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Arbeitsgruppe "Medikament und Gesundheit": Elementare Veränderung im Berufsbild
Man habe Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf, Lehrstuhl für Systematische Theologie an der Universität München, bewusst als Vorsitzenden für diese Arbeitsgruppe gewählt, da er, wie Kammerpräsident Dr. Günther Hanke bei der Vorstellung des Berichts ausführte, aufgrund seines Fachgebietes über jeden Verdacht erhaben sein dürfte, über die Arbeitsgruppe seine eigenen Reformvorschläge einbringen zu wollen.
Auf Professor Graf sei man aufmerksam geworden durch den kritischen Festvortrag auf dem Apothekertag 2002 in Berlin, mit dem Graf bereits über den Apotheker und sein öffentliches Erscheinungsbild nachdachte. Eine "gewollt plurale Zusammensetzung der Arbeitsgruppe" habe dafür gesorgt, so fügte Hanke weiter hinzu, dass es in vielen einzelnen Fragen keinen Konsens geben konnte.
Als wesentliche Leistung des Apothekers im Gesundheitswesen habe man die Rolle des Apothekers als Experten für die medikamentöse Therapie herausgestellt. Die Arbeitsgruppe riet der Landesapothekerkammer vor allem, eine nachweisbare Qualitätssicherung in allen Bereichen durchzusetzen. Dies gelte für die Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Neben der Vermittlung von fachlichen Inhalten sei das Ziel eine Stärkung der kommunikativen Kompetenz von Apothekern und Apothekerinnen. Nur so könne der Apotheker bei der Beratung von Arzt und Patient seine Rolle als Arzneimittelexperte zielführend einbringen. Außerdem, so die Arbeitsgruppe in ihrem Bericht, müsse die Beratungstätigkeit des Apothekers unabhängig von der Medikamentenabgabe honoriert werden.
Darüber hinaus sei eine stärkere Kooperation mit Ärzten zur Förderung integrierter Versorgungen unerlässlich. Apotheker- und Ärztekammer müssten in einem kontinuierlichen Informationsaustausch auch im Bereich der Fort- und Weiterbildung enger zusammenarbeiten.
Defizite in der Beratungspraxis
Professor Graf stellte auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Pharmazeutischen Tafelrunde das Ergebnis der Arbeitsgruppe unter dem Stichwort "Stuttgarter Thesen" kurz vor. Die Sicherung und Fortentwicklung der vergleichsweise hohen Qualitätsstandards im deutschen Gesundheitswesen seien für die Arbeitsgruppe zentrales Kriterium einer gebotenen Reform gewesen.
Wie wichtig die Kommunikation zwischen Apotheker und dem auf Arzneimittel angewiesenen Patienten ist, zeigt die Feststellung, dass ein Medikament nur wirken kann, wenn der Patient es auch korrekt einnimmt. Der Patient ist auf Aufklärung angewiesen, wie er das Arzneimittel einzunehmen hat.
Eine professionell kompetente Beratung durch den Apotheker schließe die Fähigkeit ein, so Graf, der besonderen Lebenssituation eines Patienten gerecht zu werden. Aber: Zurzeit lassen sich in vielen Apotheken vielfältige Defizite in der gebotenen Beratungspraxis beobachten, fand die Arbeitsgruppe heraus.
Eine besondere Rolle spielt dabei eine stärkere Verlagerung des beruflichen Selbstverständnisses vieler Apotheker hin zum Kaufmann. Auch Kunden sähen im Apotheker vorrangig einen Kaufmann, wie Umfragen erkennen ließen. So spiele im Rollenverständnis die entscheidende Gesundheitsdienstleistung des Apothekers, die kompetente Beratung der Patienten in allen Fragen der medikamentösen Therapie allenfalls eine marginale Rolle.
Graf: "Dies ist für die Institution der Einzelapotheke und die berufliche Praxis der hier tätigen Apotheker ruinös." Wenn nämlich die Aufgabe des Apothekers darauf reduziert wird, Patienten mit Medikamenten zu versorgen, dann sei es nur konsequent, aufgrund möglicher anderer kostengünstiger Versorgungsstrukturen über andere Distributionswege nachzudenken.
Über neue Definition der Berufsrolle nachdenken
Nach Graf sind die aktuellen Debatten über Internetapotheken auch durch die Fehlentwicklungen in Fremdbild und Selbstbild des Apothekers provoziert worden. Deshalb sollten Apothekerinnen und Apotheker unbedingt über eine neue Definition ihrer Berufsrolle nachdenken. Der Kaufmann und Apotheker müsse viel stärker als bisher zum beratenden Heilberufler werden.
Um dies professionell zu leisten bedürfe der Apotheker einer intensiven und professionellen Ausbildung in Gesprächsführung und reflektierter Selbstwahrnehmung. Mit dem neuen Berufsbild als beratenden Heilberufler sei es unumgänglich, eine neue Finanzierungsstruktur zu verknüpfen: "Die Beratungstätigkeit des Apothekers muss eigens honoriert werden", so Graf.
Denn auch ein pauschaler Beratungszuschlag bei Arzneimitteln widerspräche dem professionsspezifischen Mandat des Apothekers, im individuell gebotenen Fall auch von der Einnahme von Medikamenten abzuraten. So dürfte es keinerlei ökonomische Anreize geben, zum Kauf und Einnahme eines Medikaments raten zu müssen. Eine Honorarordnung, die auch den Zeitaufwand berücksichtige, sei erforderlich.
Die Arbeitsgruppe kommt in den "Stuttgarter Thesen" auch zu der Auffassung, dass die im Studium erworbenen naturwissenschaftlichen Kenntnisse stärker als bisher durch hohe kommunikative Kompetenzen ergänzt werden müssten.
So heißt es in der Kurzfassung des Papiers: "Über harte Fakten wie beispielsweise mögliche Nebenwirkungen oder Unverträglichkeitsrisiken kann der Apotheker nur dann hilfreichen Rat erteilen, wenn er gesprächsfähig ist. Gesprächsfähigkeit aber bedeutet zunächst, mit präziser Sensibilität zuhören zu können."
Der Apotheker benötige, um hilfreich raten zu können, auch Informationen über die lebensgeschichtliche Lage des Ratsuchenden und seine sozialen Konstellationen.
Chancen für den Apotheker
Ein Grund dafür, dass sich der Apotheker in seiner Berufsrolle und -praxis ändern muss, liege auch im sozialen Umfeld der Apotheke, das sich dramatisch änderte, nämlich der sich beschleunigende demografische Wandel und Entwicklungstendenzen hin zu einer pluralisierten Gesellschaft.
In Zukunft gibt es immer mehr ältere Patienten mit hohem Beratungsbedarf, häufig mit chronischen Krankheiten, die auf medikamentöse Therapien angewiesen sind – hier liegen große Herausforderungen und Chancen für den Apotheker.
Außerdem müssen Apotheker vor dem Hintergrund moderner komplexer Gesellschaften mit unterschiedlichen Lebensstilen ihre Fähigkeit stärken, alternative Konzepte von Gesundheit, Krankheit und gelingendem Leben als prinzipiell berechtigt anzuerkennen.
Die Arbeitsgruppe schloss sich auch der Erkenntnis der WHO an, dass eine entscheidende Schwachstelle vieler europäischer Gesundheitsthemen die mangelnde Kooperation sei. Arzt und Apotheker sollten durch mehr Kooperation zur Förderung integrierter Versorgung beitragen.
Schließlich müssen auch Apothekerkammern verstärkt aktive Aufgaben in den Prozessen der Professionalisierung des Heilberufs Apotheker übernehmen. Die Arbeitsgruppe versteht hierunter eine kontinuierliche Fortbildung von Apothekern, aber nicht nur auf pharmazeutischem Gebiet, sondern auch zur Stärkung kommunikativer Kompetenzen.
Der Arbeitsgruppe gehörten folgende Personen an:
Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf, Lehrstuhl für Systematische Theologie, Universität München, Dr. med. Ellis Huber, Vorstandsvorsitzender der BKK Secur Vita, Wolfgang Mäher, Vorsitzender der Geschäftsführung Gehe Pharma Handel GmbH, Prof. Dr. Hartmut Morck, Universität Marburg und Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung, Prof. Dr. Günther Neubauer, Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomie München, Dr. Julia-Sina Nill, Produktmanagement Gesundheitsdienstleistungen Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V., Manfred Renner, Vorstandsvorsitzender der Sanacorp, und Dr. Karl H. Schlingensief, Vorstandsvorsitzender der Hoffmann-LaRoche AG.
Im Rahmen der "Pharmazeutischen Tafelrunde" am 9. Dezember in Stuttgart stellte Professor Friedrich Wilhelm Graf, Tübingen, den Bericht der von der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg einberufenen unabhängigen Arbeitsgruppe "Medikament und Gesundheit" vor. Die Arbeitsgruppe hatte den Auftrag, über Mängel und Schwächen der derzeitigen Medikamentenversorgung nachzudenken und Vorschläge zu gebotenen Reformen zu entwickeln. Die Arbeitsgruppe bekannte sich dazu, dass elementare Veränderungen im beruflichen Selbstverständnis bzw. im Berufsbild der Apotheker notwendig sind.
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