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Arzneimittel und Therapie
Chronische Herzinsuffizienz: Nutzen-Risiko-Verhältnis von Carvedilol
Herzinsuffizienz ist keine seltene Erkrankung: Das Risiko, irgendwann im Leben daran zu erkranken, wird auf etwa 1: 5 geschätzt.
Die Prognose einer Herzinsuffizienz wurde in den letzten 10 Jahren kaum verbessert. Zwar senkten mehrere Betablocker (Bisoprolol, Carvedilol, Metoprolol) in randomisierten klinischen Studien die Morbidität und Letalität bei einem breiten Spektrum von Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter linksventrikulärer systolischer Funktion, aber in der Praxis konnten sich Betablocker bei dieser Indikation noch nicht durchsetzen.
Angst vor akuter Dekompensation
Viele Ärzte meinen, die Anfangsphase einer Betablocker-Therapie bei Herzinsuffizienz sei schwierig. In Pharmakologie-Lehrbüchern werden akute negativ inotrope Wirkungen der Betablocker betont. Daher fürchten die Ärzte, zu Beginn der Sympathikusblockade drohe eine akute Dekompensation. Ein erhöhtes Risiko für eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz, ein Lungenödem und ein kardiogener Schock stünde dann einem womöglich erst verzögert auftretenden Behandlungsnutzen gegenüber.
Carvedilol bei schwerer Herzinsuffizienz
Der nicht-selektive Betablocker Carvedilol (Dilatrend®, Querto®) war in der Copernicus-Studie (Carvedilol prospective randomized cumulative survival) im Hinblick auf einen Überlebensnutzen bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz untersucht worden.
Während einer mittleren Beobachtungsdauer von 10,4 Monaten war die Letalität um 35% gesenkt worden. Wegen des deutlichen Nutzens von Carvedilol wurde die Studie vorzeitig gestoppt. Die frühen Wirkungen der Carvedilol-Behandlung wurden jetzt in einer gesonderten Analyse untersucht.
Die Teilnehmer der Copernicus-Studie litten seit mindestens zwei Monaten an Atemnot oder Müdigkeit in Ruhe oder bei geringster Belastung. Sie hatten eine linksventrikuläre Auswurffraktion unter 25%. Alle Patienten hatten ein normales zirkulierendes Blutvolumen ("euvolämisch"); alle bekamen ein Diuretikum und entweder einen ACE-Hemmer oder einen Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten.
Auftitrationsphase: die ersten 8 Wochen
Zusätzlich zu ihren üblichen Herzmedikamenten nahmen die Patienten randomisiert Carvedilol oder Plazebo ein. Die Therapie begann mit zweimal täglich 3,125 mg. Nach jeweils zwei Wochen wurde die Dosis verdoppelt, sodass – gute Verträglichkeit vorausgesetzt – nach sechs Wochen die Zieldosis von zweimal täglich 25 mg erreicht wurde.
Die Auftitrationsphase endete, wenn die Zieldosis zwei Wochen lang vertragen wurde, im günstigsten Fall also nach acht Wochen. Die Auftitration konnte bei Bedarf aber auch langsamer erfolgen.
Wirksamkeit und Nebenwirkungen von Carvedilol in den ersten acht Wochen wurden analysiert. Der kombinierte Endpunkt für die Wirksamkeit war Tod, Krankenhausaufnahme oder dauerhaftes Absetzen des Studienmedikamentes, je nachdem welches zuerst auftrat.
2289 Patienten nahmen an der Studie teil, 1156 bekamen Carvedilol, 1133 Plazebo. Die Patienten waren im Mittel 63 Jahre alt und hatten eine mediane linksventrikuläre Auswurffraktion von 20%. Knapp 80% waren Männer. Bei gut zwei Dritteln lag der Herzinsuffizienz eine ischämische Herzerkrankung zugrunde.
Überlegene Wirksamkeit bereits nach 2 bis 3 Wochen
Nach acht Wochen nahmen 71% der Plazebo-Patienten und 59% der Carvedilol-Patienten ihr Medikament in der Zieldosis von zweimal täglich 25 mg ein.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren 19 Patienten in der Carvedilol-Gruppe und 25 Patienten in der Plazebo-Gruppe gestorben (Hazard-Ratio 0,75). Krankenhausaufnahme oder Tod betraf 134 Patienten mit Carvedilol und 153 mit Plazebo (Hazard-Ratio 0,85).
Den kombinierten Endpunkt aus Tod, Krankenhausaufnahme oder Therapieabbruch erreichten 162 Patienten der Carvedilol-Gruppe und 188 Patienten der Plazebo-Gruppe (Hazard-Ratio 0,83). Demnach hatte der Betablocker in der Auftitrationsphase eine ähnliche Wirksamkeit wie während der gesamten Behandlung. Bereits nach 14 bis 21 Tagen Behandlung machte sich die überlegene Wirksamkeit des Betablockers bemerkbar.
Hochrisikopatienten profitieren besonders
Als Untergruppe mit sehr hohem Risiko wurden Patienten mit kürzlicher oder wiederholter kardialer Dekompensation erfasst. Dies waren insgesamt 624 Patienten (27,3%): 308 mit Carvedilol und 316 mit Plazebo.
Bei diesen Hochrisikopatienten war Carvedilol gegenüber Plazebo noch deutlicher überlegen als in der Gesamtgruppe:
- drei gegenüber 15 Patienten starben (Hazard-Ratio 0,20).
- 44 gegenüber 63 Patienten starben oder kamen ins Krankenhaus (Hazard-Ratio 0,71).
- 51 gegenüber 76 Patienten starben, kamen ins Krankenhaus oder brachen die Behandlung ab (Hazard-Ratio 0,67).
Auch in der Hochrisikogruppe ähnelte die frühe Wirksamkeit den späteren Ergebnissen. Während der ersten acht Behandlungswochen sank der Blutdruck in der Carvedilol-Gruppe um 3,6/2,7 mm Hg, in der Plazebo-Gruppe um 2,0/1,8 mm Hg. Die Herzfrequenz sank um 12,5 bzw. 2,2 Schläge pro Minute. Das Körpergewicht blieb unverändert.
Nebenwirkungen etwas häufiger
Patienten mit dem Betablocker litten häufiger an Schwindel, Hypotonie, Ödemen oder Bradykardie. Diese Nebenwirkungen waren jedoch im Allgemeinen leicht und führten im Vergleich zur Plazebo-Gruppe nicht häufiger zum Behandlungsabbruch (Tab. 1). Als schwer galten unerwünschte Ereignisse, die tödlich oder lebensbedrohlich waren, einen Krankenhausaufenthalt erforderten oder verlängerten oder zu einer dauerhaften oder signifikanten Beeinträchtigung führten. Nur ein schweres unerwünschtes Ereignis betraf mehr als 2% der Patienten: Die Verschlechterung der Herzinsuffizienz trat in beiden Behandlungsgruppen etwa gleich häufig auf (5,1% mit Carvedilol gegenüber 6,4% mit Plazebo). In der Hochrisikogruppe waren mit 8,8% und 11,4% ebenfalls etwa gleich viele Patienten betroffen.
Vorsichtsmaßnahmen beachten
Demnach ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis für den Betablocker Carvedilol bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz in der Auftitrationsphase ebenso günstig wie in der Langzeitbehandlung. Dies gilt für Patienten mit normalem Blutvolumen.
Folgende Vorsichtsmaßnahmen gehörten zur Studie und sollten in der Praxis beachtet werden:
- Die behandelnden Ärzte hatten Erfahrung mit Herzinsuffizienz-Patienten.
- Es wurden Maßnahmen ergriffen, um das Blutvolumen konstant zu halten.
- Die Patienten wurden ermutigt, unerwünschte Ereignisse oder Gewichtszunahme zu melden.
- Es bestand die Möglichkeit zur langsameren Auftitration und zur Dosisveränderung anderer Medikationen.
Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz bekamen in der Copernicus-Studie den nicht-selektiven Betablocker Carvedilol oder Plazebo. Carvedilol senkte die Letalität während der 10-monatigen Beobachtung. Bereits in der Auftitrationsphase waren sowohl die Letalität als auch der kombinierte Endpunkt aus Tod, Krankenhausaufnahme oder Therapieabbruch mit dem Betablocker signifikant verringert. Spezifische Nebenwirkungen einer Betablockade, wie Bradykardie und Hypotonie, traten häufiger auf, waren aber im Allgemeinen leicht.
Schlechte Metabolisierer, die einen genetisch bedingten Defekt des Cytochrom-P450-Enzyms CYP2D6 k haben, müssen daher mit mehr unerwünschten Wirkungen rechnen, wie einer vermehrten Vasodilatation mit Orthostaseproblemen.
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