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Pilz des Jahres: Der echte Hausschwamm

Der echte Hausschwamm ist der mit Abstand wichtigste Zerstörer verbauten Holzes, den es in Europa gibt. Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie hat ihn nun zum Pilz des Jahres ernannt. Sie will damit auf die wirtschaftliche Bedeutung dieses unscheinbaren Organismus hinweisen. Er kann im Extremfall ein ganzes Haus unbewohnbar machen und den Bewohnern buchstäblich über Nacht das Dach über dem Kopf nehmen, weil er oft erst erkannt wird, wenn es für Gegenmaßnahmen zu spät ist.

Modrige, ebenerdig gegründete Fachwerkhäuser waren für Jahrhunderte die bevorzugte Beute des echten Hausschwamms (Serpula lacrymans; ehemals Merulius lacrymans). Heute fallen ihm vor allem Wald- und Berghütten zum Opfer, aber auch schlecht isolierte und mangelhaft gepflegte Altbauten. Fehler beim Neubau, die zu Kondenswasserbildung und feuchten Stellen durch Taupunktfeuchte oder Wischwasser führen, verzeiht er auf Dauer auch nicht. Gebäudealter und -art spielen für die Schadenshäufigkeit eine untergeordnete Rolle. Ausschlaggebend sind die Qualität der Bauausführung und der laufenden Instandhaltung und das Nutzungsverhalten der Bewohner.

Der Pilz richtet sich häuslich ein

Der Pilz kann sich überall einnisten, wo verbautes Holz feucht wird. Denn seine Sporen sind wie die fast aller Pilze nahezu überall. Auch Mycelteile können vom Wind rasch verbreitet werden. Hat der Basidiomycet einmal Fuß gefasst, macht er, obwohl er Nadelhölzer bevorzugt, auch vor Eichenholz nicht halt. Dann hilft auch das Abtrocknen befallener Stellen kaum noch etwas. Denn das wachstumsnotwendige Wasser findet er auch in der Umgebung trockenen Holzes.

Wurzelartige Rhizomorphen, das sind bleistiftdicke Hyphenbündel, schaffen das Nass aus bis zu zwölf Metern Entfernung heran. Die Hyphen sind kaum aufzuhalten. Auf ihrem Weg zur Feuchte durchdringen sie problemlos Putz, Fugen solider Steinmauern, Stampfbetonböden, Wände oder Wärmedämmstoffe.

Der echte Hausschwamm ist ein Braunfäulepilz, der heute den Röhrlingen (Boletales) zugerechnet wird. Das Mycel durchwuchert lange Zeit das Innere von Holzbalken und Furnierholz, ohne dass ein Befall erkennbar ist. Tritt er an die Oberfläche, ist es für eine Sanierung meistens zu spät. Der Pilz ist darüber hinaus auch für Fachleute nur schwer zu bestimmen. Zunächst wächst watteartiges, weißes Mycel an die Oberfläche, das sich bei Berührung graubraun verfärbt. Die Fruchtkörper wachsen tellerförmig, sind oft in der Mitte rostbraun, haben einen weißen Rand und scheiden kleine Wassertröpfchen aus (s. u.).

Damit dieser Kulturfolger seine extreme ökologische Nische besetzen kann, braucht er nicht nur spezielle Enzymsätze. Er muss auch mit den im Holz durch seine Atmung entstehenden hohen Kohlendioxidkonzentrationen zurechtkommen. Zum Wachsen sind die komplexen Kohlenhydrate, vor allem Cellulose, Hemicellulose und die Pektine des Holzes unabdingbar. Alles andere holt er sich aus der Umgebung. Über die Rhizomorphen nimmt er Glucose und die im Holz nur in geringen Mengen vorhandenen Mineralstoffe, vor allem Phosphat, Stickstoffverbindungen und Magnesium, auf, die er aus Putz und Böden herauslöst. Diese Stoffe werden gemeinsam mit dem Wasser vermutlich passiv über den osmotischen Druckausgleich zu den metabolisch aktiven Hyphenspitzen transportiert.

Der weinende ("lacrymans") Hausschwamm trägt seinen Namen zu Recht. Denn das herbeigeschaffte Wasser lässt er am trockenen Holz als Guttationstropfen wieder austreten, um es zu befeuchten. Auch scheint er das Atemwasser, das beim Abbau der Cellulose entsteht, für sein Wachstum und für das Feuchthalten des Holzsubstrates zu nutzen. Der Schwamm zersetzt Bau- und Furnierholz gleichermaßen. Da er auch Leinen, Stroh, Papier und Baumwolle angreift, kann er sich auch über die Tapete ausbreiten.

Zimmertemperatur bevorzugt

So richtig wohl fühlt sich S. lacrymans bei Zimmertemperatur. Deshalb ist er in Wohngebäuden auch so gefährlich. Da er ab etwa 30 °C nicht mehr wächst, findet man den Schwamm überall auf der Welt, nur nicht in den Tropen. Kühle Temperaturen kann er durchaus acht Jahre überdauern. Wie er das genau macht, ist bisher nicht erhellt worden. Möglicherweise fallen die Hyphen in eine Art Trockenstarre. Vielleicht bildet er auch vegetative, überdauerungsfähige Arthrosporen aus. Seine sexuellen Basidiosporen, die nach der Reduktionsteilung während der Meiose entstehen, sind erwiesenermaßen noch nach 20 Jahren keimfähig. Temperaturen unter – 6 °C und über 55 °C gelten als letal.

Braunfäule

Zum Wachsen braucht der Hausschwamm eine 20- bis 25-prozentige Feuchte des Holzes. Sein Mycel kann bis zu zehn Millimeter am Tag wachsen (Tab. 1). An Kiefernsplintholzproben schaffte er unter optimalen Bedingungen innerhalb von acht Wochen einen Masseverlust des Holzes von 13,5%. Die Abbauleistungen schwanken je nach Holzart, Holzfeuchte und Temperatur (Tab. 2).

Beobachtungen außerhalb des Labors sind noch beeindruckender. So sackte eine neue Kiefernholzkonstruktion eines Gebäudes nach nur zehn Monaten ein. Eine 3 cm dicke Eichendielung war nach einem Jahr so zerstört, dass sie mit dem Daumen eingedrückt werden konnte. Man spricht deshalb bei der Braunfäule auch von Destruktionsfäule. Das Holz nimmt hier eine braune Farbe an und zerfällt würfelförmig, wenn die Cellulose weitestgehend abgebaut und die Holzstruktur zerstört ist. Pilze, die Lignin abbauen, verursachen dagegen die Weiß- oder Korrosionsfäule. Zu ihnen zählt der Zunderschwamm Ganoderma applanatum.

Fachgerechte Gebäudesanierung

Ist der Hausschwamm in einem Gebäude, erfolgt die fachgerechte Sanierung in der Regel nach DIN 68800. Befallene Holzbauteile, die tragende oder aussteifende Funktion haben, müssen entfernt werden. Sind beispielsweise die ins Freie ragenden Balkenköpfe des Dachstuhls befallen, müssen alle verbauten Holzteile freigelegt und untersucht werden. Es sind auch die angrenzenden Räume und die Nachbargebäude genau auf Befall zu prüfen. Jeder kleinste Hohlraum in der Nähe der Befallsstelle muss erkundet und auf Sporen und Mycelien abgesucht werden.

Sicherheitshalber muss das Gebäude komplett ausgetrocknet werden; nicht befallene Holzteile müssen chemisch mit Holzschutzmitteln nach dem Holzschutzmittelverzeichnis behandelt werden. Zur Feststellung des Sanierungserfolges können Oberflächenmycel und Mycel in Holzproben von im Gebäude verbliebenen Balken auf Vitalität geprüft werden. Dazu wird der Methylenblau-Test eingesetzt, und es werden Auswuchsversuche durchgeführt.

Alternative: Heißluft

Bei einer solchen Sanierung muss sehr viel Holz und Mauerwerk ersetzt bzw. behandelt werden. Da der chemische Schutz des Holzes nicht sehr beliebt ist, sind Alternativen gefragt. Vor allem in Dänemark wird deshalb seit den 1960er-Jahren das Heißluftverfahren eingesetzt (gilt hierzulande in der Gebäudesanierung nicht als fachgerecht). Es wurde schon in den Jahren 1930er-Jahren entwickelt, um den Hausbock (Hylotrupes bajulus) zu bekämpfen, dessen Larven bis zu 15 Jahren im Holz leben und es durchlöchern. Auch heute wird es häufig bei Insektenbefall eingesetzt, besonders beim wertvollen Inventar von Museen, zur Behandlung von befallenen Möbeln, Kunstobjekten, Chorgestühl, Teppichen und Textilien oder Büchern.

Das Heißluftverfahren kommt zwar ohne synthetische Wirkstoffe aus, ist aber bei Häusern sehr aufwändig. Alle hitzeempfindlichen Materialien müssen vorher ausgebaut und alle Balken freigelegt werden. Und unter Umständen muss das ganze Haus mit wärmeisolierenden Matten eingepackt werden. Dann wird langsam heiße Luft hineingeblasen. Dabei dürfen 120 °C auf keinen Fall überschritten werden, denn ab 110 °C setzt eine langsame chemische Zersetzung des Holzes ein.

Die Heißluftzufuhr wird so lange fortgesetzt, bis das Innere des dicksten Balkens für eine Stunde eine Temperatur von 60 °C erreicht hat. Dann ist gewährleistet, dass der echte Hausschwamm auch wirklich abgestorben ist. Bei solchen Aussichten ist es doch besser, ab und zu einmal nach dem Rechten im eigenen Haus zu sehen.

Meldepflicht

In den vergangenen Jahren soll die Ausbreitung des echten Hausschwamms zugenommen haben. Doch es fehlt eine systematische Auswertung der bestehenden oder der in der Vergangenheit bestandenen Schäden. Niemand in Deutschland hat sichere Erkenntnisse über die tatsächliche Ausbreitung dieses gefährlichsten Holzzerstörers. Die erfolgreiche Bekämpfung ist nicht nur ein privatrechtliches, sondern auch ein öffentlich-rechtliches Anliegen. Deshalb ist nach den Bauordnungen der Länder Hamburg, Hessen, Sachsen, Thüringen und Saarland der Befall mit Hausbockkäfer, Termiten und echtem Hausschwamm meldepflichtig.

Fehleinschätzung

Wegen seiner vielfältigen Erscheinungsformen wird der Hausschwamm oft sogar von Bausachverständigen nicht erkannt. Die Fehleinschätzung von Schadensbildern führt häufig zu falschen Sanierungsentscheidungen. Nach undatierten Untersuchungen waren in Berlin nur 40 Prozent der Häuser in einem Altstadtgebiet nicht befallen. Ein weiterer hoher Prozentsatz war befallen mit dem Braunen Kellerschwamm, dem Weißen Porenschwamm oder mit Blättlingen (vgl. Tab. 1). Quelle: Berliner Morgenpost v. 25.10. 2000

Färberwaid schützt

Die Sanierung der Schlosskirche in Putbus auf Rügen ist als Pilotprojekt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert worden. Der Hausschwamm wurde dort mit dem Heißluftverfahren bekämpft und das Holz anschließend mit Färberwaid (Isatis tinctoria) imprägniert. Dessen Indigo-haltiger Extrakt hemmt den Hausschwamm, den Kellerschwamm und den Schmetterlingsporling gleichermaßen und wirkt gleichzeitig brandverzögernd.

Der Hausschwamm im Netz

Der echte Hausschwamm www.hausschwamminfo.de/ www.ib-rauch.de/Beratung/ hausschw.html www.holzfragen.de/seiten/ hausschwammltext.html

Holzschädlinge www.holzschaedling.com

Gesetz über den Aussatz an Häusern – eine alttestamentarische Norm für die Bekämpfung des Echten Hausschwamms www.holzfragen.de/seiten/ rechtat.html

Die schlimmsten Holzzerstörer

  • Der Hausbock Hylotrupes bajulus ist der bedeutendste Schädling verbauter Nadelhölzer und kann bereits nach wenigen Jahren die vollständige Zerstörung der tragenden Balken oder eines ganzen Dachstuhls herbeiführen.
  • Der Holzwurm Anobium punctatum ist der typische Schädling in Antiquitäten, hölzernen Einrichtungsgegenständen und Museen.
  • Der echte Hausschwamm mit seiner enormen Ausbreitungsfähigkeit vom Keller bis zum Dach kann bei Duldung oder Fehlbekämpfung ganze Altbaukonstruktionen vollständig zerstören.

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