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Arzneistoffporträt
Roter Weinlaubextrakt bei chronisch-venöser Insuffizienz
Therapiemöglichkeiten der CVI
Chronisch venöse Insuffizienz (CVI) verursacht im Frühstadium typische Beschwerden wie müde, schwere, geschwollene, schmerzende Beine sowie Spannungsgefühl oder Kribbeln in den Beinen [9].
Bei fehlender oder ungenügender Behandlung können in einem fortgeschrittenen Stadium Varikosen (insbesondere Krampfadern, Ulcus cruris venosum) entstehen [1, 12], die aufgrund ihrer Häufigkeit, ihres irreversiblen Auftretens, des bescheidenen Erfolgs therapeutischer Maßnahmen sowie einer hohen Neubildungsrate nach chirurgischer Behandlung und Sklerotherapie eine wesentliche sozial-medizinische und volkswirtschaftliche Bedeutung haben [10].
Die CVI wird mit Physiotherapie, Sklerotherapie, chirurgischen Eingriffen sowie lokalen und systemischen medikamentösen Therapien behandelt. Letztere zielen darauf ab, Ödemen vorzubeugen oder die Venen zu tonisieren. Diese Mittel werden vor allem in den Frühstadien der CVI verwendet, um die Ödembildung in den Beinen zu mindern und die vom Patienten als störend empfundenen Symptome zu lindern [3, 5 – 7].
Da eine medikamentöse Behandlung der CVI über längere Zeit durchgeführt wird, sollten die entsprechenden Arzneimittel möglichst wenige Nebenwirkungen zeigen und angenehm zum Einnehmen sein. Die meisten Phytopharmaka auf dem Markt zur Behandlung der CVI besitzen solche Eigenschaften, doch nur von wenigen wurde die Wirksamkeit in klinischen, patientenbezogenen, ergebnisorientierten Studien geprüft.
In einem Übersichtsartikel aus dem Jahr 2001 wurde eine nachgewiesene Wirksamkeit nur Extrakten aus Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) und Rotem Weinlaub (Vitis vinifera) attestiert [11].
Dem Wirkmechanismus auf der Spur
Therapeutisch relevante Inhaltsstoffe des Roten Weinlaubextraktes sind die Flavonoide Isoquercitrin, Quercetinglucuronid und Kämpferolglucosid (Abb. 1). Diese leicht oxidierbaren Polyphenole zeigen im Tierversuch und in vitro eine vielfältige biologische Aktivität.
Präklinische Versuche zeigten, dass diese Komponenten eine abdichtende Wirkung auf die Blutkapillaren ausüben (Abb. 2). Die Gefäßwände werden stabilisiert und ihre Elastizität wird vergrößert. Die Permeabilität der venösen Gefäßwände und damit ein Übertritt von Wasser in das Interstitialgewebe um die Gefäße werden verringert.
Dadurch kann einer CVI-bedingten Ödembildung vorgebeugt werden. Bereits bestehende Wassereinlagerungen werden reduziert [10]. Die Flavonoide verringern zudem den Schweregrad der mit CVI assoziierten subjektiven Symptome [4].
Einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung des Wirkmechanismus von Rotem Weinlaubextrakt leistete eine In-vitro-Studie mit menschlichen venulären Endothelzellen [13]. Anhand rasterelektronenmikroskopischer Analysen und videokinematographischer Zeitrafferfilme konnte gezeigt werden, dass Roter Weinlaubextrakt in Endothelzellen, die zuvor mittels Entzündungsfaktoren geschädigt worden waren, die Expression endothelialer Leukozyten-Adhäsionsmoleküle reduziert.
Zugleich wurde auch die Kontaktmöglichkeit der unter bestimmten Entzündungsbedingungen potenziell aggressiven Abwehrzellen, der neutrophilen Granulozyten und Thrombozyten mit dem Endothel vermindert.
Ein zusätzlicher Effekt, der für die Verhinderung entzündlicher Ödeme von größter therapeutischer Bedeutung ist, ist der Einfluss des Roten Weinlaubextraktes auf die Kontraktilität venulärer Endothelzellen. Einer Ödembildung wird entgegengewirkt (Abb. 3).
Toxizität
Akute Toxizitätstests mit dem Roten Weinlaubextrakt AS 195* wurden an Ratten und Mäusen nach oraler Gabe von bis zu 10 g/kg Körpergewicht durchgeführt. Dabei wurden weder toxische Wirkungen noch pathologische anatomische Veränderungen festgestellt.
In subakuten Tests bekamen Ratten während 90 Tagen 250 mg/kg Körpergewicht des Extraktes. Unerwünschte Wirkungen wurden nicht beobachtet. In anderen Untersuchungen wurden keine mutagenen oder teratogenen Eigenschaften des Extraktes festgestellt.
Klinische Studien
Die Wirksamkeit des Roten Weinlaubextraktes AS 195 wurde in zwei klinischen Studien geprüft. An einer multizentrischen, randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudie nahmen 257 Patienten mit einer CVI des Stadiums I oder II nach Widmer [12] teil.
Die Patienten erhielten zwölf Wochen lang entweder 360 mg AS 195 pro Tag (86 Patienten), 720 mg AS 195 pro Tag (87 Patienten) oder Plazebo (87 Patienten). Die Einnahme von 2 Kapseln Verum oder Plazebo erfolgte einmal täglich morgens.
Primärer Wirkparameter war die Gewichtsänderung des unteren Beines gegenüber dem Ausgangswert. In der Gruppe, die 360 mg AS 195 pro Tag einnahm, sank das Unterschenkelgewicht um durchschnittlich 42,2 g, bei der Therapie mit 720 mg/Tag entsprechend um 66,2 g.
In der Plazebogruppe nahm das Gewicht hingegen um 33,7 g zu. Bei beiden Dosierungen von AS 195 waren die Unterschiede gegenüber Plazebo statistisch signifikant (p = 0,001). Zwei Wochen nach Absetzen der Behandlung mit AS 195 erreichte das Beingewicht wieder die Ausgangsgröße (Abb. 4).
Auch in den sekundären Wirksamkeitsparametern, wie Reduktion von Waden- und Knöchelumfang sowie Erleichterung der subjektiven CVI-Symptome, zeigte sich eine signifikante Überlegenheit des Roten Weinlaubextraktes gegenüber Plazebo (Abb. 5).
AS 195 war in beiden Verumgruppen gut verträglich. Ernsthafte, mit der Medikation in Zusammenhang stehende Nebenwirkungen traten in keinem Fall auf. Unerwünschte Ereignisse traten häufiger in der Plazebogruppe als in den beiden Verumgruppen auf [8].
Eine offene, multizentrische Studie bei 65 Patienten mit CVI Grad I oder Grad II (mit sichtbarem Beinödem) bestätigte die Ergebnisse der Doppelblindstudie. Unter der sechswöchigen Therapie mit 360 mg/Tag AS 195 kam es zu einer deutlichen Verbesserung der subjektiven CVI-Symptome (müde, schwere Beine, Spannungsempfinden, Kribbeln, Schmerzen in den Beinen).
Die CVI-Leitsymptome, gemessen anhand einer visuellen Analogskala (VAS, 10 cm) zu Studienbeginn und -ende, besserten sich signifikant (p = 0,001). Das gleiche Signifikanzniveau erreichte die Gesamtbeurteilung der Wirksamkeit und Verträglichkeit durch die Patienten und die Ärzte, die mittels einer viergradigen Skala von "gut" bis "schlecht" erhoben wurde (p = 0,001).
Die Gesamtbeurteilung von Wirksamkeit und Verträglichkeit von AS 195 war bei der Mehrheit der Patienten und Ärzte in der Kategorie "gut" oder "befriedigend" (Tab. 1, Abb. 6) [14].
Eine multizentrische, doppelblinde, randomisierte, plazebokontrollierte Sicherheits- und Verträglichkeitsstudie wurde mit 105 Patienten durchgeführt. Über 4 Wochen erhielten 72 Patienten 3 u 1 Kapsel AS 195 (à 180 mg) pro Tag, und 33 Patienten erhielten 3 u 1 Kapsel Plazebo pro Tag.
Die Anzahl und Stärke unerwünschter Ereignisse, das Auftreten von Veränderungen der Laborwerte bzw. der Vitalparameter nach 28 Behandlungstagen ergab keine Unterschiede bezüglich Sicherheit und Verträglichkeit zwischen AS 195 und Plazebo [15].
Verträglichkeit
Alle drei Studien zeigten, dass der Rote Weinlaubextrakt AS 195 sicher und gut verträglich ist. Die Verträglichkeit von AS 195 wurde sowohl von den Patienten als auch von den Prüfärzten in allen drei klinischen Studien als gut oder befriedigend bezeichnet.
Anwendungseinschränkung
Wie bei Medikamenten üblich, sollte auch AS 195 nicht von Patienten mit einer bekannten Allergie gegenüber einem der Inhaltstoffe des Präparates eingenommen werden. Aus grundsätzlichen Überlegungen wird schwangeren Frauen und stillenden Müttern die Einnahme nicht empfohlen, da diesbezüglich keine Untersuchungen vorliegen.
Zusammenfassung
Der Rote Weinlaub Extrakt AS 195 zeigte nach einer Behandlungsdauer von 4 bis 6 Wochen eine objektive, dosisabhängige ödemprotektive Wirkung in Patienten mit CVI Grad I oder Grad II. Damit zusammenhängend wurde konsistent eine Verringerung der als unangenehm empfundenen subjektiven Beschwerden vom Patienten berichtet.
Somit kann AS 195 bei der nachgewiesenermaßen guten Verträglichkeit und hohen Sicherheit als Phytotherapeutikum der ersten Wahl für die symptomatische Behandlung und Prävention in der Indikation CVI Grad I und Grad II verwendet werden.
Die therapeutisch wichtigsten Flavonoide sind Quercetinglucuronid, Isoquercitrin und Kämpferolglucosid (Abb. 1). Für den Extrakt des Roten Weinlaub wird ein Mindestgehalt dieser Stoffe gefordert. Der Gehalt an Flavonoiden wird bereits in der Ausgangsdroge untersucht und bestimmt deren Eignung für die standardisierte Extraktion.
Das standardisierte Extraktionsverfahren mittels Perkolation erfolgt gemäß den Qualitätsrichtlinien für Phytopharmaka, erstellt von der Arbeitsgruppe "Pflanzliche Arzneimittel" der EMEA (Europäische Agentur für die Bewertung von Arzneimitteln).
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