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Berichte
Seniorpharmazeuten-Fortbildung: Apothekerausbildung im Wandel
Studium mit und ohne Abitur
Dr. Gisela Wurm, Hannover, referierte über die Pharmazeutische Ausbildung im Wandel der Jahrzehnte. Die pharmazeutische Ausbildung in Deutschland war sehr uneinheitlich. Ein Studium der Pharmazie von zunächst drei Semestern wurde im deutschen Reichsgebiet erst 1875 verpflichtend eingeführt. Dabei stand die praktische Ausbildung im Vordergrund und die Zulassung zum Studium war nicht an das Abitur gebunden.
In der ersten Reform 1904 forderte man das kleine Latinum und zumindest die Primarreife als Voraussetzung. Gleichzeitig wurde die Ausbildungszeit um die zweijährige Kandidatenzeit nach vier Semestern Studium verlängert. Die dreijährige Lehrzeit vorher konnte durch das Abitur um zwölf Monate verkürzt werden. Wer allerdings höhere akademische Weihen wie eine Promotion anstrebte, benötigte das Abitur. Ab 1921 war das Abitur auch für das Pharmaziestudium verpflichtend.
Zwei Semester mehr und zehn Institute weniger
Trotz dieser Reformen brach die Diskussion über eine verbesserte Pharmazeutenausbildung in Deutschland nicht ab. Die europäischen Nachbarn legten bereits in den 1920er-Jahren Wert auf eine mindestens dreijährige wissenschaftliche Ausbildung - zum Teil mit Diplomarbeit - zugunsten kürzerer praktischer Lehrzeiten.
Die Nationalsozialisten schufen 1934 die erste einheitliche Prüfungsordnung für Apotheker: zwei Jahre Praktikum mit der Vorexamensprüfung in zugelassenen Lehrapotheken, sechs Semester Studium und im Anschluss ein Kandidatenjahr. Chemie, Physik, Galenik, physiologische Chemie und Pharmakognosie wurden Ausbildungsschwerpunkte. Die Kosten für die Umsetzung waren so gewaltig, dass zehn Hochschulen die Pharmazie 1938 schließen mussten, darunter Bonn, Göttingen, Würzburg und Rostock.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde in der Bundesrepublik bis 1971 nach der Prüfungsordnung von 1934 studiert. Der Prozess über die Neugestaltung der Apothekerausbildung zog sich aus verschiedenen Gründen in die Länge.
Die unterschiedlichen Interessengruppen von Hochschullehrern über praktische Apotheker, Krankenhausapotheker bis hin zu Standesvertretern und Industrie diskutierten eifrig über das Für und Wider der Inhalte.
Die Ausbildung durfte zudem keinesfalls mehr Kosten verursachen. Das zweijährige Praktikum sollte gestrichen werden. Die in den Apotheken deshalb fehlenden Hilfskräfte mussten ersetzt werden. Dies war 1968 mit dem PTA-Gesetz endlich geregelt.
Neu: Multiple-choice und Pharmakologie
Die erste Approbationsordnung für Apotheker der Bundesrepublik wurde 1971 verabschiedet. Sie schrieb vor: sieben Semester Studium, ein Jahr Praktikum und drei Examina, von denen das erste als Multiple-choice-Verfahren (wie bei den Medizinstudenten) durchgeführt wurde. Dafür wurde eigens in Mainz das Institut für pharmazeutische und medizinische Prüfungsfragen eingerichtet.
Statt Galenik stand nun Arzneiformenlehre auf dem Plan, statt Pharmakognosie endlich pharmazeutische Biologie. Physikalische Chemie und Terminologie - das kleine Latinum war nicht mehr Studienvoraussetzung - sowie Mathematik wurden neu aufgenommen.
Das Fach Pharmakologie wurde durch Intervention der Mediziner als Arzneimittelwirkungslehre berücksichtigt und leider oft auch nur auf diesem Niveau vermittelt. Wie Frau Wurm berichtete, haben sich die Studenten über das schwache Niveau der Vorlesungen und auch der Prüfungen beschwert!
Andere Wege in der DDR
In der ehemaligen DDR sah man schon 1951 die Notwendigkeit, die Regelstudienzeit von sechs auf acht Semester zu erhöhen. Vor allem Galenik und Pharmakologie wurden berücksichtigt. Bis zur Wiedervereinigung wurde die Ausbildung viermal reformiert.
Durch die Einführung der dreijährigen Ausbildung zum Apothekenassistenten 1950 und die Möglichkeit, als gute Helferin in einem einjährigen Crashkurs die notwendigen Kenntnisse zu erlangen, gab es keine Engpässe in den Apotheken. Ab 1971 kam dann noch der Pharmazieingenieur dazu.
Auf EU-Standard
Die Maßgaben der EU machte dann eine Anpassung 1989 notwendig - acht Semester Studium und zusätzlich eine Famulatur. Interessanterweise wurden in den acht Semestern insgesamt weniger Stunden unterrichtet als vorher, da keinesfalls die Kosten steigen durften. Schon damals war das Geld für Bildung knapp. Aus Arzneimittelwirkungslehre wurde endlich Pharmakologie.
Inzwischen trat 2001 die zweite Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung in Anlehnung an eine erweiterte europäische Richtlinie in Kraft. Mit dieser Verordnung werden verstärkt medizinische und pharmakologische Inhalte berücksichtigt. Die Einführung der "Klinische Pharmazie" als neues Prüfungsfach zielt auf eine patientenorientiertere Ausbildung ab.
Patientenorientierte Pharmazie
Die patientenorientierte Pharmazie war auch Thema des Vortrags von Wolfgang Gröning aus Kamp-Lintfort, Vorsitzender des Fortbildungsausschusses der Apothekerkammer Nordrhein. Er sprach über den Berufsalltag zwischen pharmazeutischen Zukunftsvisionen und wirtschaftlichen Zwängen.
Nicht das erste Mal werde von den Apothekern ein Paradigmenwechsel abverlangt. Gestützt auf die Klinische Pharmazie und die sich daraus ableitende Pharmazeutische Betreuung müsse der Apotheker sich nun stärker dem Patienten zuwenden. Erste Schritte in diese Richtung sind schon unternommen worden. Bei Patienten mit Asthma und Diabetes kann der Apotheker bereits die Funktion des Therapiebegleiters übernehmen.
Als problematisch stufte Gröning die massiven strukturellen Veränderungen ein, die durch die Umsetzung des GMG in den Apotheken 2004 zu erwarten sind. Stichworte wie Mehrbesitz, Integrationsmodelle, Vergütung der apothekerlichen Tätigkeit, die Preisfreigabe der OTC, die Veränderungen in der Zuzahlung sowie der Versandhandel werden den pharmazeutischen Alltag belasten.
Peter Lang Verlag, Frankfurt/M. 1996. ISBN: 3-631-47956-5
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