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Kulturgeschichte
Mohn in der bildenden Kunst – Eine Pflanze zwischen Traum und Tod
Schlafmohn und Klatschmohn
Mohn (Papaver) gehört zur Pflanzenfamilie der Mohngewächse (Papaveraceae) mit einer verwirrenden Vielfalt von etwa 70 verschiedenen Arten. So gibt es weiß, gelb, cremefarben, orange, violett oder rot blühende Mohnpflanzen. Es gibt Arten mit schwarzen Samen und andere mit weißen Samen, ferner Pflanzen, bei denen die Kapseln bei der Reife geschlossen bleiben, und solche, bei denen sich die Mohnkapseln bei der Reife öffnen.
Je nach Art enthalten die Kapseln die unglaubliche Zahl von bis zu 2000 Samen, und es verwundert nicht, dass die Mohnkapseln von jeher als Fruchtbarkeitssymbol galten; die Samen können übrigens bis zu 100 Jahre ihre Keimfähtigkeit im Boden bewahren.
Ein UrwortWie die Kulturpflanze Mohn hat auch das Wort "Mohn" eine lange Geschichte: Das griechische "mekon" ist urverwandt mit dem althochdeutschen "mago". Die Stadt Mekone bei Korinth erhielt ihren Namen vermutlich wegen des Anbaus von Mohn. |
Bemerkenswert ist, dass die Samen ungiftig sind und die wirksamen und giftigen Pflanzeninhaltsstoffe hautpsächlich in der Kapsel vorkommen; üblicherweise sind bei giftigen Pflanzen die Samen nämlich besonders giftig.
Schließlich unterteilt sich die Gattung Mohn in Arten, die medizinisch stark wirksame – insbesondere schlafbringende und schmerzlindernde – Inhaltsstoffe enthalten, wie z. B. der Schlafmohn (Papaver somniferum), und Arten, die diese Inhaltsstoffe so gut wie nicht aufweisen, wie z. B. der Klatschmohn (Papaver rhoeas).
Der violett, weißlila oder weiß blühende Schlafmohn stammt von einer erheblich kleineren Wildform mit trüb violetten Blüten ab, dem Borstenmohn (Papaver setigerum).
Noch bekannter als der Schlafmohn ist der Klatschmohn mit einer Vielzahl von volkstümlichen Namen wie z. B. Klappermohn (Klappern der reifen Kapseln), Klappros, Klapprosenmohn, Feuerblume, Blutblume, Feldrose oder Feldmohn [21]. Die beiden letzten Bezeichnungen sind Hinweise auf sein häufiges Vorkommen zusammen mit der blauen Kornblume als Acker"unkraut" in den Kornfeldern, wie es z. B. so meisterhaft in Gemälden von Claude Monet festgehalten worden ist.
Über die Deutung des Namens "Papaver" gibt es eine etymologisch sicherlich falsche, aber historisch interessante Erklärung: aus "papa" (Kinderbrei) und "verum" (echt), da schon im alten Rom die Mütter den Saft dieser Pflanze Kindern dem Essen beimischten oder vor dem Stillen die Brust damit einrieben, damit die Kinder und Säuglinge gut einschliefen. Es ist noch keine hundert Jahre her, dass in der Apotheke Mohnschnuller verkauft wurden, um Kleinkinder ruhig zu stellen [23].
Lob des OpiumsDie Schlafgöttin von Gazi in Verbindung mit Opium gilt als so bedeutsam, dass die Medallic Heritage Society 1972 in der Reihe "The Medallic History of Drugs" eine entsprechende Silbermedaille herausgebracht hat. Auf der einen Seite ist die Göttin aus Gazi, flankiert von zwei Mohnpflanzen, dargestellt; auf der anderen Seite ist unter der Abbildung von Apothekengeräten zu lesen: "Opium – the Juice of the poppy plant since antiquity and despite abuse the source of man's most effective agents against pain" [7]. |
Der Mohnsaft bei Dioscurides
Durch Ausgrabungen von Pfahlbauten in der Schweiz weiß man, dass Schlafmohn schon vor viertausend Jahren kultiviert wurde [12]. Es lässt sich jedoch nicht sagen, ob er wegen der nahrhaften ungiftigen Samen oder wegen des aus ihm zu gewinnenden Opiums angebaut wurde.
Eine der ersten zuverlässigen Quellen über Mohn als Heilpflanze finden wir in dem berühmten Kräuterbuch "De Materia Medica" von Dioscurides (1. Jh. n. Chr.). Pedianos Dioscurides hatte als griechischer Militärarzt zu Zeiten der römischen Kaiser Claudius und Nero außerordentliche Erfahrungen sammeln können und war in der römischen Gesellschaft hoch angesehen; seine Lehre blieb über mehr als tausend Jahre hinweg unangefochten oberste wissenschaftliche Instanz zu allen Fragen der Heilkunst.
Dioscurides unterschied bereits zwischen dem Saft der Mohnkapsel, dem opós (Opium), und dem aus dem ganzen Kraut ausgepressten Saft, dem mekoneion (meconium), und wies darauf hin, dass Letzteres weniger wirksam ist. Dioscurides warnte schon davor, dass eine Überdosis Opium tödlich ist [28]. Vor Dioscurides hatte bereits Hippokrates (etwa 460 – 375 v. Chr.) das mekoneion als Arznei mit narkotischen und stopfenden Wirkungen erwähnt.
Klassische opiumhaltige Zubereitungen
Nepenthes
Damals wie heute hat man versucht, die Wirksamkeit einer Arznei durch die Mischung mehrerer Arzneistoffe oder verschiedener Heilpflanzen zu verbessern. Eine solche Mischung war Nepenthes, von der man heute annimmt, dass sie opiumhaltig war. In der Odyssee berichtet Homer (8. Jh. v. Chr.), dass Helena den jungen Telemach auf seiner verzweifelten Suche nach seinem Vater Odysseus durch einen Trank des Vergessens trösten wollte. Dieser "Nepenthes" genannte Trank ist wohl die älteste Quelle für eine – neben Wein und anderen stark wirksamen Stoffen – aller Wahrscheinlichkeit Opium enthaltende Rezeptur; dafür sprechen der Name (ne = Verneinung und penthos = Pein) und die Beschreibung durch Homer in der Odyssee:
"Kostet einer des Weins, mit dieser Würze gemischt, dann benetze den ganzen Tag ihm keine Träne die Wangen, wär ihm auch sein Vater und seine Mutter gestorben, würde vor ihm sein Bruder und sein geliebtester Sohn auch mit dem Schwerte getötet, dass seine Augen es sähen. Siehe, so heilsam war die künstlich bereitete Würze, welche Helenen einst die Gemahlin Thons, Polydamna, in Ägypten geschenkt. Dort bringt die Erde mancherlei Säfte hervor, zu guter und schädlicher Mischung" (zitiert nach [13]).
Mithridat
Diese Schilderung der Wirkungen mit der Erzeugung einer so extremen Gleichgültigkeit lassen kaum Zweifel aufkommen, dass Nepenthes tatsächlich Opium enthalten hat. Viele Herrscher früherer Zeiten haben unliebsame Zeitgenossen, einschließlich Mitglieder ihrer Familien, durch Gift beseitigen lassen. Die Folge war, dass sie selbst größte Angst hatten, ebenfalls durch Gift umgebracht zu werden. Gegengifte – auch als Mittel gegen den Biss giftiger Tiere – erfreuten sich daher höchster Wertschätzung, und ein solches Mittel war das Mithridat. Dieses Antidot war benannt nach nach dem König von Pontus, Mithridates VI. (um 132 – 63 v. Chr.), und soll aus einem Gemisch von etwa 40 bis 50 Substanzen bestanden haben, insbesondere mit den damals üblichen Giften, wie z. B. Mandragora, Bilsenkraut, Opium, Arsenik und Schlangengift.
Mithridates soll es über Jahre täglich zu sich genommen haben, um sich an die Gifte zu gewöhnen. Die Wirksamkeit und die geeignete Dosierung hat er durch Versuche an zum Tode verurteilten Verbrechern oder an Sklaven vorher ausprobiert. Nachdem sich das Kriegsglück bei diesem anfangs erfolgreichen Feldherrn schließlich gegen ihn gewandt hatte, soll er vergeblich versucht haben, seinem Leben durch Gift ein Ende zu setzen; seine Giftgewöhnung war angeblich so groß, dass sein Leibsklave ihn in letzter Stunde mit dem Schwert durchbohren musste.
Theriak
Der Sieger über Mithridates, der Feldherr Pompeius, nahm das Rezept für dieses Antidot mit nach Rom; dort beschäftigte sich später Andromachus, Leibarzt von Kaiser Nero, mit dieser Rezeptur. Er erhöhte die Zahl der Ingredienzen auf 64, verfünffachte den Opiumanteil, sodass dieser bei ca. 30% lag, und fügte Vipernfleisch hinzu. Seinen endgültigen Siegeszug, nicht nur als Antidot, sondern als Universalheilmittel, trat dieses Theriak genannte Gemisch an, nachdem auch Galen (129 – 199 n. Chr.), hochangesehener Arzt der Aristokratie in Rom und Leibarzt von Kaiser Mark Aurel, zum eifrigen Verfechter einer Anwendung von Theriak geworden war. Der Erfolg des Theriaks, wahrscheinlich aufgrund des hohen Opiumgehalts, war so außerordentlich, dass Theriak die Jahrhunderte überdauerte und noch im Deutschen Arzneibuch von 1872 (DAB 1) aufgeführt war.
Opium im Mittelalter
Mit dem Eindringen des Christentums in die römische Welt und mit seiner Lehre, dass Krankheiten und Schmerz als göttliche Fügung zu betrachten seien und primär nicht durch Heilmittel, sondern durch Gebet und tugendhafte Lebensweise bekämpft werden müssten, verlor die Droge Opium stark an Bedeutung.
Im Gegensatz zum christlichen Abendland nahm hingegen die Verwendung und Bedeutung von Opium im Orient, insbesondere in den islamischen Ländern, zu. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass sich durch das Verbot einer weniger gefährlichen Droge, des Weins, der Opiumgenuss umso mehr ausbreitete.
Erst mit dem Ende der Kreuzzüge wurde durch Bekanntwerden der arabischen Medizin das Wissen um Opium nach Europa reimportiert und das Interesse erneut geweckt. Diese für das Abendland phantastische Welt des Orients war für die damalige Zeit außerordentlich interessant und hat ihren Niederschlag auch in der Malerei gefunden.
Opium in der Neuzeit
Einer der einflussreichsten Ärzte zu Beginn der Neuzeit war Theophrastus Paracelsus (1493 – 1541). Er war entscheidend an der Wiedereinführung von Opium in den europäischen Arzneischatz beteiligt. Er selbst bezeichnete es als den Stein der Unsterblichkeit und verwendete ein Geheimmittel, von dem man später erfuhr, dass es hauptsächlich aus Opium bestand, und von dem er behauptete, dass es den Schmerz auslöscht, wie das Wasser das Feuer. Später nannte er es "Laudanum": "Ich habe ein Arcanum, heiß ich Laudanum, ist über alles, wo es zum Tode weichen will."
Übrigens war Paracelsus ein Gegner der narkotisierend wirkenden Nachtschattengewächse, sodass im 17. Jh. die Verwendung von Bilsenkraut, Stechapfel, Tollkirsche und Mandragora zurückging. Schon Paracelsus lehnte die unüberschaubaren Rezepte vom Typ des Theriak mit mehr als 50 Ingredienzien ab; seine Rezepturen enthalten nur noch etwa zehn Teile, von denen aus heutiger Sicht praktisch nur das Opium wirksam war.
Noch ein Schritt weiter ging dann der einflussreiche englische Arzt Thomas Sydenham (1624 – 1689) – ein ebenso überzeugter Anhänger des Opiums wie Paracelsus – mit seinem Laudanum (zwei Unzen Opium mit einem Pfund Malagawein, in dem je eine Unze Safran, Zimt- und Nelkenpulver digeriert worden waren, gemischt). Die Tinktur, die später außer Opium nur noch Safran (Crocus) als einzigen Zusatz enthielt, hat sich als Tinctura Opii crocata im Deutschen Arzneibuch (DAB 6) bis in das Jahr 1968 gehalten.
Als Friedrich Wilhelm Sertürner (1783 – 1841) um 1804 das Morphin als wirksames Agens aus dem Mohn isolierte, schuf er damit die Voraussetzung für eine exakte Dosierbarkeit. In den folgenden Jahren gelang es, aus dem Opium eine Reihe weiterer medizinisch wichtiger Alkaloide wie das husten- und schmerzstillende Codein, das ebenfalls hustenstillende Narcotin und das krampflösende Papaverin zu isolieren und in ihrer chemischen Struktur aufzuklären; insgesamt hat man bisher 44 verschiedene Opiumalkaloide isoliert [2].
Durch die genaue Kenntnis der chemischen Struktur dienten schließlich die Opiumalkaloide als Vorbild für eine große Anzahl von heute verwendeten synthetischen Arzneistoffen, deren therapeutischer Vorteil darin liegt, dass sie selektiv an einzelnen Subtypen des Opioidrezeptors angreifen und deshalb spezifischer wirken.
Die Opiumsucht
Trotz der frühen und umfangreichen Verwendung von Opium ist das Problem der Sucht erst spät erkannt worden. Das mag damit zusammenhängen, dass Opium anfangs nicht in reiner Form, sondern verdünnt in Arzneimischungen zusammen mit einer Vielzahl weiterer Substanzen (wie z. B. im Theriak) oder oft auch zusammen mit Alkohol (meist als Laudanum) zur Anwendung kam und dadurch die Gefahr einer Suchtwirkung wesentlich geringer war als bei dem späteren Gebrauch von reinem Morphin. Darüber hinaus war anfangs der Begriff Sucht mit seinen Charakteristika und Folgeerscheinungen, wie wir ihn heute kennen, unbekannt.
Vielleicht den ersten Hinweis auf eine Sucht finden wir in einer Beschreibung bei Galen über das Verhalten des römischen Kaisers Mark Aurel (121 – 180 n. Chr.). Wegen der den Kaiser schläfrig machenden Wirkung des täglich als prophylaktisches Antidot gegen potenzielle Vergiftungen eingenommenen Theriaks hatte Galen den Opiumanteil aus dem Theriak abgetrennt – allerdings mit dem Erfolg, dass Mark Aurel trotz der müde machenden Wirkung auf Verabreichung der alten Rezeptur bestand.
Eine erhebliche Rolle hat der Opiumgenuss viel später bei den Literaten gespielt, insbesondere in England [8]. Viele haben das Opium als bewusstseinserweiternd und phantasieanregend beschrieben; nicht wenige sind dann auch Opfer einer Opiumsucht geworden. Die Liste dieser Literaten ist lang; zu ihnen gehören: Thomas Shadwell (1642 – 1692), George Crabbe (vor seinem Beruf als Geistlicher und Schriftsteller Ausbildung zum Apotheker; 1754 – 1832), Taylor Coleridge (1772 – 1834; Verfasser des 1816 veröffentlichten Gedichts "Kubla Khan – A Vision in a Dream", das er nach seinen eigenen Angaben in einer Art Opiumtrance mit großer Leichtigkeit niedergeschrieben hat [15]), Sir Walter Scott (1772 – 1831), Percy Shelley (1792 bis 1822), John Keats (Dichter und Arzt, 1795 – 1821), Elizabeth Barret Browning (1806 – 1861), Charles Dickens (1812 – 1870) mit seiner Erzählung "The Mystery of Edwin Drood" [5], Wilkie Collins (1824 – 1899), Robert Louis Stevenson (1850 – 1894), Francis Thompson (nicht abgeschlossenes Medizinstudium; 1859 – 1907) und der Amerikaner Edgar Allen Poe (1809 – 1849).
Besondere Erwähnung in diesem Zusammenhang verdient Thomas de Quincey (1785 – 1859), der mit seinem Buch "The Confessions of an English Opium Eater" freimütig seine Abhängigkeit vom Opium und die mit dieser Sucht verbundenen Leiden und Qualen beschreibt und dennoch Opium als Mittel unvorstellbarer Freuden preist und verteidigt [24]. Das Buch, das erstmals 1921 erschien und große Verbreitung mit mehreren Auflagen fand, hat seinerzeit einen außergewöhnlichen Einfluss auf die englische Gesellschaft ausgeübt; in den Sechzigerjahren ist es in England verfilmt worden.
"Alles, was wir im Leben tun, sogar die Liebe, findet statt in einem Expresszug, der dem Tod entgegen rast. Opiumrauchen bedeutet, aus diesem Zug auszusteigen, während er weiterfährt. Es bedeutet, sich mit etwas anderem zu beschäftigen als Leben oder Tod." Jean Cocteau, Beschreibung von Werken der bildenden Kunst, in denen sich der Mohn speziell als Heilpflanze symbolisch widerspiegelt. |
Ähnlich wie Quincey in England haben Mitglieder des "Club des Hachichins" in Frankreich neben den Freuden und Leiden des Genusses von Haschisch auch die Freuden und Leiden der Opiumsucht aus eigener Erfahrung beschrieben, wie z. B. Théophile Gautier (1811 – 1872) mit "La Pipe d'Opium" (1838), Guillaume Apollinaire (1880 – 1918) und besonders Charles Baudelaire (1821 – 1867) mit seiner Erzählung "Les Paradis artificiels" (1851) und seiner Gedichtsammlung "Les Fleurs du Mal" (1857). Diesem vornehmlich aus Literaten bestehenden Klub gehörten als bildende Künstler Eugène Delacroix (1798 – 1863) und Honoré Daumier (1808 – 1879) an [11].
1930 veröffentlichte Jean Cocteau (1889 – 1963) ein Tagebuch über seine Eindrücke während einer mehr als einjährigen Entziehungskur in einer französischen Klinik: "Opium – Journal d'une désintoxication" (Opium – Tagebuch einer Entziehungskur) [6]. Er beschreibt die Qualen und Leiden einer solchen Entwöhnung, die offensichtlich bei ihm erfolgreich war. Und dennoch trauert er anschließend dem Opiumgenuss als einem "verlorenen Paradies" nach und "dass es hart ist zu wissen, dass es einen fliegenden Teppich gibt und dass man nicht mehr auf ihm dahinfliegen wird". Besonders eindrucksvoll sind die von ihm im Text verstreuten Zeichnungen, die er selbst als "so etwas wie hingedehnte Schmerzensschreie" bezeichnet.
Schließlich seien auch einige Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum genannt: Novalis (Friedrich v. Hardenberg; 1772 – 1801) mit seinem "Hymnus an die Nacht", Ernst Theodor Hoffmann (1776 bis 1822), Heinrich Heine (1797 – 1856), Georg Trakl (Lyriker und Apotheker; 1887 – 1914), Gottfried Benn (Dichter und Arzt, 1886 – 1956) und Hans Fallada (1893 – 1947) [13].
Mohn und die Götter der Nacht
Eine Reihe von symbolischen Aussagen in der bildenden Kunst stehen in direktem Zusammenhang mit den bekannten Wirkungen des Mohns bzw. des Opiums. Dazu gehören insbesondere der Schlaf, der Traum, das Vergessen, der Trost und der Tod. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Mohn auf Bildern im Zusammenhang mit entsprechenden Gottheiten, insbesondere auf Bildern der antiken Götterfamilie Nyx (Göttin der Nacht) mit ihren Söhnen Thanatos (Gott des Todes) und Hypnos (Gott des Schlafes) und dessen Sohn Morpheus (Gott der Träume), symbolische Verwendung findet. Oft kommt auf diesen Bildern nicht die Mohnpflanze oder Mohnblüte zur Abbildung, sondern die Mohnkapsel, aus der das Opium gewonnen wird [18].
Thema "Mohn"Zum Thema "Mohn in der Literatur" gibt es u. a. bereits ein kleines Buch mit einer Auswahl von diesbezüglichen Gedichten [17]; auch die "Kulturgeschichte des Opium" ist umfassend abgehandelt worden [26]. Eine vornehmlich der angewandten Kunst gewidmete Ausstellung zum Thema "Mohn" wurde in einem zugehörigen Ausstellungskatalog dokumentiert [4]. Noch gibt es jedoch keine zusammenfassende Beschreibung von Werken der bildenden Kunst, in denen sich der Mohn speziell als Heilpflanze symbolisch widerspiegelt. |
In seinen "Metamorphosen" beschreibt Ovid den Wohnsitz von Hypnos (lat. Somnus) als eine Höhle, an deren Eingang Mohn und viele andere Kräuter wachsen, aus denen Nyx, die Göttin der Nacht, ihren Schlaftrunk bereitet. Übrigens liegt diese Höhle nach Ovid in der Nähe von Lethe, dem Fluss oder der Quelle des Vergessens in der Unterwelt. Vermutlich wollte die antike Mythologie den Schrecken des Todes durch die Nähe zu Hypnos mildern, der den Menschen süße Ruhe und Vergessen bringt, Mühe und Sorgen vergessen lässt und sie schmerzlos in den Tod hinüberzuleiten vermag.
Interessant ist Mohn auch als Attribut der griechischen Göttin Demeter (röm. Ceres) mit einer doppelten symbolischen Bedeutung. Einmal galt die auffallend hohe Zahl von Samen in einer Mohnkapsel, die von jeher bis heute als Nahrungsmittel verwendet werden, als Symbol für die Fruchtbarkeit; gleichzeitig hat der Mohn aber auch hier etwas mit dem tröstlichen Vergessen und der Unterwelt zu tun. Nach der Sage hatte nämlich Hades, der Gott der Unterwelt, Demeters Tochter Persephone in sein Reich entführt, worauf sie in ihrem übergroßem Kummer von Zeus Mohn erhalten hatte, um damit ihren Schmerz zu betäuben und zu vergessen.
Mohn und die Passion Christi
Ein im Innern der Mohnblüte erkennbares Kreuz und die auffallend rote Farbe der Blüte sind die Ursache dafür, dass Mohn in der christlichen Ikonographie als Symbol für das Kreuz und die Passion Christi gilt. Auch das häufige gemeinsame Vorkommen von Mohn mit Getreide in einem Kornfeld findet eine christliche symbolische Deutung, nämlich als Sinnbild für das heilige Abendmahl mit dem Leib (Korn) und Blut (Mohn) Christi [16]. Zusätzlich ist der Mohn in der christlichen Ikonographie immer auch als Symbol für den Tod Christi zu verstehen.
Schließlich hat die rote Farbe und die auffallend kurze Dauer der Blüte Künstler zur symbolischen Verwendung von Mohn inspiriert. Nach Theokrit ist der Mohn den Tränen der Aphrodite entsprungen, als sie um den Verlust ihres Geliebten Adonis weinte. So ist der rote schnell verblühende Mohn z. B. ein Ausdruck für unglückliche Liebe; die rote Mohnblume soll daher nicht ins Haus geholt werden, da sie Liebesleid bringt [19]. Mehr Glück in der Liebe bringt manchmal, wenn auch nur kurzzeitig, der Schlafmohn: In einem russischen Märchen findet ein Liebespaar in einer Mohnblüte Schutz vor der Realität.
Wahrscheinlich fußt auf der roten Farbe des Klatschmohns der Aberglauben, wonach das Blut der Gefallenen verantwortlich sei für das oft beobachtete Vorkommen von rotblühendem Mohn auf ehemaligen Schlachtfeldern; noch heute gedenkt man in England verlustreicher Kämpfe in Flandern im Ersten Weltkrieg durch Anstecken einer roten Mohnblüte an einem bestimmten Tag im Jahr [3].
Danksagung:
Ich danke Frau Dr. Gabriele Himmelmann, Kunsthalle Hamburg, für wertvolle Hinweise.
Unter der Thematik "Heilpflanzen in der bildenden Kunst" veröffentlichte der Autor bereits einen Aufsatz über das Maiglöckchen in Deutsche Apotheker Zeitung 140, 2056 (2000)
Literatur [1] Beck, Herbert: Bildwerke des Klassizismus, Liebieghaus - Museum alter Plastik/Führer durch die Sammlung. Frankfurt am Main 1985.
[2] Bernáth, Jenö (Hrsg.): Poppy, the Genus Papaver. Amsterdam 1998.
[3] Beuchert, Marianne: Symbolik der Pflanzen. Frankfurt am Main 1996.
[4] Blum-Spiecker, Helene: Mohn - Mythos, Symbol, Gestalt. Ausstellung Museum Zons, 1999.
[5] Booth, Martin: Opium - A History. London 1996.
[6] Cocteau, Jean: Opium. Journal d'une désintoxication (dtsch. Übers.), Frankfurt am Main 1998.
[7] Cowen, Davin L., und William H. Helfand: Die Geschichte der Pharmazie in Kunst und Kultur. Köln 1990.
[8] Hayter, Alethea: Opium and the Romantic Imagination. Berkeley and Los Angeles/CA 1970.
[9] Heide, Rüdiger an der: Christian Mischke - Werkverzeichnis der Radierungen 1975 - 1986. München 1986.
[10] Herzhoff, Bernhard: Kriegerhaupt und Mohnblume – ein verkanntes Homergleichnis. Hermes 122, 385 – 403 (1994).
[11] Hodgson, Barbara: Opium – A Portrait of the heavenly Demon. San Francisco/CA 1999.
[12] Körber Grohne, Udelgard: Nutzpflanzen in Deutschland – Kulturgeschichte und Biologie, 3. Aufl. Stuttgart 1987.
[13] Kreutel, Margit: Die Opiumsucht. Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie, Bd. 41. Stuttgart 1988.
[14] Kritikos, Pan. G., und S. P. Papadaki: The history of the poppy and of opium and their expansion in antiquity in Eastern Mediterranean area. Bulletin of narcotics 19, Heft 3 – 4 (1997).
[15] Lefebure, Molly: Samuel Taylor Coleridge – A Bondage of Opium. London 1974.
[16] Levi D’Ancona, Mirella: The Garden of Renaissance – Botanical Symbolism in Italian Painting. Florenz 1977.
[17] Linder, Gisela: Roter Mohn. Frankfurt am Main 1998.
[18] Lochin, Catherine: Somnus (Hypnos), in: Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae, Vol. V/1, S.591 – 609 (Text) u. Vol. V/2, S. 404 u. 416 (Abb.). Zürich/München 1990.
[19] Lurker, Manfred: Wörterbuch der Symbolik. Stuttgart 1991.
[20] Majno, Guido: The Healing Hand: Man and Woman in the Ancient World. Cambridge/Mass. 1975.
[21] Marzell, Heinrich: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen, 3. Bd. Stuttgart/Wiesbaden 1977.
[22] Mathieu, Stella Wega: Philipp Otto Runge – Leben und Werk in Daten und Bildern. Frankfurt am Main 1977.
[23] Nadler; zitiert in Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau 1991, S. 410.
[24] Quincey, Thomas de: Confessions of an English Opium Eater. Edinburgh 1862.
[25] Ripa, Cesare: Iconologia – Occidente (The West); zitiert in Segal, Sam: Flowers and nature – Netherlandish flower painting of four centuries. Amstelveen 1990.
[26] Seefelder, Matthias: Opium – Eine Kulturgeschichte. Landsberg 1996.
[27] Vogeler, Heinrich: Illustration zu Dornröschen. Pan 2, Heft 4, 277 (1896).
[28] Zekert, Otto: Opiologia. Wien 1956.
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