- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 50/2003
- Hamburg: Ein Tag am ...
DAZ aktuell
Hamburg: Ein Tag am Institut für Pharmazie
Wie in allen pharmazeutischen Instituten Deutschlands beginnt der Tag früh. Viertel vor acht, Anrufbeantworter abhören, E-Mails kurz lesen, Wichtiges sofort beantworten, Vorlesungsunterlagen noch einmal durchgehen, konzentrieren, um Viertel nach Acht Beginn der ersten Veranstaltung: Chemie für Pharmazeuten, eine sinnvolle Veranstaltung, denn die Studenten erfahren bereits im 1. Semester etwas von Zusammenhängen in der Chemie, die auch für die Pharmazie von immenser Bedeutung sind.
Die Säure-Base Eigenschaften werden nicht nur allgemein besprochen, sondern die Studierenden erfahren auch etwas über die Säure-Base Eigenschaften von Körperflüssigkeiten oder z. B. über anorganische Antacida.
Die Vorlesung ist wie immer gut besucht (95 - 100%), der Seminarraum ist ausreichend groß, niemand sitzt auf dem Fußboden, den Fensterbänken oder Tischen. Hier spürt man nichts von der modernen Massenuniversität, die Arbeitsatmosphäre ist ruhig, jeder der Studierenden hat die Gewissheit, in diesem Semester alles das machen zu können, was im Studienplan für sie oder ihn vorgesehen ist.
Die Gewissheit erlangen die Studierenden schon am ersten Tag ihres Studiums, denn nach der Begrüßung bekommen alle einen Stundenplan, der die Veranstaltungen aus dem Studienplan enthält und in einen Wochenplan umsetzt. Dies ist die Voraussetzung für ein strukturiertes Studium, das besonders im Augenblick von den Politikern so vehement gefordert wird, aber in der Pharmazie schon seit mehr als dreißig Jahren die alltägliche Praxis darstellt.
Dabei ist dies völlig unabhängig vom Studienort und der Studentenzahl. Es funktioniert in Berlin mit ca. 1000 Studenten genauso gut wie in Hamburg mit ca. 350 angehenden Apothekern.
10.00 Uhr: Der Dozent und die Studierenden gehen jetzt getrennte Wege, denn alle haben eine voll gepackte Woche vor sich. Die Studierenden eilen zur nächsten theoretischen Veranstaltung mit einem weiteren wichtigen Thema in diesem Studienabschnitt.
Die Vormittage sind üblicherweise mit Vorlesungen und Seminaren versehen, an den Nachmittagen laufen verschiedene Praktika. Die Zeit zum Mittagessen oder der Nacharbeitung des Gehörten ist kurz, die Abende oder die Wochenenden bieten hier das einzige Zeitfenster. Vierzig Stunden in der Woche sind für Studierende der Pharmazie keine Seltenheit.
Alles dies hört sich anstrengend und anspruchsvoll an und ist es auch nach der Aussage einer großen Anzahl von Studierenden, aber es bietet die Gewähr das Studium auch nach den vorgesehenen acht Semestern zu schaffen, was einer hohen Anzahl auch wirklich gelingt (ca. 80% der Anfänger, durchschnittliche Studiendauer aller Pharmazeuten in Hamburg 8,4 Semester).
Der Dozent sucht sein Büro auf und nimmt nicht selten die nächsten Unterlagen, um eine weitere Lehrveranstaltung abzuhalten, teilweise geht es auch ins Praktikum um dort nach dem rechten zu sehen. Dann sind aber noch die Mitarbeiter, die wissen möchten, ob wir bei der knappen Finanzlage die Substanz für 400 Euro noch bestellt werden kann.
Dann folgen Gespräche mit Mitarbeitern über die nächste Präsentation z. B. beim Kongress der Society of Free Radical Research. Es ist Mittag, ach ja, gleich ist Promotionsprüfung, danach zwei Wiederholungen für das Staatsexamen und die Sitzung des Institutsrates ist auf 17.00 Uhr angesetzt. Um 19.30 Uhr wird der Computer ausgeschaltet, ein letztes Mal die E-Mails überprüft.
Der Tag war effizient, so wie das Semester und das gesamte Studium effizient sind, vielleicht das einzige Studium, welches in dieser Art an der Universität Hamburg durchgeführt wird.
Nun könnte der Wissenschaftssenator hergehen und sagen: Ein strukturiertes Studium gibt es nicht nur in den USA oder unter Einsatz von viel Geld an Privatuniversitäten, sondern er könnte allen ein Beispiel für ein Studium mit exzellenter Betreuung auch an der Hamburger Universität zeigen, aber das Kuriose daran ist, dass er das bald nicht mehr zeigen kann, denn genau dieser Studiengang mit kurzer Verweildauer an der Universität (8,4 Semester), einer hohen Attraktivität (ca. 4 Bewerber pro Studienplatz), einer geringen Abbrecherquote (ca. 10%), einer hohen Effektivität (70 Examina bei 78 Erstsemestern pro Jahr) soll geschlossen werden.
Aber wie passt das zusammen mit der Forderung, dass die Naturwissenschaften nach Aussage aller Bildungspolitiker und besonders eines umfassenden Gutachtens in Hamburg (das sog. Dohnanyi-Papier - Der Zukunftspakt für Qualität und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg) gestärkt werden sollen?
Hier handelt es sich um zukunftsträchtige Studiengänge, die auch besonders stark nachgefragt werden und die auch in Zukunft gute Berufsaussichten haben.
Der Grund ist nach Aussage des Präsidenten der Universität Hamburg wie immer das Geld, der Studiengang der Pharmazie an der Universität Hamburg kostet ca. 3 Millionen Euro/Jahr und ist im Gegensatz zu den Geisteswissenschaften vergleichsweise teuer.
Aus diesem Dilemma gibt es eigentlich nur einen Weg: Um die Exzellenz und Vielfalt an der Hamburger Universität aufrecht zu erhalten, müssen Mittel und Wege gefunden werden, dieses Geld zu beschaffen.
Vielleicht ist die Zusammenarbeit von Wirtschaft, Staat, Stiftungen und Eigenverantwortung von Dozenten und Studierenden ein gangbarer Weg, um für die Zukunft intelligente Lösungen zu finden und damit den Wissenschafts- und Ausbildungsstandort Hamburg und letztlich ganz Deutschland zu erhalten.
Brief und Mail-Adresse: Prof. Dr. Hans-Jürgen Duchstein, Institut für Pharmazie, Universität Hamburg, Bundesstr. 45, 20146 Hamburg, Tel. (0 40) 4 28 38-34 87, Fax (0 40) 4 28 38-65 73, E-Mail: duchstein@chemie.uni-hamburg.de
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.