Arzneimittel und Therapie

Neuer Wachstumsfaktor Pegfilgrastim: Längere Halbwertszeit durch Pegylierung

Der neue Wachstumsfaktor Pegfilgrastim (Neulasta®) wird zur Verkürzung der Dauer von Neutropenien sowie zur Verminderung der Häufigkeit neutropenischen Fiebers bei Patienten eingesetzt, die wegen einer malignen Erkrankung mit einer zytotoxischen Chemotherapie behandelt werden. Er ist in Deutschland seit August 2002 zugelassen und seit Januar 2003 auf dem Markt. Im Vergleich zum Wachstumsfaktor Filgrastim hat das pegylierte Pegfilgrastim eine längere Halbwertszeit.

Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 400 000 Menschen neu an Krebs, und dank der modernen Therapiemöglichkeiten können sehr viele von ihnen mit ihrer Krankheit noch lange Jahre leben. Auch fortgeschrittene Tumoren können heute häufig gut geheilt werden. Eine Voraussetzung dafür ist unter anderem eine möglichst wirksame Chemotherapie. Doch die aggressiven Chemotherapeutika greifen in den meisten Fällen nicht nur die sich schnell teilenden Krebszellen an. Auch andere Zellen in Geweben, die sich schnell regenerieren, sind betroffen.

Zellen des blutbildenden Systems sind betroffen

Dazu gehören neben den Zellen der Schleimhäute und der Haarfollikel auch die Zellen des blutbildenden Systems. So müssen 50% der Chemotherapie-Patienten mit dem Risiko leben, eine Neutropenie zu entwickeln. Wenn sich zu wenige dieser Abwehrzellen im Blut befinden, ist das Risiko für Infektionen deutlich erhöht, es kann dann auch zu Fieber kommen (febrile Neutropenie).

Vor allem bei älteren und abwehrgeschwächten Patienten können sich schwere, lebensbedrohliche Infektionen entwickeln, die eine mehrtägige stationäre Behandlung erforderlich machen. Bei 7% aller Patienten mit einer febrilen Neutropenie verläuft diese tödlich. Deshalb ist die Neutropenie häufig dosisbegrenzend für eine Chemotherapie. Werden jedoch begleitend zur Chemotherapie Wachstumsfaktoren des blutbildenden Systems verabreicht, kann diese gravierende Nebenwirkung in Schach gehalten werden, und die Chemotherapie kann höher dosiert und häufiger verabreicht werden.

Wachstumsfaktoren für das blutbildende System

Beim gesunden Menschen fördern endogene Wachstumsfaktoren die Bildung von Zellen des blutbildenden Systems. Dazu gehört der humane Granulozyten-koloniestimulierende Faktor (G-CSF). Dieses Glykoprotein fördert die Reifung und Differenzierung neutrophiler Granulozyten und deren Freisetzung aus dem Knochenmark. Außerdem verbessert G-CSF die Funktion reifer Neutrophilen. Das entsprechende gentechnisch hergestellte Filgrastim (r-metHuG-CSF, Neupogen®) wird schon seit über zehn Jahren bei der Behandlung von Krebspatienten eingesetzt, um das Wachstum der Granulozyten zu stimulieren. Es muss einmal täglich verabreicht werden.

Pegylierte Form von Filgrastim

Pegfilgrastim ist die pegylierte Version des Granulozyten-koloniestimulierenden Faktors Filgrastim. An die N-terminale Methionylgruppe des Filgrastim-Moleküls wurde ein 20 kDa großes Polyethylenglykol-Polymer kovalent gebunden. Aufgrund dieser Veränderung wird Pegfilgrastim im Körper nicht abgebaut und renal eliminiert, sondern über die Bindung an den G-CSF-Rezeptor auf den Zielzellen eliminiert. Die terminale Halbwertszeit erhöht sich daher auf 15 bis 80 Stunden gegenüber 4 bis 6 Stunden bei Filgrastim.

Die biologischen Eigenschaften von Filgrastim werden durch die Pegylierung nicht verändert. Innerhalb von 24 Stunden nach Applikation bewirken diese Wirkstoffe einen deutlichen Anstieg der Anzahl neutrophiler Granulozyten im peripheren Blut bei geringem Anstieg der Monozyten und/oder Lymphozyten. Die neu gebildeten neutrophilen Granulozyten zeigen eine normale oder erhöhte Funktionsfähigkeit.

Anwendung einmal pro Zyklus

Wegen der langen Halbwertszeit kann mit einer einmaligen Gabe von 6 mg Pegfilgrastim pro Chemotherapiezyklus eine wirksame Prophylaxe gegen Neutropenien über den gesamten Therapiezyklus erreicht werden. Die subkutane Injektion wird 24 Stunden nach einer zytotoxischen Chemotherapie gegeben. Das Körpergewicht beeinflusst Effizienz und Verträglichkeit nicht. Die Dosis wird deshalb im Gegensatz zu Filgrastim nicht auf das Körpergewicht bezogen, sondern als Fixdosis von 6 mg verabreicht.

Die Wachstumsfaktoren dürfen bei Patienten mit akuter Leukämie, die eine myelosuppressive Chemotherapie erhalten, nicht angewendet werden. Die häufigste Nebenwirkung sind Knochenschmerzen; außerdem kann es zu Schmerzen an der Einstichstelle, Schmerzen im Brustkorb, Kopfschmerzen, Rücken-, Glieder-, Muskel-, Skelett- und Nackenschmerzen kommen.

In der Wirkung vergleichbar

In ihrer Wirkung und in ihrem Sicherheitsprofil sind die beiden Wachstumsfaktoren vergleichbar: In zwei randomisierten, doppelblinden Zulassungsstudien bewirkte die einmalige Gabe von Neulasta® pro Zyklus bei Patientinnen mit Mammakarzinom, die eine myelosuppressive Chemotherapie mit Doxorubicin und Docetaxel erhielten, eine ähnliche Verringerung der Neutropeniedauer und der Inzidenz des neutropenischen Fiebers wie die tägliche Anwendung von Filgrastim (im Median elf Anwendungen einmal täglich). Ohne die Gabe von Wachstumsfaktoren führte dieses Behandlungsschema zu einer durchschnittlichen Dauer der Neutropenie 4. Grades von fünf bis sieben Tagen und zu einer Inzidenz an neutropenischem Fieber von 30 bis 40% (historische Kontrolle).

In zwei Phase-III-Studien zeigte sich zudem, dass die einmalige Neulasta®-Gabe pro Chemotherapiezyklus der täglichen Gabe von Filgrastim hinsichtlich der Inzidenz von febrilen Neutropenien überlegen war. In einer Studie (n = 157) wurde eine fixe Dosis von 6 mg Neulasta® pro Zyklus eingesetzt. Die Gesamtrate für neutropenisches Fieber lag bei den Neulasta®-Patienten bei 13%, gegenüber 20% bei den Neupogen®-Patienten (Unterschied: 7%, 95% KI - 19%; 5%).

In einer zweiten Studie (n = 310) wurde eine gewichtsabhängige Dosis (100 µg/kg) eingesetzt. Die Gesamtrate für das Auftreten von neutropenischem Fieber war unter Neulasta®-Gabe signifikant geringer als unter der Gabe von Filgrastim (9% vs. 18%, Unterschied: 9%, 95% KI - 16,8%; - 1,1%).

Quelle

Prof. Dr. med. Karl Welte, Hannover; Prof. Dr. med. Lorenz Trümper, Göttingen; Dr. med. Christian Jackisch, Marburg; Prof. Dr. med. Ulrike Nitz, Düsseldorf; Pressekonferenz zur Einführung von Neulasta® (Pegfilgrastim): "Die neue Form der Selbstverteidigung. Mehr Schutz für Patienten unter Chemotherapie", Hamburg, 30. Januar 2003, veranstaltet von der Amgen GmbH, München.

Der neue Wachstumsfaktor Pegfilgrastim (Neulasta) wird zur Verkürzung der Dauer von Neutropenien sowie zur Verminderung der Häufigkeit neutropenischen Fiebers bei Patienten eingesetzt, die wegen einer malignen Erkrankung mit einer zytotoxischen Chemotherapie behandelt werden. Er ist in Deutschland seit August 2002 zugelassen und seit Januar 2003 auf dem Markt. Im Vergleich zum Wachstumsfaktor Filgrastim hat das pegylierte Pegfilgrastim eine längere Halbwertszeit.

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