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Arzneimittel und Therapie
Rheumatoide Arthritis: Adalimumab – neuer Antikörper gegen TNF-alpha
Die rheumatoide Arthritis ist eine chronisch entzündliche Gelenkerkrankung. Dabei werden Gelenkknorpel und andere Bindegewebsstrukturen schrittweise zerstört.
Die Erkrankung trifft die Patienten vor allem im frühen Erwachsenenalter. 0,8% der Bevölkerung sind betroffen, und jährlich muss mit 40 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohnern gerechnet werden. Weltweit leiden über fünf Millionen Menschen an rheumatoider Arthritis, in Deutschland gibt es etwa 800 000 Patienten.
Frauen sind häufiger betroffen
Die Erkrankung wird am häufigsten im Alter zwischen 40 und 70 Jahren diagnostiziert, etwa drei Viertel der Patienten sind weiblich. Von den über 60-jährigen Frauen erkranken pro Jahr 70 von 100 000. Man rechnet mit einer Verkürzung der Lebenserwartung um 15 bis 20% nach der Diagnosestellung, bei einem Erkrankungsalter von 50 Jahren also um rund 5 Jahre.
Im Durchschnitt ist die Lebenserwartung um drei bis sieben Jahre verkürzt, eine schwere rheumatoide Arthritis kann zu einem um 10 bis 15 Jahre verfrühten Tod führen. Etwa 10% der Patienten sind nach 20 Jahren schwerbehindert und können selbst alltägliche Routinetätigkeiten wie Essen und Anziehen nicht mehr ohne fremde Hilfe ausführen.
T-Zell-vermittelte Autoimmunkrankheit
Die Ursachen der rheumatoiden Arthritis sind unbekannt. Vermutet wird eine durch T-Lymphozyten vermittelte Autoimmunkrankheit, diskutiert werden auch Faktoren wie bakterielle oder virale Infekte. Wahrscheinlich kommt es durch eine Verkettung verschiedener Faktoren, zu denen auch Infektionen gehören, auf dem Boden einer genetischen Prädisposition zu Störungen im Immunsystem.
Durch diese Störungen werden autoreaktive T-Zellen aktiviert, die dann in einer Entzündungskaskade nachfolgende Zellsysteme stimulieren. Zelluläre Interaktionen führen dabei zur Expression von proinflammatorischen Zytokinen und Wachstumsfaktoren, die auf Entzündungszellen wirken und die Freisetzung zerstörerischer Enzyme wie Kollagenasen, Stromelysin und Cathepsinen induzieren. Diese zerstören schließlich den Gelenkknorpel und den angrenzenden Knochen.
Vor allem Gelenke der Hände und Füße
Die betroffenen Gelenke können zunächst nur unter Schmerzen und später gar nicht mehr bewegt werden. Am häufigsten betroffen sind die Gelenke der Hände und Füße. Innerhalb von 6 Monaten nach dem Beginn der Erkrankung sind bei 40% der Patienten erste radiologisch nachweisbare Gelenkschäden zu beobachten. Hinzu kommt ein allgemeines Krankheitsgefühl mit Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Unter Fatigue leiden 81% der Patienten, davon sind 41% schwer betroffen.
Herkömmliche Behandlungsmöglichkeiten
In der Therapie der rheumatoiden Arthritis werden verschiedene Wirkstoffgruppen eingesetzt:
- Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs, non steroidal anti-inflammatory drugs), zu denen die COX-2-Inhibitoren, Ibuprofen, Naproxen und Acetylsalicylsäure zählen, lassen Schwellungen abklingen, lindern die Steifigkeit der Gelenke und die Schmerzen. Den fortschreitenden Verlauf der Erkrankung und ihre Folgeschäden können sie jedoch nicht aufhalten.
- Etwa 20% der Patienten erhalten zur Entzündungshemmung Glucocorticoide oral, parenteral oder intraartikulär – direkt in den Gelenkkörper – verabreicht.
- Die so genannten Basistherapeutika (DMARDs, disease modifying anti-rheumatic drugs) lindern Schmerzen, verringern Gelenkschwellungen und wirken sich dadurch positiv auf den Krankheitsverlauf aus. Dazu zählen Methotrexat als "Goldstandard", Leflunomid, Goldpräparate, Hydroxychloroquin und Sulfasalazin. Mit keinem dieser Arzneimittel kann jedoch die fortschreitende Gelenkzerstörung aufgehalten werden.
Hemmung von TNF-alpha
Die neuen biologischen Wirkstoffe sollen die Aktivität der T-Zellen herunterregulieren und die proinflammatorischen Zytokine neutralisieren. Als wichtiges Zytokin wird heute der so genannte Tumornekrosefaktor alpha (TNF-alpha) angesehen. Zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis werden bis jetzt zwei TNF-alpha-Antagonisten eingesetzt:
- Etanercept (Enbrel®) ist ein dimeres Fusionsprotein aus zwei rekombinanten löslichen TNF-Rezeptor(p75)-Molekülen und dem Fc-Teil eines humanen IgG1.
- Infliximab (Remicade®) ist ein gegen TNF-alpha gerichteter chimärer (zu 25% aus Sequenzen der Maus und zu 75% aus menschlichen Sequenzen bestehender) monoklonaler Antikörper.
Erster rein humaner Antikörper
Adalimumab (Humira®) ist der erste TNF-alpha-Antikörper, der nur aus humanen Sequenzen besteht und deshalb ein sehr geringes immunogenes Potenzial aufweist. Er bindet spezifisch an TNF-alpha und interagiert nicht mit anderen homologen Proteinen der Tumornekrosefaktor-Familie.
Wie bei anderen Immunglobulinen der IgG-Klasse beträgt die Eliminationshalbwertszeit etwa zwei Wochen. Dies ermöglicht ein für die Patienten angenehmes Applikationsintervall von 14 Tagen. Dabei werden jeweils 40 mg subkutan gespritzt. Dank speziell geformter Fertigspritzen können sich Patienten das Medikament zu Hause selbst verabreichen, ohne die Injektionslösung weiter zu- oder aufbereiten zu müssen.
Die Fertigspritzen haben spezielle Halteflügel und einen besonderen Stempel, wodurch eine gute Handhabung durch Patienten mit eingeschränkter Beweglichkeit der Hände sichergestellt wird.
Umfangreiches klinisches Entwicklungsprogramm
Die EU-Zulassung für Humira® basiert auf Daten aus vier kontrollierten klinischen Studien. Insgesamt wurden 23 Studien mit Humira® durchgeführt, an denen weltweit mehr als 2400 Patienten mit rheumatoider Arthritis teilgenommen haben.
Zur Beurteilung der Wirksamkeit des Medikaments wurden die Verbesserung der klinischen Zeichen und Symptome, die Hemmung der radiologischen Progression und die Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit evaluiert. Darüber hinaus wurde im Rahmen dieser Studien auch die Sicherheit und Verträglichkeit von Adalimumab überprüft, unter anderem in einer der bisher größten Sicherheitsstudien für einen TNF-alpha-Antagonisten.
Einige der Patienten erhalten im Rahmen des klinischen Entwicklungsprogramms Humira® seit mehr als fünf Jahren.
Die Wirkung von Adalimumab setzt rasch ein, bei vielen Patienten zeigte sich bereits nach zwei Behandlungswochen ein positives Ansprechen. Die Symptome der rheumatoiden Arthritis wurden in bisherigen Untersuchungen über Zeiträume von bis zu fünf Jahren deutlich und vor allem anhaltend reduziert.
Die Phase-III-Studien wurden vorwiegend mit Patienten durchgeführt, die bereits auf eine Behandlung mit mehreren herkömmlichen Antirheumatika nur unzureichend angesprochen hatten und sich im Spätstadium der Erkrankung befanden.
Auch bei diesen Patienten konnte Adalimumab eine deutliche Verbesserung der klinischen Zeichen und Symptome bewirken, die radiologische Progression hemmen und die körperliche Funktionsfähigkeit verbessern. Adalimumab wird derzeit auch für die Behandlung von Patienten mit anderen Autoimmunerkrankungen wie Psoriasis und Psoriasis-Arthritis erprobt.
Möglichst früh einsetzen
Die bisherigen Erkenntnisse sprechen dafür, Adalimumab ebenso wie die anderen beiden TNF-alpha-Antagonisten in der Therapie der rheumatoiden Arthritis möglichst früh einzusetzen, da nur so eine fortschreitende Gelenkzerstörung verhindert werden kann.
In Kombination mit Methotrexat kann sogar ein völliger Stillstand der im Röntgenbild erkennbaren Gelenkzerstörungen erreicht werden. Diese Therapieoption sollte nicht versäumt werden, denn bereits bestehende Destruktionen lassen sich nicht wieder rückgängig machen. Adalimumab kann auch mit verschiedenen anderen nichtsteroidalen Antirheumatika kombiniert werden.
Sicherheit intensiv untersucht
Die Verträglichkeit von Adalimumab wurde mit Daten von 2334 Patienten und 241 gesunden Probanden belegt. So erhielten in der randomisierten, kontrollierten Sicherheitsstudie STAR (safety trial of adalimumab in rheumatoid arthritis) 636 Patienten 14-tägig entweder Adalimumab in einer subkutanen Dosis von 40 mg oder Plazebo. Eine bereits bestehende Therapie, zum Beispiel mit Methotrexat, Goldpräparaten, Glucocorticoiden und/oder nichtsteroidale Antiphlogistika, wurde beibehalten.
Durch die Hemmung von TNF-alpha kann die Infektanfälligkeit heraufgesetzt werden. Unter der Therapie mit Infliximab waren weltweit 130 Fälle einer aktiven Tuberkulose aufgetreten, die in einigen Fällen zum Tode geführt hatten. Vergleichbare gravierende Nebenwirkungen sind bis jetzt unter der Therapie mit Adalimumab nicht bekannt geworden. Hier waren die häufigsten unerwünschten Wirkungen Infektionen des Respirationstraktes, Nausae und Diarrhö sowie Reaktionen an der Einstichstelle.
Quelle
Prof. Dr. Gerd-Rüdiger Burmester, Berlin; Prof. Dr. Joachim Robert Kalden, Erlangen; Dr. Filiberto Claroni, Wiesbaden: "Adalimumab (D2E7) von Abbott Immunology: Die neue Generation monoklonaler Antikörper zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis", Fachpressekonferenz im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, 5. September 2003, Frankfurt, veranstaltet von der Abbott GmbH & Co. KG, Wiesbaden.
Adalimumab (Humira®) ist ein rein humaner monoklonaler Antikörper gegen das Zytokin TNF-alpha zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis. In den USA ist Adalimumab bereits seit Ende 2002 zugelassen, die Zulassung in Deutschland wurde jetzt erteilt. Humira® soll innerhalb von wenigen Tagen in deutschen Apotheken erhältlich sein. Adalimumab wurde in Kombination mit Methotrexat oder als Monotherapie zugelassen. Das Medikament ist zur Behandlung der mäßigen bis schweren aktiven rheumatoiden Arthritis bei Erwachsenen indiziert, die auf krankheitsmodifizierende Antirheumatika einschließlich Methotrexat nicht ausreichend angesprochen haben.
Entzündlich rheumatische Systemerkrankungen
Entzündlich rheumatische Systemerkrankungen sind schwere Allgemeinkrankheiten, die in der Regel chronisch fortschreitend verlaufen und nur selten vollständig ausheilen. Betroffen ist nicht nur das Skelettsystem, sondern auch innere Organe können in Mitleidenschaft gezogen werden.
Dieser Gruppe von Krankheiten werden mehr als 100 einzelne Krankheitsbilder zugerechnet. Gemeinsam ist ihnen, dass die chronische Entzündung durch Störungen des Immunsystems hervorgerufen wird.
Die wichtigsten entzündlich rheumatischen Krankheitsbilder sind die rheumatoide Arthritis, die Spondylarthropathien und die Immunvaskulitiden.
Die rheumatoide Arthritis oder chronische Polyarthritis befällt vor allem die Gelenke, kann aber auch Sehnenscheiden, Blutgefäße oder innere Organe in Mitleidenschaft ziehen. Spondylarthropathien (z. B. ankylosierende Spondylitis oder Morbus Bechterew, Psoriasis-Arthropathie, infektreaktive Arthritis) betreffen vor allem Wirbelsäule und periphere Gelenke, können aber auch Bindegewebe, Haut- und Schleimhäute, Darm und Harntrakt befallen.
Oft besteht eine Assoziation mit dem HLA-B27, einem Oberflächenmerkmal weißer Blutzellen. Immunvaskulitiden (z. B. Lupus erythematodes, Wegenersche Granulomatose) befallen Blutgefäße, Bindegewebe und innere Organe, oft lebensbedrohlich.
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