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Nullrezepte: Krankenkassen kassieren ungerechtfertigt
Die AOK zieht dieser Tage den Unmut vieler Apotheker auf sich. Rückwirkend fordert die Kasse Rabatte auf Nullrezepte für 2003 ein. Allerdings nicht von allen Apotheken. Denn jeder AOK-Landesverband interpretiert geltendes Recht anders, wie eine Recherche des Europressedienstes ergab. Das Gesetz ist klar auf unserer Seite, argumentiert etwa die AOK Rheinland, und fordert - entgegen einer 1998 mit dem DAV getroffenen Vereinbarung - Abschläge für Nullrezepte aus 2003. "Wir raten allen Apothekern, diese Rabatte nicht abzuführen", so Elmar Esser, Pressesprecher der ABDA. Auch die AOK Hessen hält den Einzug von Rabatten auf Nullrezepte für nicht gesetzeskonform und sogar unmoralisch.
BMGS geht auf Tauchstation
Nullrezepte sind Rezepte, bei denen die Zuzahlung den eigentlichen Medikamentenpreis übersteigen würde und der Patient den vollen Medikamentenpreis bezahlt. Der Patient kommt somit alleine für ein Medikament auf, ohne dass die Kasse hier eine finanzielle Beteiligung erbringt. In 2003 traf dies nach Angabe der AOK Rheinland auf ca. 0,05 Prozent aller Verordnungen zu. Eine zu vernachlässigende Größe findet das BMGS - und geht lieber auf Tauchstation. Ob und wie für diese Rezepte Rabatte geltend gemacht werden, geht aus den Gesetzestexten nämlich nicht eindeutig hervor. So schließt das BMGS in einem Runderlass Anfang 2003 Apothekenrabatte auf diese Produkte aus, verliert jedoch kein Wort zu Hersteller- und Großhandelsrabatten. Eine rechtliche Grauzone, die von einigen Kassen ausgenutzt wird.
Anstieg der Zahl der Nullrezepte
Mit dem GMG gibt es Nullrezepte zwar nur noch bei sehr wenigen verordneten OTC-Präparaten, aktuell ist das Thema aber dennoch, werden die Retaxierungen aus 2003 doch zumeist erst in 2004 abgerechnet. Sprunghaft gestiegen ist die Zahl der Nullrezepte mit der Ende 1997 verabschiedeten Erhöhung der Patienten-Zuzahlungen. Kurz darauf einigten sich die Spitzenverbände von GKV und DAV in einem gemeinsamen Agreement, für diese Medikamente keine Rabatte mehr geltend zu machen. Die Apotheker sollten so dazu bewegt werden, die Rezepte zwecks statistischer Erfassung auch wirklich an die Kassen weiterzuleiten.
Verfassungswidrige Belastungen?
Erst durch das 2003 in Kraft getretene Beitragssatzsicherungsgesetz landete das Thema Nullrezepte schließlich wieder auf der Agenda. Die neue, ausgeweitete Rabattregelung des BSSichG sollte die Pharmaindustrie und Apotheken mit je 400 Millionen Euro, den Großhandel mit 600 Millionen Euro belasten. Der Einzug und die Weitergabe der Rabatte der vorgelagerten Handelsstufen wurde jedoch einzig den Apotheken angelastet - für den DAV in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig. Zum einen sollten die erst 2002 angehobenen und bis Ende 2003 festgeschriebenen Rabatte zu früh erneut erhöht, zum anderen den Apotheken hiermit ein hohes finanzielles Risiko und ein nicht unerheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand aufgebürdet werden.
Unklar, ob retaxiert wird
Für zusätzliche Kontroversen zwischen Versicherern und Leistungserbringern haben die unsauberen Formulierungen des BSSichG gesorgt. Das BSSichG war ein typischer Schnellschuss der Marke Rot-Grün und ist handwerklich äußerst schlecht umgesetzt, resümiert Knut Vocke, Vorsitzender des Apothekerverbandes Sachsen-Anhalt. Besonders in den Details zur Abrechnung von Rabatten lässt das Gesetzeswerk viele Fragen offen. Meist wurden deshalb zwischen GKV und Apothekerverbänden Kompromisse auf Landesebene gefunden. Eine bundesweit einheitliche Regelung existierte in 2003 demnach nicht. Einzelne GKVs sahen in dem konfusen Gesetzeswerk eine willkommene Vorlage, wieder Rabatte auf Nullrezepte einzufordern. Ob und wie die in 2004 auflaufenden Nullrezepte bei verordneten OTC-Produkten von den GKV retaxiert werden, steht noch in den Sternen. Das BMGS konnte hierzu jedenfalls keine Aussagen treffen.
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