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- DAZ 26/2004
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Arzneimittel und Therapie
Probiotika helfen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
Bei der Behandlung chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) haben die Gastroenterologen in jüngster Zeit vor allem bei Problempatienten auf biologische Therapieformen und insbesondere auf den TNF-α-Antikörper Infliximab (Remicade®) gesetzt. Zwar ist der Antikörper wirksam, die Behandlung aber auch mit erheblichen Nebenwirkungen behaftet. Statt solcher "Biologicals" drängen nun zunehmend die "Microbiologicals" in den Vordergrund, Therapieverfahren, bei denen auf eine Modulation der Darmflora und vor allem auf mikrobiologische Korrekturen zurückgegriffen wird.
Dazu gehören die Probiotika, bei denen es sich per definitionem um prophylaktisch oder therapeutisch angewandte, lebende physiologische Mikroorganismen handelt, die eingesetzt werden bei Erkrankungen, die mit einer Störung der Mikroflora einher gehen. Konkret werden damit Therapieformen beschrieben, die auf eine Behandlung mit Bakterien, Würmer oder Hefen oder auch DNA-Fragmente der genannten Organismen setzt. Diese werden üblicherweise als Arzneimittel gegeben, zunehmend aber auch Nahrungsmitteln zugesetzt.
Von der Schulmedizin lange nicht ernst genommen
Der Begriff der Probiotika wurde schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt, doch von der Schulmedizin wurde die Therapierichtung lange Zeit nicht ernst genommen. Inzwischen aber mehren sich Studien mit Probiotika und es handelt sich dabei durchaus um ernst zu nehmende klinische Untersuchungen, die den Wirkstoffen vor allem bei der Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eine klare Indikation zuweisen.
Gute Therapieeffekte bei der Colitis ulcerosa
Das ist wenig erstaunlich, da bei den CED Störungen der Mikroflora ein grundlegendes Problem darstellen. Es kommt dadurch zu einem Übertritt von Bakterien in die Mukosa, zur Antigenpräsentation und damit auch zu Immunreaktionen und praktisch zu Entzündungsreaktionen. Probiotika können offensichtlich korrigierend in diesen Prozess eingreifen, wie Fallberichte und auch erste klinische Studien dokumentieren.
Entsprechend der aktuellen Studienlage lässt sich beispielsweise durch das Präparat E. coli Nissle 1917 die Remission bei Patienten mit Colitis ulcerosa erhalten und das, wie zwei Studien belegen, ähnlich gut wie durch die Standardtherapie mit Mesalazin.
In einer Pilotstudie wurde ferner dokumentiert, dass Probiotika in Kombination mit Prednisolon gegenüber Prednisolon plus Plazebo eine deutlich geringere Rezidivrate erwirken. In Studien gesichert ist ferner die therapeutische Wirksamkeit von E. coli Nissle 1917 bei der Primär- wie auch der Sekundärprävention einer Pouchitis.
Warnung vor dem unkritischen Einsatz
Allerdings ist festzuhalten, dass nur einzelne Präparate derart in Studien getestet wurden und die Ergebnisse keinesfalls auf alle Probiotika übertragen werden können und schon gar nicht auf Präparate, die den Nahrungsmitteln zugesetzt werden. Auch bei den Pharmazeutika ist für jedes einzelne Präparat zudem ein Wirksamkeitsnachweis zu führen, und es sind Daten zur Toxizität zu erheben. Solche Studien stehen für so manche propagierten Probiotika derzeit noch aus.
Ferner sollte man sich davor hüten, die Therapieeffekte der Probiotika zu überschätzen, denn es gibt durchaus auch Situationen, in denen die eingesetzten Präparate dem Patienten eher schaden als nutzen. So wurde zum Beispiel gesehen, dass Laktobazillen die postoperative Rezidivrate bei Patienten mit Morbus Crohn nicht senken, sondern sogar noch erhöhen. Deshalb warnen die Gastroenterologen derzeit vor dem unkritischen Einsatz der Probiotika bei Darmerkrankungen. Zu fordern sei vielmehr für jedes Präparat der Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit der Medikation im Rahmen kontrollierter Studien, wie diese auch bei anderen Pharmazeutika üblich sind.
Probiotika werden aus Sicht der Schulmedizin oft noch in den Bereich des Alternativen oder sogar des Mystischen verwiesen. Doch bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen gibt es Hinweise auf eindeutige Therapieeffekte. Allerdings steht die Entwicklung der neuartigen Therapieoptionen erst am Anfang und die Zukunft muss zeigen, inwieweit sich die viel versprechenden Ansätze wissenschaftlich etablieren können.
Zum Weiterlesen:
Probiotika Med Monatsschr Pharm 2002; 25: 186 – 192 www.deutscher-apotheker- verlag.de/MMP
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