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Feuilleton
Ornithologie: Naumann-Museum in Köthen
Zum Beispiel: Riesenalk
Am 3. Juni 1844 wurden auf der Insel Eldey im Südwesten Islands die letzten beiden Riesenalken (Pinguinus impennis) durch einen Fischer erschlagen. Die mit den nur im Südatlantik verbreiteten Pinguinen nicht verwandte Art, die im nördlichen Atlantik und in prähistorischen Zeiten sogar im Mittelmeerraum heimisch war, war bereits im 18. Jahrhundert durch den Menschen stark dezimiert worden.
Über die Lebensweise der ausgerotteten Spezies ist nur wenig bekannt. Es haben auch nur wenige Präparate des Riesenalks die Zeitläufte überdauert. Ein Exemplar, das 1830 in der Geirfugelscheeren vor Reykjavik erbeutet worden ist, befindet sich im Naumann-Museum. Zusammen mit einigen anderen Präparaten von ausgestorbenen und bedrohten Vogelarten soll es die Besucher für den Naturschutz sensibilisieren.
So neu, wie es zunächst scheint, ist der Naturschutzgedanke eigentlich nicht. Denn Johann Friedrich Naumann (1780 – 1857) hatte schon Anfang des 19. Jahrhunderts die enge Beziehung zwischen Populationen und Biotopveränderungen durch menschlichen Einfluss erkannt.
Vom Naturalienkabinett zum öffentlichen Museum
Die Auseinandersetzung des Museums mit Problemen der Gegenwart geht unter anderem auf die Initiative des Köthener Apothekers Paul Gottschalk zurück, der ab 1906 Vorsitzender des "Ornithologischen Vereins Cöthen" war. Damals begann man zunächst, die einst in fürstlichem Besitz befindliche Präparatesammlung Johann Friedrich Naumanns um dessen künstlerischen und wissenschaftlichen Nachlass zu erweitern.
Nach der Eröffnung als öffentliches Museum im Ferdinandbau des Köthener Schlosses 1915 kamen zahlreiche Sachzeugen des Schaffens anderer Ornithologen hinzu, und 1980, zum 200. Geburtstag des "Vaters der mitteleuropäischen Vogelkunde", wurde die Ausstellungsfläche um drei Räume mit Zeugnissen der jüngeren Ornithologiegeschichte auf internationaler Ebene erweitert.
Heute unterhält das Museum weltweit Kontakte zu wissenschaftlichen Einrichtungen. Mit Estland und der Mongolei gibt es gemeinsame Forschungsprojekte.
Ornithologisches Familienteam
Johann Friedrich Naumann war 1780 in Ziebigk bei Köthen zur Welt gekommen. Sein Vater, Johann Andreas Naumann, ging wie viele andere Landwirte seiner Zeit häufig auf die Vogeljagd. Dabei studierte und notierte er nicht nur die Lebensgewohnheiten der Vögel in freier Natur, sondern begann auch, gefangene Vögel zu beobachten und zu beschreiben.
Johann Friedrich und sein jüngerer Bruder Carl Andreas begleiteten ihren Vater oft zum Vogelherd. Während der Ältere Talent im Umgang mit Pinsel und Feder entwickelte, war der Jüngere ein passionierter Vogeljäger.
Gerade die unterschiedlichen Ambitionen der Naumanns ergänzten sich bei der Erforschung der Vogelwelt. So gewannen sie für die damalige Zeit neue Erkenntnisse über die Beziehungen der Spezies zu Vegetation, Standort, Klima, Nahrungsangebot, Feinden und Zivilisation. Folglich stellte Johann Friedrich Naumann in seinen Vogeltafeln stets die Arten zusammen mit biotypischen Pflanzen und Landschaftsformen dar.
Schon der Vater hatte seine Erkenntnisse in ornithologischen Werken veröffentlicht. Seinen Sohn Johann Friedrich beauftragte er mit der Illustration seiner "Naturgeschichte der Vögel Deutschlands, nach eigenen Erfahrungen entworfen".
Das zwölfbändige Werk erschien zwischen 1820 und 1844 "durchaus umgearbeitet, systematisch geordnet, sehr vermehrt, vervollständigt und mit getreu nach der Natur eigenhändig gezeichneten und gestochenen Abbildungen aller deutschen Vögel, nebst ihren Hauptverschiedenheiten, aufs Neue herausgegeben von dessen Sohne Johann Friedrich Naumann".
Bruder Carl Andreas war indessen ab 1807 Leibjäger von Herzog August Christian Friedrich von Anhalt-Köthen. Dieser schätzte und förderte die wissenschaftlichen Leistungen der Familie Naumann. Nach der Übernahme der Försterei in Kleinzerbst 1811 notierte Carl Andreas für seinen Bruder seine Beobachtungen und lieferte ihm manche Rarität.
Herzog Ferdinand Friedrich erteilte dann Johann Friedrich das Privileg, überall im Herzogtum Anhalt-Köthen Vögel schießen zu dürfen. 1821 erwarb der Landesherr für 2000 Reichstaler in Gold Naumanns Vogelsammlung mit 691 Vögeln in 325 Arten für sein Naturalienkabinett.
Zugleich wurde Naumann als "Herzoglicher Inspector" des Ornithologischen Kabinetts eingestellt und 1837 mit dem Titel "Anhalt Cöthener Professor für Naturgeschichte" ausgezeichnet.
Köthen wurde ein "Mekka" für Ornithologen
1845 trafen sich in Köthen erstmals Ornithologen aus ganz Deutschland, um einen Verein zu gründen. Dieser wurde fünf Jahre später auf dem zweiten Kongress in Leipzig in "Deutsche Ornithologen-Gesellschaft" umbenannt. Nach Johann Friedrich Naumanns Tod (1857) betreute dessen Sohn Friedrich Edmund die Sammlung im Schloss.
Um 1900 wurde der mittlerweile "vom Zahn der Zeit angefressene" Bestand wiederentdeckt. Um das Erbe Naumanns zu bewahren, wurde 1903 die "Zwanglose Vereinigung von Freunden der Vogelwelt" gegründet. Zwei Jahre später benannte man den Verein in "Ornithologischer Verein Cöthen" um. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Museum in kommunale Trägerschaft über.
Heute noch spiegelt die Naumannsche Vogelsammlung den wissenschaftlichen Stand des Biedermeier und die Entwicklung der Präparierkunst wider. Mit der biotopartigen Hintergrundbemalung der Vitrinen ging Johann Friedrich Naumann neue Wege. Präsentationen zur Problematik des Aussterbens und zum Vogelschutz, über die Entwicklung des Präparierens vom "Ausstopfen" zur Dermoplastik sowie die Unterteilung der Ornithologie in Teildisziplinen stellen einen Bezug zur Gegenwart her.
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