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Arzneimittel und Therapie
Fettstoffwechselstörungen: HDL-Cholesterin erhöhen
Große wissenschaftliche Studien der vergangenen Jahre haben eindeutig gezeigt, dass zwischen Fettstoffwechselstörungen und dem Risiko von kardiovaskulären Ereignissen eine enge Korrelation besteht. Dennoch werden diese Störungen häufig nicht ausreichend beachtet: Nur ungefähr ein Drittel der schätzungsweise 47 Millionen betroffenen Deutschen weiß von seiner Erkrankung, medikamentös behandelt werden sogar nur drei Millionen Patienten.
HDL schützt vor Arteriosklerose
Eine besondere Rolle bei der Prävention spielt das HDL-(High-Density-Lipoprotein-) Cholesterin. HDL schützt vor Arteriosklerose, indem es Cholesterin aus peripheren Geweben aufnimmt und zum Abbau in die Leber zurücktransportiert. Zudem schützt HDL-Cholesterin insbesondere das LDL-Cholesterin vor oxidativen Prozessen. Außerdem vermindert es im Plasma die Adhäsion von Leukozyten an die Arterienwand und damit auch deren Migration in den subendothelialen Raum.
Ältere und Diabetiker sind besonders gefährdet
Zu niedrige HDL-Cholesterin-Werte erhöhen das Risiko für die koronare Herzkrankheit (KHK) und ihre Komplikationen deutlich messbar, und zwar unabhängig vom LDL-Cholesterin. Besonders groß ist das Risiko in Gegenwart weiterer Risikofaktoren, wie einer bereits bestehenden koronaren Herzerkrankung oder Diabetes mellitus. So haben Diabetiker mit niedrigen HDL-Spiegeln und erhöhten Triglyceriden auch bei nicht erhöhtem LDL-Cholesterin ein extrem hohes Arterioskleroserisiko.
Hohes Risiko für Frauen
Mädchen haben vor der Pubertät niedrigere HDL-Cholesterinspiegel als Jungen. Während der Pubertät kehrt sich dieses Verhältnis um. Durch den Einfluss der Estrogene wird weniger HDL-regulierendes Enzym produziert, durch den Einfluss von Testosteron dagegen mehr. Dadurch führt Testosteron zu einem vermehrten Abbau von HDL und sinkenden Spiegeln. Erwachsene Frauen haben bei niedrigen HDL-Cholesterinwerten ein erhöhtes koronares Risiko, und sie profitieren deutlich von einer Erhöhung des HDL. Bei ihnen nimmt das kardiovaskuläre Risiko um jeweils 3% ab, wenn das HDL-Cholesterin um 1 mg/dl steigt. Bei Männern führt derselbe Effekt nur zu einer Risikoreduktion um 2%.
HDL-Cholesterin: mindestens 40 mg/dl
Bei Diabetikern und anderen Hochrisikopatienten, aber auch bei Frauen und älteren Patienten mit niedrigem HDL-Cholesterin reicht es daher nicht aus, nur die Gesamt- und LDL-Cholesterinwerte zu beachten. Zufrieden stellende Therapieergebnisse können nur dann erwartet werden, wenn auch das HDL-Cholesterin und die Triglyceride normalisiert werden. Nach den aktuellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Herz- und Kreislaufforschung (2003) sollten Patienten mit KHK einen HDL-Wert von mindestens 40 mg/dl (1 mmol/l) aufweisen.
Bei 35% der erwachsenen US-amerikanischen Männer und 15% der erwachsenen Frauen liegt der HDL-Wert unter 40 mg/dl. In der Framingham-Studie hatten 57% der Männer, die eine koronare Herzerkrankung entwickelten, HDL-Cholesterinwerte unter 40 mg/dl. In der Cholesterol und Recurrent Events (CARE)-Studie zeigten rund 40% der Patientinnen mit Myokardinfarkt HDL-Cholesterinwerte unter 40 mg/dl.
Empfehlungen für die Praxis
Der HDL-Stoffwechsel kann durch verschiedene Maßnahmen verbessert werden. Dazu gehören vor allem Veränderungen des Lebensstils, wie Raucherentwöhnung, Gewichtsabnahme, Verringerung der Fettzufuhr mit Bevorzugung ungesättigter Fettsäuren und körperliche Aktivität. In der Praxis reichen diese nicht-medikamentösen Maßnahmen allerdings meist nicht aus, um die individuellen Therapieziele dauerhaft zu erreichen.
Hier können Arzneimittel unterstützend wirken, die gezielt den HDL-Stoffwechsel beeinflussen:
- Fibrate heben das HDL-Cholesterin um 15 bis 25%,
- Statine um etwa 5 bis 10%,
- Gallensäurebinder um rund 5%.
- Bei der Therapie mit Nicotinsäure-Präparaten können HDL-Zunahmen um 15 bis 35% erwartet werden.
Nicotinsäure erhöht HDL
Nicotinsäure erhöht HDL-Cholesterin um bis zu 26%, während Triglyceride um 32%, LDL-Cholesterin um 16% und Lipoprotein(a) um 25% gesenkt werden. Nicotinsäure kann zur Monotherapie, in Kombination mit Statinen oder Gallensäurebindern oder auch in der Dreifach-Kombination eingesetzt werden.
Der Wirkmechanismus, über den Nicotinsäure das Lipidprofil verändert, ist noch nicht vollständig geklärt. Bekannt ist, dass Nicotinsäure die Freisetzung von freien Fettsäuren aus dem Fettgewebe hemmt. Dadurch gelangen weniger freie Fettsäuren in die Leber, die dann auch nur in geringerem Maße zu Triglyceriden verestert werden können. Dies kann zu einer verringerten LDL-Bildung führen. Nicotinsäure steigert durch Aktivierung der Lipoprotein-Lipase die Eliminationsrate von triglyceridreichen Chylomikronen aus dem Plasma. Auf diese Weise vermindert Nicotinsäure die Syntheserate von hepatischem VLDL und infolgedessen von LDL.
Dosis langsam steigern
Die Dosierung der Nicotinsäure wird je nach Ansprechen des Patienten auf die Therapie individuell festgelegt. Die Behandlung beginnt mit einer niedrigen täglichen Dosis von 375 mg, danach wird stufenweise gesteigert. Die empfohlene Erhaltungsdosis liegt je nach therapeutischem Ansprechen des Patienten und individueller Verträglichkeit zwischen 1000 und 2000 mg.
Bei konventionellen Nicotinsäure-Präparaten mit schneller Freisetzung leiden über 80% der Patienten unter unangenehmen Flush-Reaktionen. Diese Problematik ist bei Niaspan® deutlich verringert, denn das neue Nicotinsäure-Präparat setzt den Wirkstoff verzögert frei. Die abendliche Einnahme und eine langsame Dosissteigerung können die Flush-Anfälle ebenfalls reduzieren.
Quelle
Prof. Dr. med. Eberhard Windler, Hamburg; Prof. Dr. med Elisabeth Steinhagen-Thiessen, Berlin; Dr. Gustav Kling, Darmstadt; Prof. Dr. med. Armin Steinmetz, Andernach; Einführungs-Fachpressekonferenz Niaspan® "Ein Hoch auf das HDL – Paradigmenwechsel in der Therapie von Fettstoffwechselstörungen", Berlin, 29. April 2004, veranstaltet von Merck KgaA, Darmstadt.
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