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Arzneimittel und Therapie
Influenza: Verstärkter Grippe-Impfstoff für ältere Menschen
Im Februar und März 2003 stieg die Zahl der Influenzafälle in Deutschland sprunghaft an. Influenzaviren zerstören das Epithel der Atemwege und führen zu einer Abwehrschwäche durch Verminderung der Makrophagen und B-Lymphozyten. Besonders gefürchtet ist das Übergreifen auf die unteren Atemwege und die Superinfektion durch bakterielle Pneumonie-Erreger.
Neben rund 30 000 zusätzlichen Krankenhauseinweisungen und 2 Millionen Fällen von Arbeitsunfähigkeit forderte die Erkrankungswelle des vergangenen Winters schätzungsweise 10 000 Todesopfer, vor allem bei den über 65-Jährigen. Weltweit wird die Zahl der Grippetoten pro Jahr auf 250 000 bis 500 000 geschätzt.
Trotz intensiver Aufklärungskampagnen ließen sich 2002 nur 18 Prozent der Deutschen gegen Influenza impfen. Selbst in den Risikogruppen, bei den Senioren, chronisch Kranken oder beim medizinischen Personal, liegt die Durchimpfungsrate noch immer unter 50 Prozent.
Nationales Influenza-Überwachungssystem
Um die zirkulierenden Viren zu charakterisieren und neue Varianten schnell zu identifizieren, arbeiten das globale Netzwerk der WHO und Nationale Referenzzentren eng zusammen. Die WHO gibt Ende Februar eine Empfehlung für die Nordhalbkugel heraus, welche Virusstämme die Impfstoffe für die nächste Saison enthalten sollen.
Die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe für 2003/2004 enthalten wie im Vorjahr eine Influenza-A (H3N2)-Komponente. Die B-Komponente wurde durch eine aktuelle Driftvariante ausgetauscht. Aus der Nomenklatur lässt sich ablesen, um welchen Virustyp es sich handelt, wo dessen Fundort war und wann er isoliert wurde. Weiterhin ist die Formel der Oberflächenantigene angegeben (H3N2: H=Haemagglutinin-Subtypen 1-3, N=Neuraminidase-Subtypen 1 und 2).
Die virologische Surveillance ist die Voraussetzung für eine optimale Impfstoffzusammensetzung. Die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) verkörpert das nationale Influenzaüberwachungssystem in Deutschland. Bundesweit werden virologische und klinische Daten erhoben, um den Verlauf der Influenzawelle genau zu verfolgen und detaillierte Kenntnisse über die Auswirkungen der Influenza zu erhalten.
Mit der Grippeschutzimpfung kann im September begonnen werden. Optimaler Zeitraum sind die Monate Oktober und November. Es sollte auf keinen Fall bis zum Ausbruch der Influenzawelle gewartet werden, denn auch die ersten Influenzaviren können schon ein schweres Erkrankungsbild und Komplikationen hervorrufen.
Eingeschränkte Immunantwort bei älteren Personen
Während die Wirksamkeit konventioneller Impfstoffe bei gesunden Erwachsenen mit 60 bis 90 Prozent angegeben wird, ist die Immunantwort bei älteren Menschen vermindert. Die Schutzwirkung gegen Influenza-Viren liegt bei dieser besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppe nur zwischen 23 und 70 Prozent.
Ein erster Ansatz, die Immunogenität der Impfung durch Verdopplung des Antigengehaltes zu erhöhen, führte nicht über ein bestimmtes Antikörperniveau hinaus. Die Dosis-Wirkungs-Beziehung unterschied sich zwischen verschiedenen Virusstämmen deutlich und mit Erhöhung der Antigenmenge verschlechterte sich die Verträglichkeit der Impfung.
Der seit langem bewährte, wirkverstärkende Zusatz von Aluminiumsalzen erwies sich bei den Influenza-Impfstoffen ebenfalls als unwirksam. Man suchte daher nach potenten neuen Adjuvanzien. Unter der Bezeichnung MF59 wurde eine Emulsion von Squalen in Wasser entwickelt, deren Zusatz zu besseren Antikörpertitern mit verstärkter Lymphozytenproliferation führten als herkömmliche Influenza-Impfstoffe. Sowohl im Tierversuch als auch in klinischen Studien beim Menschen konnte durch MF59 eine höhere und länger andauernde Immunogenität induziert werden.
Die Zeitschrift "Gerontology" veröffentlichte eine Metaanalyse aus 13 klinischen Studien mit insgesamt 3600 Probanden über 65 Jahre, von denen 2100 mit MF59-adjuvierter Vakzine und 1500 mit Standardvakzine gegen Influenza geimpft worden waren. Bei etwa 60 Prozent der Patienten war eine Grunderkrankung dokumentiert. Die Immunogenität des adjuvierten Impfstoffs war signifikant erhöht, wobei der Unterschied bei Patienten mit bestimmten chronischen Erkrankungen noch ausgeprägter war.
Die Zahl der Nebenwirkungen war bei MF59-Zusatz etwas höher, vor allem lokale Reaktionen an der Impfstelle wurden häufiger beobachtet. Systemische Nebenwirkungen wie Muskel- und Gelenkschmerzen waren in beiden Gruppen selten, mit Fieber über 38 °C reagierten weniger als ein Prozent der Probanden.
Der Anteil der Todesfälle innerhalb der ersten sechs Monate nach Impfung lag in der Gruppe, die MF59-adjuvierten Impfstoff erhalten hatten bei 1,25 Prozent, in der Vergleichsgruppe bei 2,78 Prozent. Vor allem bei älteren Menschen mit chronischen Erkrankungen schützt der adjuvierte Influenza-Impfstoff sicherer vor den Folgen der Virusgrippe.
Sensibilisierung vermeiden
Fragt man nach Gründen für die Impfmüdigkeit der deutschen Bevölkerung, wird häufig die Angst vor Nebenwirkungen angeführt. Klinisch relevant ist hier die Hühnereiweißallergie. Sehr selten kommt es dagegen zu Unverträglichkeitsreaktionen auf enthaltene Konservierungsmittel.
Vor allem der Zusatz von Thiomersal wird kontrovers diskutiert. Quecksilber als Schwermetall ist in hohen Dosen neurotoxisch; insbesondere die Exposition in der Schwangerschaft und bei Früh- und Neugeborenen führt zu neurologischen Schädigungen. Die Belastung durch die Nahrungskette, beispielsweise durch Fisch aus bestimmten Regionen, ist aber wesentlich höher als die Konzentrationen von 0,002 bis 0,01 Prozent in Impfstoffen.
Um jedes Risiko, auch in Form der Akkumulation kleiner Dosen auszuschalten, sollten insbesondere Schwangere, Früh- und Neugeborene sowie Säuglinge in den ersten sechs Monaten nur Impfstoffe ohne quecksilberhaltige Konservierungsmittel erhalten. Dies ist heutzutage in Deutschland für die empfohlenen Impfungen des Kinder-Impfkalenders sichergestellt.
Für Impflinge jeglichen Alters besteht zusätzlich die Gefahr der Sensibilisierung mit nachfolgenden allergischen Reaktionen. Zahlen aus Österreich zeigen in den 80er- und 90er-Jahren eine Zunahme der Thiomersal-Sensibilisierungen. Sie wird von Experten auf die dort häufig flächendeckend durchgeführte FSME-Impfung mit quecksilberhaltigen Impfstoffen zurückgeführt.
Quecksilberfreiheit gefordert
1999 empfahl die Europäische Zulassungsbehörde EMEA (European Agency for the Evaluation of Medicinal Products), quecksilberhaltige Substanzen aus Impfstoffen zu entfernen. Das Paul Ehrlich-Institut als zulassende Behörde in Deutschland weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Umstellung auf Konservierungsmittelfreiheit eine aufwändige Entwicklungsarbeit notwendig macht, um eine gleichbleibende Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sicherzustellen.
Seit dem Jahr 2000 vertreibt Chiron Behring mit Begrivac® einen konservierungsmittelfreien Grippeimpfstoff. Er ist für Erwachsene und Kinder ab sechs Monaten zugelassen und auch für Atopiker, Kinder und Schwangere gut verträglich. In diesem Winter steht der adjuvierte Impfstoff Fluad® für Personen ab 65 Jahre ebenfalls ohne Konservierungsmittel zur Verfügung. Dessen Haltbarkeit und Wirksamkeit unterscheidet sich nicht vom konservierten Influenza-Impfstoff.
Quelle
Dr. Roswitha Kondler-Budde, Marburg; Dr. Brunhilde Schweiger, Berlin: Pressekonferenz "Flu flies", 6. August 2003, Hamburg, veranstaltet von der Chiron Behring GmbH & Co., Marburg.
Im vergangenen Winter rollte eine besonders starke Grippewelle über Deutschland. Der größte Teil der schätzungsweise 10 000 damit assoziierten Todesfälle betraf Personen über 65 Jahre. Trotz intensiver Aufklärungskampagnen ist das Ziel einer Durchimpfungsrate von 70 Prozent bei dieser Risikogruppe noch nicht erreicht. Mit Fluad ist für die Saison 2003/2004 ein Influenza-Impfstoff ohne Konservierungsmittel und frei von Quecksilber verfügbar. Bei dem speziell für ältere Personen ab 65 Jahren konzipierten Impfstoff wurde durch Zusatz eines Wirkverstärkers die Immunogenität verbessert.
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