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Arzneimittel und Therapie
Schmerztherapie: Die Buprenorphin-Forschung geht weiter
Kaum ein anderes Opioid steht auch nach über 20-jährigem Einsatz immer noch so im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion wie Buprenorphin. Die Substanz bietet ein besonderes, noch nicht vollständig aufgeklärtes Wirkprofil und damit Raum für Mutmaßungen und Fehleinschätzungen. Neue Erkenntnisse räumen jedoch mit einigen Missverständnissen auf.
Wirkprofil mit Besonderheiten
Manche Aspekte wie Stoffeigenschaften, Wirkort und hohe Potenz von Buprenorphin sind seit langem bekannt und gut charakterisiert. So ist die Substanz 20- bis 40fach stärker wirksam als Morphin, die Wirkdauer ist mit 6 bis 8 Stunden (nach sublingualer Applikation) relativ lang, und das Abhängigkeitspotenzial ist vergleichsweise gering. Wirksamkeit und Sicherheit des Opioids sind durch präklinische und klinische Daten belegt.
Missverständnisse bezogen sich vor allem auf die pharmakologischen Wirkungen von Buprenorphin, u. a. auf seine Rezeptoraktivität. Diese wird als partieller Agonismus am μ-Rezeptor – dem für analgetische Wirkungen besonders relevanten Rezeptor – definiert.
Das Opioid zeigt einerseits eine hohe Affinität zum Rezeptor, entfaltet andererseits aber geringe intrinsische Aktivität. Tatsächlich führte die Substanz in einigen tierexperimentellen Untersuchungen zu Sättigungseffekten der Wirksamkeit unter 100% (Ceiling-Effekt). Allerdings ist dieses Phänomen erst in sehr hohen Dosierungen, weit außerhalb des analgetischen Bereichs, zu beobachten.
Im therapeutisch relevanten Dosierungsbereich (0,2 bis 7 mg) verhält sich das Opioid als reiner Agonist, das heißt Dosissteigerungen bewirken stets eine Steigerung der Analgesie. So erreichte Buprenorphin volle efficacy nicht nur in Akutschmerzmodellen, sondern auch in Experimenten zum Entzündungsschmerz, neuropathischen und viszeralen Schmerz.
Zweifel ausgeräumt
Der Ceiling-Effekt im außertherapeutischen Bereich kann sogar von Vorteil sein, denn er betrifft nicht nur die analgetische Wirksamkeit, sondern auch die Nebenwirkungen. Im Falle einer akuten Überdosierung nimmt daher z. B. die durch Buprenorphin induzierte Atemdepression nur bis zu einem bestimmten Wert zu und verstärkt sich danach auch bei weiterer Dosissteigerung nicht.
In therapeutisch relevanter Dosierung besitzt Buprenorphin nur ein schwaches Potenzial für die Atemdepression. Untersuchungen konnten auch Zweifel an der Antagonisierbarkeit von Buprenorphin durch Opioid-Antagonisten ausräumen. Mit hohen Dosen Naloxon sind Buprenorphin-Effekte aufhebbar.
Da die Affinität von Buprenorphin zum μ-Rezeptor sehr ausgeprägt ist und die Dissoziation sehr langsam verläuft, bestand die Annahme, dass bei kombinierter Opioid-Anwendung Wirkabschwächungen auftreten. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass sich vielmehr additive Effekte ergeben, so z. B. bei der Gabe von Buprenorphin nach oder vor einer Morphinapplikation.
Transdermale Applikation
Buprenorphin ist sogar kombinierbar mit anderen, in der Narkose verabreichten Opioiden. Dies zeigte eine aktuelle Untersuchung zum transdermalen Einsatz der Substanz während einer Fentanyl-Enfluran-Vollnarkose. An 11 Patienten mit chronischen Schmerzen, die am Herzen operiert werden mussten, konnten dazu schon positive Erfahrungen gesammelt werden: Die intraoperative Weiterapplikation des Buprenorphin-Pflasters führte zu keinen Komplikationen.
Zu einem Mehrverbrauch von Fentanyl kam es nicht – ein Zeichen dafür, dass Fentanyl als reiner μ-Agonist durch den partiellen μ-Agonisten Buprenorphin nicht antagonisiert wird. Aufgrund des geringen Molekulargewichts, der hohen Lipophilie sowie der potenten Wirksamkeit ist Buprenorphin für eine transdermale Applikation gut geeignet.
Dabei kann der hohe First-pass-Effekt der Substanz umgangen werden. Mit dem transdermalen System Transtec® wird ein Steady State nach etwa drei Pflasterzyklen erreicht. Das Buprenorphin-Matrixpflaster ist seit 2001 auf dem Markt. Wie alle Buprenorphin-Formulierungen unterliegt auch Transtec® der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung.
Wirksamkeit bei lokaler Gabe
Ein Gegenstand der Buprenorphin-Forschung ist auch die periphere analgetische Wirkung des Opioids. In peripheren sensorischen Neuronen ist die maximale Anzahl an μ-Rezeptoren deutlich niedriger als in Gehirn oder Rückenmark. In nichtentzündetem Gewebe bewirkt die lokale Gabe des partiellen Opioidagonisten Buprenorphin daher keine ausreichende Aktivierung der μ-Rezeptoren und damit keine Schmerzlinderung.
Unter Entzündungsbedingungen nimmt jedoch die Anzahl der μ-Rezeptoren deutlich zu, sodass eine effektive und lang anhaltende Schmerzreduktion möglich ist. So ergab die intraartikuläre Buprenorphin-Applikation in einer klinischen Untersuchung an Patienten mit Kniegelenksoperation eine signifikante Abnahme der Schmerzintensität. Dabei war auch der Bedarf an zusätzlichen postoperativen Analgetika signifikant geringer.
Quelle
Prof. Dr. W. Straßburger, Aachen; Prof. Dr. M. Schäfer, Berlin; Prof. Dr. E. Hartung, Wien; Dr. Keith Budd, Menston, UK: Symposium "Buprenorphin: Alte Mythen – Neue Fakten", anlässlich des Deutschen Schmerzkongresses, Münster, 10. Oktober 2003, veranstaltet von der Grünenthal GmbH Aachen.
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