das Eckpunktepapier zum "Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz" (GMG) steht. Auch wenn viele Detailfragen ungeklärt sind und scheinbare Kleinigkeiten in der späteren, exakten Gesetzesformulierung noch drastische Auswirkungen auf die Apothekenlandschaft haben können – erste Prognosen für die künftige, wirtschaftliche Entwicklung scheinen jetzt möglich. Was kommt auf die deutschen Apotheken im Hinblick auf die Ertragslage zu? Unser Beitrag versucht trotz einiger Unwägbarkeiten, die finanziellen Belastungen für die Apotheke auszuloten.
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