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DAZ wissenswert
Sonnenschutz: Die bislang unerhörte Lehre aus Mette-Marits Verbrennungen
Die norwegische Kronprinzessin Mette-Marit erlitt Mitte Mai 2002 schwere Gesichtsverbrennungen bei einem Interview mit dem deutschen Fernsehsender n-tv. Das Interview dauerte insgesamt mehr als eine Stunde und war spontan, des "strahlenden" Wetters wegen, ins Freie verlegt worden. Dieser "Unfall" hat den für einige Tage später geplanten gemeinsamen offiziellen Besuch des Paares in Deutschland vereitelt. Die Gründe für die Verbrennungen wurden umgehend in den Scheinwerfern des Aufnahmeteams gesucht. Zwischenzeitlich durchgeführte Analysen zeigen, dass die Scheinwerfer wesent- lich mitverantwortlich waren. Sie waren veraltet, noch nicht mit UV-Strahlung effizient ausmerzenden Filtern nachgerüstet. Aber sie haben doch nur zur Hälfte zu dem Malheur beigetragen.
Die andere Hälfte des Verbrennungseffekts stammt von der solaren UV-Strahlung. Die war, wie man eigentlich von vorneherein hätte für möglich halten können, an diesem Tage besonders hoch. Mette-Marits "Unglück" erweist sich somit als Hinweis auf eine Gefährdung, der wir in nordeuropäischen Breiten im Frühjahr alle ausgesetzt sind. Diese Botschaft ist nur bis heute leider nicht "durchgekommen". Sie muss erst noch populär werden. Deshalb hier der Versuch, den gleichsam leider unter einer falschen Überschrift verbreiteten Unfall so zu erzählen, dass die schützende Warnung uns erreichen kann.
Geringe Dicke der Ozonschicht im Frühjahr
Die Berufsgenossenschaft Hamburg hat nach dem Unfall ein Gutachten anfertigen lassen. In ihm wurde die maximal zuträgliche Aufenthaltsdauer allein unter den mängelbehafteten Scheinwerfern bestimmt. Das Ergebnis: Maximal 40 Minuten hätte das Paar sich dem aussetzen dürfen. Der zusätzliche Effekt in der realen Situation, der der UV-Strahlung der Sonne, ist dabei unberücksichtigt.
Die vor UV-Strahlen schützende Ozonschicht befindet sich bekanntlich gerade im Höchststand ihrer Ausdünnung. Die Dicke der Ozonschicht ist – im Frühjahr – auch auf der Nordhalbkugel besonders gering. Der Grund liegt in der Chlor-Ozon-Chemie, die analog für das (stabile) Ozonloch über der Antarktis verantwortlich ist. Auf der Nordhalbkugel jedoch haben wir im Frühjahr mehr oder minder ausgedünnte Situationen lediglich episodisch zu erwarten. Die mangelnde Konstanz einer gefährlichen Situation macht eine angemessene Reaktion in Europa schwerer als in Antarktisnähe. Da hilft die Anschauung in einem konkreten Fall, in dem es so grausam "schiefgegangen" ist.
Die atmosphärischen Bedingungen am Tag des Interviews in Oslo sind durch Satellitenaufnahmen dokumentiert. Die herrschenden Strahlungsbedingungen, eine Stärke der Ozonschicht über Norwegen von lediglich 280 Dobson Units, sowie die klaren atmosphärischen Verhältnisse ergeben zusammen einen UV-Index auf der rechten Gesichtshälfte, also dort, wo die Verbrennungen so dominant waren, von etwa 4. Das Prinzenpaar hätte sich somit bis zur ersten Hautrötung lediglich etwa 20 Minuten der Sonne exponieren dürfen. Das entspricht etwa dem UV-Index einer Scheinwerferleuchte.
Gefährdung durch UV-Strahlung viel zu wenig bekannt
Die genaue Zeitdauer, bis zu der ein Sonnenbad verträglich ist, ist selbstverständlich abhängig von vielerlei persönlichen Voraussetzungen. Dazu gehören insbesondere der Hauttyp und der Stand der Anpassung der Haut an die UV-Strahlung im Frühjahr – wer regelmäßig im Freien ist, verträgt früher im Jahr mehr UV-Strahlung als Stubenhocker. Besonders hervorgehoben werden muss ein zu wenig beachteter Einflussfaktor – der gilt insbesondere für Personen, die dauerhaft Medikamente einnehmen: etliche Arzneimittel erhöhen im Nebeneffekt die Photosensibilität. Das kann Alte wie Junge treffen. Auf der Warnliste stehen z. B. Bluthochdruckmittel aber auch Antikonzeptiva (Östrogene) und sogar einige Parfums.
Dass das Wissen um die allfrühjährliche Gefährdung durch UV-Strahlung selbst in einem Königshaus und in einem Fernsehsender bis heute nicht angekommen ist, macht beklommen. Es zeigt nämlich, wie wenig das Wissen um diese episodische und deshalb besonders tückische Gefahr bislang unsere Köpfe und Herzen erreicht hat.
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