DAZ aktuell

Kuriose Vertriebspraxis: Humanmedizin vom Veterinär?

Wenn Tierärzte über Testkäufe in Apotheken die rezeptfreie Abgabe eines der Verschreibungspflicht unterliegenden Katzen-Entwurmungsmittels feststellen, bemühen sie gerne die Staatsanwaltschaft. Aus dem Städtchen Wangen in Baden-Württemberg kommt aktuell folgende Geschichte, die zeigt, was geschieht, wenn als Folge des Gesundheitsreform-Chaos Arzt und Tierarzt zum Schaden der Apotheke zusammen arbeiten:

Eine über 80-jährige Heimbewohnerin bittet ihren Hausarzt um ein Arzneimittel zur Linderung ihrer rheumatischen Schmerzen. Der Mediziner füllt einen Zettel aus und fragt die Patientin, ob sie etwas gegen Tiere habe. Als diese verwundert verneint, kommt die Erklärung: "Ich habe hier ein Rheumamittel für Pferde aufgeschrieben, das ich mit gutem Erfolg einsetze. Holen Sie sich dieses Mittel beim Tierarzt XY, mit dem ich zusammenarbeite." Die Dame tut, wie ihr befohlen und erhält in der Tierarztpraxis gegen Barzahlung von 20,50 Euro 300 Gramm Tensolvet® Gel für Pferde. Dieser Vorgang provoziert verschiedene rechtliche Fragen.

Darf ein Tierarzt als Tierarzneimittel zugelassene Medikamente für die Behandlung von Menschen abgeben?

Das Arzneimittelgesetz (AMG) regelt in § 43 Abs. 4 und 5 klar, dass Tierärzte Medikamente an die Halter der von ihnen behandelten Tiere abgeben dürfen. Dass eine 80-Jährige im Heim kein Pferd hält, dürfte auf der Hand liegen bzw. mit einer einfachen Frage zu klären sein. Gemäß § 97 Abs. 2 Nr. 11 AMG stellt der Rechtsverstoß des Tierarztes eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Geldbuße geahndet werden kann.

Gibt es einen rechtfertigenden therapeutischen Notstand oder erheblichen finanziellen Vorteil für die Patientin?

Sicher nicht, denn auf dem deutschen Markt werden genügend als Humanarzneimittel zugelassene Gel-Zubereitungen mit der Wirkstoff-Kombination Heparin-Natrium plus Menthol plus (2-Hydroxyethyl)-salicylat angeboten, die außerdem deutlich preisgünstiger sind als die verordnete Pferdearznei. Die Frage, ob der Einsatz eines mit 5000 I.E./100 g sehr niedrig dosierten Heparin-Gels bei Rheuma den anerkannten Therapieleitlinien des dritten Jahrtausends entspricht, braucht hier nicht diskutiert zu werden.

Ist der Firma Albrecht die Belieferung eines Tierarztes mit Tierarzneimitteln zum Weiterverkauf an menschliche Patienten erlaubt?

Nein, denn gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 6 AMG dürfen apothekenpflichtige Tierarzneimittel wie Tensolvet® Gel außer an Apotheken nur abgegeben werden an "… Tierärzte zur Anwendung an den von ihnen behandelten Tieren und zur Abgabe an deren Halter."

Fazit

Ein rechtlich ahnungsloser Landarzt und ein seinen Apothekenumsatz steigernder Tierarzt bringen in eher ungewöhnlicher kollegialer Kooperation ein für die Anwendung am Menschen nicht zugelassenes Tierarzneimittel in den Verkehr. Ein Fall für Aufsichtsbehörde und Staatsanwalt.

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