Kommentar

Der erste Schritt?

Diese Meldungen haben mich in den letzten Wochen sehr nachdenklich gestimmt: eine Krankenkasse untersucht 6000 Mitglieder auf eine Erbkrankheit und die EU überlegt, ob alle Babys in Zukunft zum "Gen-TÜV" sollen (s. S. 2). Der ersten Meldung liegt ein Aufruf der KKH an ihre Versicherten zugrunde, sich im Rahmen eines Modellversuchs auf die Eisenspeicherkrankheit Hämochromatose testen zu lassen (6000 KKH-Versicherte haben dieses Angebot wahrgenommen). Die zweite Meldung geht von Überlegungen des EU-Forschungskommissars aus, der sich für genetische Screenings von Neugeborenen auf seltene Krankheiten ausspricht.

Was geht hier vor? Sind dies die ersten Schritte in Richtung gläserner Patient? Man kann hier natürlich euphorisch dem medizinischen Fortschritt vor Augen haben: Vielleicht lässt sich z. B. bei einer Früherkennung von Erbkrankheiten mittels Gentest rechtzeitig eingreifen und die Krankheit lindern oder sogar heilen. Was aber, wenn nicht heilbare Krankheiten dadurch erkannt werden? Wie geht man mit diesem Wissen um? Soll der Mensch mit der Gewissheit heranwachsen, dass ihn diese Krankheit möglicherweise befallen wird? Und vor allem: was bedeutet die (frühe) Kenntnis über eine Erbkrankheit für den Versicherungsstatus des Menschen? Wird er dann von Krankenversicherungen nicht mehr angenommen oder nur zu höheren Beiträgen? Werden Gentests gar zur Vertragsvoraussetzung für eine Kranken- oder auch Lebensversicherung? Werden dann auch Arbeitgeber Gentests verlangen?

Hier sind dringend klare gesetzliche Regelungen zum Schutz der Bürger vor Missbrauch erforderlich. Ein Gentestgesetz muss deutlich machen, dass die Erkenntnisse aus Gentests nicht zu einer Benachteiligung bei Abschluss von Versicherungsverträgen führen dürfen. Außerdem sollten Tests nur auf solche Krankheiten erfolgen, bei denen eine Möglichkeit zur Behandlung besteht. Und schließlich sollte es auch das Recht auf Nichtwissen geben. Alle Neugeborenen zwangsweise zu testen, widerspricht unserem freiheitlichen Denken. Der Staat muss hier rasch handeln und mit einem Gesetz für Klarheit sorgen. Ein Gesetz zum Schutz des Patienten ist überfällig.

Peter Ditzel

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