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Gentechnologie
S. LiMolekulares Farming – Produktion rekombin
Transgene Pflanzen als Proteinproduzenten
Die Proteinproduktion in transgenen Pflanzen ist im Vergleich zu anderen Produktionssystemen kostengünstiger und hat eine höhere Upscale-Kapazität (Tab. 1). Die rekombinanten Proteine aus Pflanzen haben ähnliche Glykosylierungsmuster wie die aus tierischen Systemen, und zudem besteht nur eine geringe Kontaminationsgefahr mit Endotoxinen, Viren, Prionen oder onkogenen DNA-Sequenzen (Tab. 1).
Pflanzen brauchen zum Wachsen nur Wasser, Licht, Erde und Mineralien und werden mit den üblichen landwirtschaftlichen Methoden angebaut. Deshalb ist nicht nur das Startkapital gering, sondern die laufenden Kosten sind auch vergleichsweise niedrig. Für molekulares Farming ist hochqualifiziertes Personal nicht notwendig.
Pflanzen können in Form von Samen kostengünstig aufbewahrt werden, wodurch weitere Kosten gespart werden können. Man schätzt, dass die Herstellungskosten für die gleiche Menge rekombinanter Proteine durch molekulares Farming, je nach Ausbeute, nur 2 bis 10% der Herstellungskosten mittels bakterieller Fermentation betragen. Im Vergleich zu Säugetier-Zellkulturen liegen die Kosten sogar bei nur 0,1%.
Die Kapazität der mikrobiellen Produktionsverfahren ist durch die Fermenter-Anlagen begrenzt. Bei transgenen Tieren liegt die Einschränkung bei der Räumlichkeit für die Tierhaltung. Die Proteinproduktion in Pflanzen hängt von der Anbaufläche ab; sie kann bei einjährigen Pflanzen (z. B. Tabak) sehr schnell vervielfacht werden.
Post-translationale Modifikationen
Eukaryontische Proteine werden häufig post-translational modifiziert (nach oder während der Synthese der Peptidkette), z. B. durch Glykosylierung. Die Glykankette eines Proteins könnte für die biologische Aktivität, Stabilität oder Bioverteilung des Proteins wichtig sein. Die rekombinanten Proteine aus Pflanzen sind, trotz der evolutionären Distanz zwischen Pflanzen und Tieren, erstaunlicherweise ähnlich glykosyliert wie die Proteine aus tierischen Systemen (Abb. 1).
N-Acetylglucosamin und Mannose sind die Hauptbestandteile der Zuckerketten. Die tierischen Proteine enthalten zwei zusätzliche Zuckerkomponenten, nämlich Galaktose und Acetylneuraminsäure, während in pflanzlichen Proteinen immer Xylose zu finden ist. Ein weiterer Unterschied ist die unterschiedliche Verknüpfung der Fucose mit dem N-Acetylglucosamin: In tierischen Proteinen liegt eine α(1,6)-Verknüpfung, in pflanzlichen Proteinen eine α(1,3)-Verknüpfung vor. Pflanzen produzieren keine Endotoxine und enthalten keine humanpathogenen Viren, Prionen oder onkogene DNA, welche ein Risiko bei der Anwendung von rekombinanten Proteinen bakterieller und tierischer Herkunft darstellen können.
Produktionspalette des molekularen Farming
Obwohl ganz verschiedene rekombinante Proteine, wie z. B. Antikörper, Impfstoffe, Hormone, humanes Serumalbumin, α-Interferon und technische Proteine, in Pflanzen produziert werden können, liegen die Schwerpunkte des molekularen Farming vor allem bei der Produktion von Antikörpern und Impfstoffen.
Antikörper
Seit der erfolgreichen Expression des ersten Antikörpers in einer Pflanze (Tabak, 1989) wurden nicht nur vollständige Antikörper, sondern auch Antikörper-Fragmente und Antikörper-Fusionsproteine in Pflanzen hergestellt (Abb. 2). Einige solche Antikörper oder Antikörper-Derivate befinden sich zurzeit in der präklinischen oder klinischen Prüfung (Tab. 2). Ihre vorgesehenen Indikationen sind Krebserkrankungen, Virusinfektionen und die Prophylaxe bestimmter Krankheiten.
Der am weitesten entwickelte Antikörper aus Pflanzen ist ein sekretorischer chimärer IgA/IgG-Antikörper (SIgA/G) von der Firma Planet Biotechnology, der gegen das Anheftungsprotein von Streptococcus mutans wirksam ist. Der Hersteller hofft, diesen Antikörper zur Kariesprophylaxe in den nächsten Jahren auf den Markt zu bringen.
Impfstoffe
Der erste in einer Pflanze hergestellte Impfstoff war das Hepatitis-B-Virus-Oberflächenantigen. Viele weitere Impfstoffe konnten inzwischen in Pflanzen produziert werden, z. B. hitzelabiles Protein aus Escherichia coli, Kapselprotein von Norwalkviren, Diabetesautoantigen, Choleratoxin B und das Fragment C des Tetanustoxins.
Außer in Tabak, der Pionierpflanze der Gentechnik, wurden Impfstoffe auch in essbaren Pflanzen produziert. Die Überlegung dabei war, dass 95% der Herstellungskosten rekombinanter Proteine aus Pflanzen auf die Proteinreinigung entfallen. Falls die orale Gabe der Blätter, Früchte oder Knollen einer transgenen Pflanze, die ein entsprechendes Antigen produziert, eine klinisch relevante Immunisierung bewirken könnte, wäre ein sehr preisgünstiger Impfstoff geschaffen.
Drei kleine Studien wurden bisher mit Impfstoffen in essbaren Pflanzenteilen durchgeführt (Tab. 3). Die Teilnehmer haben zwei- bis dreimal täglich rohe Kopfsalatblätter oder rohe Kartoffelknollen mit rekombinanten Impfstoffen verzehrt. Die Studien zeigten zwar eine Immunantwort bei den Teilnehmern der Verum-Gruppen, aber die Antikörperkonzentration war sehr niedrig und ging schon nach einigen Wochen sehr stark zurück, sodass die klinische Relevanz solcher Impfstoffe infrage gestellt werden muss.
Methodik des molekularen Farming Transformationssysteme
Normalerweise wird die codierende DNA-Sequenz eines zu exprimierenden Proteins hinter einem pflanzlichen Promotor in einen Expressionsvektor inseriert, der dann mit einem Transformationssystem in die Pflanzen eingebracht wird. Häufig wird der 35S-Promotor des Blumenkohlmosaikvirus (CaMV) verwendet, insbesondere für die Expression in zweikeimblättrigen Pflanzen. Für einkeimblättrige Pflanzen wird der Mais-Ubiquitin-1-Promotor bevorzugt.
Das Transformationskonstrukt mit der zu exprimierenden Sequenz wird üblicherweise in das Bakterium Agrobacterium tumefaciens eingebracht, mit dem dann sterile Blattstücke der zu transformierenden Pflanze durch kurze gemeinsame Inkubation infiziert werden. Danach werden die Blattstücke zunächst auf antibiotikumfreiem Medium regeneriert. Nach zwei Tagen werden sie auf einem Medium mit einem Antibiotikum umgelegt, damit die Agrobakterien abgetötet werden.
Aus den Blattstücken entstehen nach Tagen oder Wochen kleine Pflanzensprosse, deren Wurzeln durch Umimpfen in ein neues Medium mit entsprechenden Pflanzenhormonen induziert werden. Danach werden die Pflanzen auf ein Feld gepflanzt und normal kultiviert. Dieses Verfahren ist für zweikeimblättrige Pflanzen sehr gut geeignet. Es funktioniert zwar auch bei einkeimblättrigen Pflanzen, aber mit viel schlechterer Effizienz.
Ein alternatives System ist die "Particle Gun", bei der das Expressionskonstrukt direkt in die Zellen geschossen wird. Dieses Verfahren ist sowohl für zwei- als auch für einkeimblättrige Pflanzen geeignet. Die Methode der Wahl ist zurzeit die Agrobacterium-Transformation.
Zusammengesetzte Proteine
Wenn ein Protein aus zwei oder mehreren Untereinheiten besteht (wie z. B. Antikörper), gibt es zwei Produktionswege:
1. Es werden zunächst transgene Pflanzen hergestellt, die jeweils nur eine Untereinheit exprimieren; dann werden diese Pflanzen auf klassische Weise (Bestäubung) miteinander gekreuzt, sodass eine Pflanze entsteht, die das vollständige Protein produziert (Abb. 3).
2. Die Gene der einzelnen Untereinheiten werden in einen einzigen Vektor jeweils hinter einen Promotor inseriert und in eine Pflanze eingebracht. Die erste Variante ist sicher, aber zeitaufwändig; die zweite ist molekularbiologisch schwieriger.
Transgene Pflanzen
Tabak wird sehr häufig für die Expression rekombinanter Proteine verwendet. Bei ihm sind die Transformations- und Expressionstechniken gut etabliert, und er liefert eine hohe Ausbeute. Tabak kann auch mehrmals pro Jahr kultiviert werden. Ein Nachteil ist das Vorhandensein von toxischen Substanzen, wie Alkaloiden (Nicotin) und Phenolen, die bei der Nachbearbeitung eliminiert werden müssen.
Um dieses Problem zu umgehen, wurden Expressionsversuche in Getreidekörner (Mais, Weizen, Reis) oder in Bohnen durchgeführt. Vorteilhaft ist dabei nicht nur die Abwesenheit von toxischen Stoffen, sondern auch die große Stabilität der Proteine im Samen: bei Raumtemperatur einige Jahre lang. Die wesentlichen Nachteile sind die bisher schlechte Ausbeute der Expression und die Verwechslungsgefahr mit nicht transgenem Getreide. Kartoffeln wurden oft für die Expression essbarer Impfstoffe verwendet.
Steigerung der Ausbeute
Wenn ein Protein ohne Signalsequenz in Pflanzen exprimiert wird, reichert es sich im Apoplast, dem Zwischenraum von Zellwänden, an. Seine typische Konzentration liegt bei 0,1 bis 1% der gesamten löslichen Proteine. Wenn das Protein mit einer Signalsequenz von vier Aminosäuren (KDEL) fusioniert wird, akkumuliert es im endoplasmatischen Retikulum. Dabei wurde eine 2- bis 10fache Ausbeutesteigerung erzielt.
Seit kurzer Zeit wurde auch versucht, das Expressionskonstrukt nicht in den Zellkern, sondern in die Plastiden einzuschleusen. Da pro Zelle viele Plastiden vorkommen können, kann eine recht hohe Ausbeute erreicht werden. Neuesten Berichten zufolge wurde das Fragment C des Tetanustoxins in Tabak-Chloroplasten exprimiert und dabei eine Konzentration von 25% der gesamten löslichen Proteine der Blätter erreicht. Ein Nachteil der Plastid-Expression ist, dass die Plastiden nicht in der Lage sind, die exprimierten Proteine post-translational zu modifizieren.
Probleme und Lösungsansätze
Manche Proteine konnten bisher nur mit geringer Ausbeute in Pflanzen exprimiert werden: entweder war ihre Expressionsrate niedrig, oder das Protein war instabil. Zudem ist die Glykankette der rekombinanten Proteine aus Pflanzen zwar derjenigen der tierischen Proteine ähnlich, jedoch besteht noch Modifikationsbedarf. Es gab schon erfolgreiche Experimente, bei denen die Glykankette durch Coexpression einer Galaktosyltransferase um eine Galaktose verlängert wurde.
Ein weiteres Problem in Hinblick auf die biologische Sicherheit ist die Gefahr, dass die Primärsequenz und Vektorsequenz (für die Antibiotika- bzw. Herbizidresistenz) von den transgenen Pflanzen auf andere Pflanzen (evtl. auch Mikroorganismen) übertragen werden und dann eventuell in der Nahrungskette von Menschen und Tieren auftreten. Solche Übertragungen finden hauptsächlich durch vertikalen (sexuellen) Gentransfer zwischen verwandten Pflanzen durch Pollen statt.
Die Pollenverbreitung muss daher durch geeignete Maßnahmen verhindert werden: z. B. durch rechtzeitige Ernte der Pflanzen vor dem Blühen oder durch räumliche bzw. zeitliche Isolierung der transgenen Pflanzen von den verwandten nicht transgenen Pflanzen. Eine Alternative wäre die Eliminierung der Sequenzen für die Antibiotika- bzw. Herbizidresistenz nach der Transformation oder der Verzicht auf solche Selektionsmarker.
Fazit
Verschiedene Proteine sind durch molekulares Farming in Pflanzen erfolgreich herstellbar. Auch komplex zusammengesetzte Proteine wie Antikörper können richtig gefaltet, zusammengelagert und ähnlich wie in Säugetieren glykosyliert werden. Vorteile des molekularen Farming sind die geringen Kosten und die hohe Upscale-Kapazität. Dieses Verfahren ist für die Gewinnung von Antikörpern, Impfstoffen und technischen Proteinen erfolgversprechend, dagegen sind die Erfolgsaussichten "essbarer Impfstoffe" umstritten.
Es besteht noch Optimierungsbedarf hinsichtlich der Expressionsstärke sowie der Glykosylierungsmuster der Proteine. Bei der Planung muss immer von Fall zu Fall unterschieden werden, in welcher Pflanze, welchem Organ und mit welchem intrazellulären Targeting das rekombinante Protein exprimiert wird, wobei die Ausbeute, Stabilität, Glykosylierung und Schwierigkeit der Proteinreinigung in Betracht gezogen werden sollten. Natürlich muss stets die biologische Sicherheit berücksichtigt werden.
Den landwirtschaftlichen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zur Gewinnung arzneilich verwendeter Proteine bezeichnet man als molekulares Farming. Die Methode erscheint verblüffend einfach und vorteilhaft, weil die Produktionskosten viel niedriger sind als in anderen Produktionssystemen. Allerdings ist es noch nicht gelungen, stabile transgene Pflanzen zu kreieren, die die gewünschten Wirkstoffe dauerhaft in großer Konzentration synthetisieren. Davon abgesehen besteht ein hohes Risiko, dass das Erbgut der transgenen Pflanzen die mit ihnen verwandten Pflanzen kontaminiert.
Der Autor
Priv.-Doz. Dr. Shu-Ming Li studierte Pharmazie an der Universität Beijing, wurde 1983 Bachelor of Science und 1986 Master of Medicine. Seine Dissertation über Isolierung und Strukturaufklärung von Phlorotanninen aus Algen hat er 1992 in Bonn bei Prof. Dr. Glombitza angefertigt. Von 1992 bis 1995 arbeitete er an der Reinigung und Charakterisierung von biosynthetischen Enzymen aus Pflanzenzellkulturen im Arbeitskreis von Prof. Dr. L. Heide in Freiburg und Tübingen.
Seit 1995 ist er wissenschaftlicher Angestellter am Pharmazeutischen Institut in Tübingen und hat sich im Januar 2004 für das Fach Pharmazeutische Biologie habilitiert. Seine jetzigen Forschungsschwerpunkte sind biochemische und molekularbiologische Untersuchungen zur Biosynthese von Sekundärstoffen in Bakterien und Pilzen.
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