Analyse

U. HüsgenDie neue Honorierung der Apotheken –

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz; GMG) zum 1. Januar 2004 soll die Preisbildung von verschreibungs- und nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Apotheken völlig neu geregelt werden. Der nachfolgende Beitrag analysiert die neue Honorierung der Apotheken und ihre betriebswirtschaftlichen Folgen.

Der Rohertrag der Apotheken aus Verordnungen rezeptpflichtiger Fertigarzneimittel setzt sich ab dem 1. Januar 2004 zusammen aus:

  • dem 3-prozentigen Aufschlag auf den Apothekeneinkaufspreis (AEK) und
  • dem Festzuschlag von 8,10 Euro (netto).

Sind die rezeptpflichtigen Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet, so ist der Krankenkasse je verschreibungspflichtigem Fertigarzneimittel (auf den wie oben beschriebenen Preis einschließlich Mehrwertsteuer) ein Rabatt/Abschlag von 2,00 Euro (brutto) zu gewähren.

Bei apothekenpflichtigen, aber nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die – in gesetzlich definierten Ausnahmefällen – ab Januar 2004 zu Lasten der GKV abgegeben werden, soll – im Ergebnis – die "alte" Arzneimittelpreisverordnung weiter gelten; der gesetzliche Rabatt/Abschlag wird auf die alte Höhe von 5 % festgelegt. Ansonsten – und damit im Regelfall – sollen die Preise für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ab 1. Januar 2004 freigegeben werden.

Während die Neuregelung der Preisberechnung und damit der Roherträge der öffentlichen Apotheken im verschreibungspflichtigen Bereich von der Berufsvertretung der Apotheker vom Grundsatz (nicht von der Höhe!) her begrüßt wird, stößt die Freigabe der Preise bei nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf die uneingeschränkte Kritik der Apothekerschaft.

Die Befürchtung, der Apothekenleiter könne den Spagat zwischen heilberuflicher Tätigkeit (bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel auf Honorarbasis) und rein kaufmännischer Profession (im Selbstmedikationsmarkt) auf Dauer nicht durchhalten, ist unüberhörbar und nimmt weiter zu.

Im Rahmen der zukünftigen Positionierung der öffentlichen Apotheken sowohl im Gesundheitswesen als auch im Gesundheitsmarkt ist es deshalb unerlässlich, die Beweggründe, die die Politik zu diesen Änderungen bei der Honorierung, Vergütung der Apotheken im Rahmen der Abgabe von Arzneimitteln bewogen haben, genauer zu analysieren.

Ein Blick ins Gesetz hilft weiter

Im Arzneimittelgesetz (AMG), hier § 78 "Preise", in der derzeit gültigen Fassung, ist geregelt:

(1) Das Bundesministerium für Wirtschaft wird ermächtigt (...), a. Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel, in Apotheken oder von Tierärzten im Wiederverkauf abgegeben werden, b. Preise für Arzneimittel, die in Apotheken oder von Tierärzten hergestellt und abgegeben werden, sowie für Abgabegefäße, c. Preise für besondere Leistungen der Apotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln festzusetzen.

(2) Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Tierärzte, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen. Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten.

Neben einer rein redaktionellen Änderung (Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) soll Absatz 1 von § 78 AMG ab dem neuen Jahr um einen – wesentlichen – Satz erweitert werden. Absatz 1 lautet jetzt (Ergänzungen sind fett gedruckt):

(1n) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit wird ermächtigt (...), a. Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel, in Apotheken oder von Tierärzten im Wiederverkauf abgegeben werden, b. Preise für Arzneimittel, die in Apotheken oder von Tierärzten hergestellt und abgegeben werden, sowie für Abgabegefäße, c. Preise für besondere Leistungen der Apotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln festzusetzen.

Abweichend von Satz 1 wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ermächtigt (...), den Festzuschlag entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung anzupassen.

Absatz 2 ist (ebenfalls) um einen weiteren Satz ergänzt worden:

(2n) Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Tierärzte, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen. Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten.

Satz 2 gilt nicht für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

Ein Blick in die Begründung zur Ergänzung von § 78 Abs. 1 (neu) lässt aufhorchen:

"Die Umstellung des Apothekenzuschlags auf einen Festzuschlag und einen prozentualen Zuschlag macht es erforderlich, dass der Festzuschlag in der Regel durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, angepasst werden kann. Die Anpassung soll sich dabei an der jeweiligen Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung richten. In der Regel soll eine Überprüfung im Abstand von zwei Jahren erfolgen, um häufige Anpassungen im geringen Cent-Bereich zu vermeiden."

Folgerung: Wenn sich die Anpassung des Festzuschlags in Zukunft also an der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung ausrichten soll, muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber zumindest beabsichtigt hat, den erstmals für 2004 definierten Festzuschlag (einschließlich des prozentualen preisabhängigen Zuschlags) an den (aktuell verfügbaren) Kosten der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung auszurichten.

Die im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) für die Berechnung der apothekerlichen Vergütung zuständige Abteilung ist bei ihren Berechnungen von folgenden Werten (auf der Basis 2002) ausgegangen:

Rezeptpflichtige Arzneimittel zu Lasten der GKV
 
BMGS
ABDA
Packung (in Mio)
542,7
555,8
Apothekeneinkaufspreis
(AEK) in Mio. Euro
12.909
13.440
(Quelle: BMGS)
Zunächst soll der tatsächliche (effektive) Festzuschlag zu Lasten der GKV berechnet werden:
Zwischenrechnung
(8,10 x 1,16) €  =
9,396 €
9,396€ - 2,00€  =
7,396 €
(7,396 ./. 1,16) €  =
6,37589 €
(1,16 ist der Mehrwertsteuerfaktor)

Auf der Basis der verschreibungspflichtigen, zu Lasten der GKV abgegebenen Packungen (2002) kommt man zu folgenden (auf 2002 bezogenen, fiktiven) Roherträgen der Apotheken:

fiktive Roherträge Apotheken (2002)
BMGS  
ABDA
542,7 Mio. x 6,37586 €  = 34600 Mrd. €
 
555,8 Mio. x 6,37586 €  = 3,5430 Mrd. €
12,909 Mrd. €  x 0,03 = 0,3873 Mrd. €
 
13,440 Mrd. €  x 0,03 = 0,4032 Mrd. €
------------------------------------------------
 
----------------------------------------------------
3,8473 Mrd. €
 
3,9462 Mrd. €

Das Rohertragsverhältnis Festzuschlag/variabler Zuschlag liegt somit bei 90 zu 10. Damit wird die heilberufliche Komponente apothekerlicher Tätigkeit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln deutlich herausgestellt – und der Anreiz für die Apotheke, höherpreisige Arzneimittel abzugeben, deutlich minimiert.

Mit Hilfe obiger Zwischenwerte gelangt man schnell zu folgenden (auf 2002 bezogenen, fiktiven) Ausgaben der GKV für verschreibungspflichtige Arzneimittel:

Ausgaben der GKV für verschreibungspflichtige Arzneimittel
 
BMGS in Mio. €
ABDA in Mio. €
Apothekeneinkaufpreis (AEK)
12.909
13.440
Rohertrag der Apotheken
3.847
3.946
Zwischensumme
16.756
17.386
Mehrwertsteuer
2.681
2.782
GKV-Ausgaben
19.437
20.168

Damit beträgt der Rohertrag der Apotheken im Rahmen der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Prozenten des Gesamtumsatzes 19,79 % (BMGS) bzw. 19,57 % (ABDA).

Aufgrund der bisherigen Analyse ist festzustellen, dass – unabhängig von der Datenquelle (BMGS oder ABDA), die der Größenordnung nach zu denselben Ergebnissen kommen – zunächst weiter etwa 80 % des gesamten Umsatzes der öffentlichen Apotheken mit der GKV auf verschreibungspflichtige Arzneimittel entfallen.

Durch die ab 2004 nur bedingte Erstattungsfähigkeit von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu Lasten der GKV erhofft sich der Gesetzgeber weitere Einsparungen von etwa 1 Mrd. Euro, sodass der Anteil der verschreibungspflichtigen Arzneimittel an den Gesamtumsätzen der Apotheken mit der GKV prozentual weiter steigt.

Wie die Berechnungen gezeigt haben, gesteht der Gesetzgeber den Apotheken also einen Rohertrag – bei wirtschaftlicher Betriebsführung – zwischen 19,5 bis 20 Prozent des Umsatzes (brutto) mit der GKV zu.

Bedenkt man, dass im Jahre 2002 die steuerlich abzugsfähigen Kosten der Apotheken lt. Betriebsvergleich des Instituts für Handelsforschung an der Universität zu Köln bei 19,5 % des Umsatzes (brutto) lagen, vermag man die Intensionen des Gesetzgebers bei der Begründung zu § 78 AMG nachzuvollziehen: Ähnlich wie bei den Ärzten soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Versorgung der GKV-Versicherten offensichtlich nur noch der Deckung der betriebsbedingten (steuerlich abzugsfähigen) Kosten dienen.

Die Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals und den Unternehmerlohn hat der Arzt faktisch über die Behandlung seiner Privatversicherten und die Igel-Leistungen zu erwirtschaften. Einen analogen Denkansatz hat die Politik nun mit der neuen Honorierung bei den Apotheken umgesetzt, getreu dem Motto der Sozialromantik "An Krankheit/Gesundheit darf man kein Geld verdienen".

Dabei wird nicht der ökonomische Grundsatz bedacht, dass auf Dauer nur rentabel betriebene Apotheken die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimittel (gemäß § 1 Abs. 1 Apothekengesetz) sicherstellen können.

Diese Lösung ist so also nicht akzeptabel. Es kann nicht angehen, dass die Apotheken in ihrem wesentlichen Aufgabengebiet, der Versorgung der GKV-Versicherten, keinen Beitrag zur Erwirtschaftung der Eigenkapitalverzinsung und zur Honorierung der Arbeitsleistung des Apothekenleiters mehr erwirtschaften.

Auf die Apotheke bezogen bedeutet die Umstellung auf diese neue Vergütungsform jedenfalls, dass die Selbstmedikation in der Apotheke in Zukunft für die Überlebensfähigkeit der Apotheke einen noch höheren Stellenwert einnehmen muss als in der Vergangenheit.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Apotheken wegen der Freigabe der Preise bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einem brancheninternen Wettbewerb ausgesetzt sind, der sie zu immer neuen Rationalisierungsanstrengungen bewegen wird, bewegen muss. Damit hat die Politik zugleich sichergestellt, dass der Maßstab für die "Kosten einer wirtschaftlichen Betriebsführung" unter Wettbewerbsbedingungen immer wieder neu angelegt werden kann.

In der Betriebswirtschaft spricht man an dieser Stelle von dem "Gefangenen-Dilemma".

Für die Apotheken müsste deshalb die Devise lauten: "Ans Heizungsrohr klopfen". Übersetzt in die Alltagsarbeit heißt das, nur die Solidarität des Berufsstandes (im Wesentlichen über die Arbeit der Apothekerverbände) kann die Apotheken vor dem Weg in den ruinösen (Preis-)Wettbewerb schützen.

Wenn das GMG im Januar 2004 in Kraft tritt, dürfte der Rohertrag beim Umsatz mit Arzneimitteln bei knapp 20% liegen. Das reicht, um die betriebsbedingten Kosten der Apotheke zu decken, doch kann die Arbeitsleistung des Apothekenleiters (Unternehmerlohn) damit nicht mehr honoriert werden. Gerade jetzt ist die Solidarität des Berufsstandes gefragt, um einen ruinösen Wettbewerb zu verhindern.

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