Arzneistoffporträt

E. RauHalsschmerzen – eine Indikation für Phy

Halsschmerzen und Schluckbeschwerden sind ein für die Selbstmedikation relevantes Symptom, denn es weist häufig auf einen beginnenden Infekt der Tonsillen, Nase, Nasennebenhöhlen oder Bronchien hin. Viele Patienten suchen rechtzeitig Rat in der Apotheke und dürfen dort eine kompetente Beratung erwarten. Unter den indizierten rezeptfreien Präparaten, die der Apotheker empfehlen kann, haben pflanzliche Arzneimittel einen hohen Stellenwert. Ihre Wirksamkeit und Sicherheit stützt sich nicht nur auf die Erfahrung, sondern auch auf wissenschaftliche Studien.

Was ist State of the art?

Die fast schon als tradiert zu bezeichnende Behandlung der Tonsillitis mit Antibiotika ungeachtet des Erregerspektrums weicht einem zunehmend differenzierenden Vorgehen. Publikationen in hochrangigen Zeitschriften beschäftigen sich immer mehr mit dieser Thematik, zeigt sich doch deutlich die Notwendigkeit einer breiten Diskussion. Nachstehend sei ein typisches Praxisbeispiel zitiert:

Ein Arzt für Allgemeinmedizin einer bayerischen Kleinstadt, der an unserem Evidence-based-medicine-Kurs teilnahm, stellte die Frage, ob es als Kunstfehler zu werten wäre, wenn er dem Anliegen einer Mutter nachkäme, bei einem Sechsjährigen mit nachgewiesener Streptokokkenpharyngitis auf die Durchführung einer antibiotischen Therapie wegen des Risikos allergischer Reaktionen (und möglicher Resistenzentwicklungen) zu verzichten [4].

Weshalb eine systematische Erforschung der Tonsillitis-Behandlung vor diesem Hintergrund absolut notwendig ist, ergab eine von Porzsolt und Mitarbeitern durchgeführte Literaturrecherche (s. Kasten). Die darin geäußerte Erkenntnis mutet zunächst überraschend, um nicht zu sagen unglaubwürdig an; sie spiegelt aber aktuelle Ergebnisse prospektiver Studien jüngster Zeit wider.

Antibiose im Zwielicht

Zur Antibiose bei Halsschmerzen sind u.a. drei aktuelle Untersuchungen durchgeführt worden:

  • In einer Übersichtsarbeit von Bisno wird schlüssig dargelegt, dass die überwiegende Zahl an Patienten mit dem Leitsymptom Halsschmerzen keine Antibiose benötigt, da die Erkrankung in den allermeisten Fällen viral bedingt ist [1].

  • In einer weiteren Studie wurde festgestellt, dass in angelsächsischen Ländern wegen Halsentzündungen bis zu 80% der Patienten Antibiotika erhalten. Wegen der zunehmenden Antibiotikaresistenzen und der Erkenntnis, dass die Verschreibung von Antibiotika bei Patienten das Gefühl einer schweren Erkrankung fördert, hatten die Autoren eine Art Check-Liste für die Durchführung einer Antibiose erarbeitet.

    Bei deren Befolgung sank der Antibiotika-Bedarf von anfänglich 56% auf nur noch 19%. Auf die Krankheitsdauer und Behandlungszufriedenheit der Patienten hatte die antibiotikafreie Therapie keinerlei negative Auswirkungen [2].

  • In einer großen Studie konnte gezeigt werden, dass in den USA 73% aller Patienten mit Rachenentzündung Antibiotika erhalten, wobei in 68% der Fälle Antibiotika mit viel zu breitem Wirkspektrum verordnet werden. Denn nur bei 5 bis 17% der Patienten sind beta-hämolysierende Streptokokken vorhanden [3].

Pflanzliche Alternativen

Ein auf Naturstoffen beruhendes Therapiekonzept grenzt sich ab von einem nur symptomatisch-palliativen Vorgehen. Dieses lindert zwar die anginatypischen Symptome, hat aber keinerlei Einfluss auf die Virulenz und Progredienz der akuten Tonsillitis geschweige denn auf die Rezidivhäufigkeit. Gerade dieser Aspekt stellt sich auch aus ökonomischen Gründen als besonders brisant dar.

Demgegenüber besitzt eine immunmodulatorisch wirkende Therapie mit Naturstoffen bei der akuten Tonsillitis erheblichen Mehrwert. Neben der lokalen Wirkung auf den Waldeyerschen Rachenring und der systemischen Wirkung auf die immunkompetenten Systeme senkt sie eindeutig die Progredienz und Rezidivhäufigkeit. Es kommt weder zur Entwicklung von Resistenzen noch zu allergischen Reaktionen.

Prämisse ist, dass die Qualität der eingesetzten Naturstoffe sowohl experimentell als auch klinisch gesichert sind. Der Indikationsanspruch wird durch die nachgewiesene Wirksamkeit belegt, die therapeutische Zweckmäßigkeit durch den Nutzen-Risiko-Vergleich mit den bislang üblichen Therapiestrategien.

Am Beispiel des Arzneimittels Tonsillitis PMD* sollen im Folgenden die Kriterien Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und therapeutische Zweckmäßigkeit nachvollziehbar dargestellt werden.

Bewährte Arzneipflanzen

Naturstoffe aus Pflanzen und Pflanzenteilen werden sowohl in der Phytotherapie als auch in der Homöopathie eingesetzt. Oft haben Pflanzen, die in der Phytotherapie weniger gebräuchlich sind (z. B. Baptisia tinctoria, Calendula officinalis, Thuja occidentalis), in der Homöopathie einen hohen Stellenwert. Wenn sie aber als Urtinktur oder in niedrigen Verdünnungen (= Potenzen) eingesetzt verwendet werden, erscheint hier die Bezeichnung einer "Low-dose-Phytotherapie" sinnvoll.

So werden neben Echinacea als Prototyp einer immunmodulatorisch wirkenden Arzneipflanze zahlreiche pflanzliche Homöopathika eingesetzt werden, die über ein vergleichbares Wirkprinzip verfügen. Das gilt auch für die im Prüfpräparat in einer fixen Kombination enthaltenen Arzneidrogen

  • Capsicum (Capsicum annuum),
  • Guajacum (Guaiacum officinale) und
  • Phytolacca (Phytolacca americana).

Phytochemischen und phytopharmakologischen Untersuchungen zufolge besitzen alle drei Arzneidrogen antiphlogistische und analgetische sowie immunmodulatorische und virustatische Eigenschaften (= Wirkungen). Aus Sicht der rationalen Phytotherapie eignen sie sich daher zur Behandlung der anginatypischen Symptome.

Die drei Arzneipflanzen sind im HAB 2003 monographiert; zu ihrer Anwendung liegen Positivmonographien der Arzneimittelkommission D vor. Ihre Anwendung in der Homöopathie gemäß Arzneimittelbild leitet sich zwar von einem Erkenntnisweg ab, der mit dem der rationalen Phytotherapie nicht übereinstimmt; der Erkenntnisgewinn ist aber übereinstimmend. Insofern lassen sich beide Erkenntniswege kombinieren, wie es Leeser in seinem mehrbändigen Werk eindrucksvoll belegt [7].

Methodik der Studien

Mit dem Prüfpräparat wurden mehrere Studien mit einer einheitlichen Methodik an unterschiedlichen Patientenpopulationen durchgeführt. Neben Wirksamkeit und Unbedenklichkeit wurde auch die therapeutische Zweckmäßigkeit dokumentiert.

Hauptzielkriterium und zugleich Eingangskriterium waren Schluckbeschwerden und Halsschmerzen bei den Erwachsenen bzw. Rachen- und Tonsillenrötung (auch mit Nahrungsverweigerung) als Infektzeichen bei Kindern.

Nebenzielkriterien waren Abgeschlagenheitsgefühl, Kopfschmerzen und Druckschmerzen im Hals.

Als weitere anginatypischen Symptome wurden die Schwellung und Rötung der Tonsillen, Stippchenbildung sowie vergrößerte Lymphknoten am Hals erfasst.

Nicht aufgenommen werden durften Patienten, die auf eine antiphlogistische bzw. analgetische Therapie eingestellt waren. Patienten, die wegen einer schweren Erkrankung antibiotisch behandelt werden mussten, wurden ausgeschlossen.

Studienergebnisse

Eine erste Studie (1996) wurde an 107 Patienten im Durchschnittsalter von 21,5 Jahren durchgeführt, die an einer klinisch gesicherten Angina tonsillaris erkrankt waren. Dabei zeigte sich innerhalb der ersten drei Tage ein deutlicher Rückgang der anginatypischen Symptomatik. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren 90% der Patienten nahezu beschwerdefrei [9].

In einer zweiten Studie wurde das Prüfpräparat monozentrisch an 87 Kindern mit einer akuten Mandelentzündung geprüft [8]. Der jüngste Patient war 1 Jahr, der älteste 14 Jahre alt, das Durchschnittsalter lag bei 6 Jahren. Auch bei dieser Studie kam es zu einem raschen Abklingen der Akut-Symptomatik innerhalb von drei Tagen.

Während in Studie 1 jüngere Erwachsene und in Studie 2 Kinder aller Altersgruppen erfasst wurden, war Studie 3 multizentrisch angelegt, um eine möglichst weite Patientenpopulation zu rekrutieren.

Es wurden 48 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 31,4 Jahren aufgenommen. Auch hier kam es zu einem schnellen Abklingen der Akut-Symptomatik. Tendenziell wurde ein Zeitraum bis zu 5 Tagen angegeben [5].

Über relevante unerwünschte Wirkungen wurde in keiner der drei Studien berichtet; nur in Studie 1 vermerkte der Prüfarzt die Patientenangabe eines Brenngefühls bei der Arzneieinnahme, das unmittelbar danach abklang. Ursache dürfte das in Capsicum enthaltene Capsaicin sein, das bekanntermaßen im Fortgang schmerzlindernd wirkt.

Zusammenfassend zeigt sich, dass bei der Therapie mit dem Prüfpräparat

  • die akute Symptomatik rasch abklingt (Wirksamkeit) und
  • weder Komplikationen noch allergische oder andere unerwünschte Ereignisse auftreten (Sicherheit).

Fazit für die Beratung

Bei kritischer Würdigung der aktuellen Diskussion über eine sinnhafte Behandlung der akuten Tonsillitis rückt die Antibiose immer mehr in die zweite Linie. Evidenz-basierte Untersuchungen zeigen, dass durch eine restriktive Antibiotikatherapie der Patient weder Vorteile in der Akutbehandlung noch Nachteile in Bezug auf postinfektiöse Zustände erfährt.

Dagegen rückt die anfänglich nur empirisch begründete, inzwischen aber studiengesicherte Therapie mit (immunmodulierend) wirkenden Naturstoffen eindeutig in den Mittelpunkt.

Für die Beratungsqualität in der Apotheke ist es wesentlich, Präparate zu empfehlen, die den Kriterien der Wirksamkeit und Sicherheit entsprechen. Gleiches gilt für die arztgestützte Selbstmedikation. Obwohl die Akzeptanz von Naturstoffen beim Patienten sehr groß ist, ist die pharmazeutische Betreuung in diesem Bereich nicht zu vernachlässigen.

Fußnote

* Arzneilich wirksame Bestandteile: Capsicum Dil. D 3 75,0 mg; Guajacum Dil. D 3 75,0 mg; Phytolacca Į 50,0 mg. Hersteller: Bionorica Arzneimittel AG, Neumarkt. www.bionorica.de/download/bpz/tonsillitistabletten

Poststreptokokken-Risiko? Ergebnis einer Literaturrecherche von Porzsolt und Mitarbeitern:

"Angeregt durch eine Frage aus der Praxis haben wir versucht, wissenschaftliche Daten zu finden, die das in manchen Lehrbüchern beschriebene Poststreptokokken-Risiko bestätigen.

Diese Daten konnten wir nicht finden. Wenn demnach unsere Vermutung zutrifft, dass es diese Daten nicht gibt, würde es sich bei dem beschriebenen Problem sehr wahrscheinlich um ein "Phantomrisiko" handeln. Offensichtlich wird das Poststreptokokkeninfekt-Risiko, auf das noch in manchen Lehrbüchern hingewiesen wird, von verschiedenen Seiten kritisch betrachtet.

Die Kollegen in Oxford haben kürzlich Empfehlungen zu antibiotischen Therapien herausgegeben und aufgrund der alarmierenden Resistenzentwicklung dringend vom unkritischen Antibiotikagebrauch auch bei Streptokokkenpharyngitis abgeraten". [4]

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