Arzneimittel und Therapie

Lokale Schmerztherapie: Topika gegen Schmerzen – besser als ihr Ruf

Schmerzstillende Salben und Cremes werden in der Apotheke häufig verlangt, z. B. nach Sportverletzungen oder bei rheumatischen Beschwerden. Viele Ärzte sind jedoch nicht davon überzeugt, dass die topische Anwendung schmerzlindernder Substanzen tatsächlich effektiv ist. Ein Grund dafür könnte sein, dass auf diesem Gebiet bisher nur wenige relevante Studien veröffentlicht wurden und die vorhandenen nach Expertenmeinung größtenteils von geringer Qualität oder Validität sind. Ein erfreulicher Fortschritt auf diesem Gebiet ist daher die Veröffentlichung zweier systematischer Reviews in einer britischen Fachzeitschrift.

Es handelt sich dabei um zwei Metaanalysen mit der Fragestellung, ob die lokale Anwendung von Capsaicin und Salicylaten bei der Behandlung akuter und chronischer Schmerzen effektiver ist als Plazebo. Die Literatursuche erfolgt in verschiedenen Datenbanken, z. B. Cochrane Library, medline, Embase und PubMed im Zeitraum bis März bzw. April 2003. Alle Studien wurden zunächst hinsichtlich ihrer Qualität überprüft, und zwar mithilfe einer Punkte-Skala von 1 bis 5, wobei für die Aufnahme in die Metaanalyse mindestens zwei Punkte erreicht werden mussten.

Capsaicin bei chronischen Schmerzen

Eine der beiden Metaanalysen untersuchte anhand der Ergebnisse randomisierter plazebokontrollierter Studien die Effektivität und Sicherheit von topisch verabreichtem Capsaicin in der Behandlung von Schmerzzuständen bei neuropathischen und muskuloskeletalen Erkrankungen.

Primärer Endpunkt war die Zahl der Patienten, bei denen innerhalb von vier Wochen (bei muskuloskeletalen Erkrankungen) bzw. acht Wochen (bei neuropathischen Erkrankungen) eine Schmerzreduktion von mindestens 50% erzielt werden konnte. Sekundäre Endpunkte waren Nebenwirkungen und Behandlungsabbrüche aufgrund unerwünschter Wirkungen von Capsaicin.

Bezüglich der neuropathischen Erkrankungen wurden sechs plazebokontrollierte Doppelblindstudien mit insgesamt 656 Patienten gemeinsam ausgewertet. Die mittlere Ansprechrate einer Behandlung mit Capsaicin lag bei 57%, unter Plazebo bei 42%. Daraus ergibt sich ein relativer Nutzen einer topischen Behandlung mit einer 0,075%-igen Capsaicin-Zubereitung im Vergleich zu Plazebo von 1,4.

Bezüglich muskuloskeletaler Erkrankungen wurden drei plazebokontrollierte Doppelblindstudien mit insgesamt 368 Patienten ausgewertet. Die mittlere Ansprechrate einer lokalen Behandlung mit Capsaicin lag bei 38%, unter Plazebo bei 25%. Der relative Nutzen einer topischen Behandlung mit einer 0,025%-igen Capsaicin-Zubereitung (Creme oder Pflaster) im Vergleich zu Plazebo betrug damit 1,5. Bei etwa einem Drittel der Patienten verursachte Capsaicin Nebenwirkungen, die unter der Plazebo-Behandlung nicht auftraten.

Die Autoren schlussfolgern, dass topisch appliziertes Capsaicin eine schwache bis moderate Wirkung bei der Behandlung chronischer muskuloskeletaler oder neuropathischer Erkrankungen besitzt. Es kann daher entweder als adjuvante Therapieform oder als alleinige Therapie bei einer kleinen Zahl von Patienten, die auf andere Behandlungsmöglichkeiten nicht ansprechen oder sie nicht vertragen, sinnvoll sein.
 

Wirkungsmechanismus von Capsaicin

Capsaicin ist ein Inhaltsstoff des Cayennepfeffers. In topischen Zubereitungen ist Nonivamid (Nonylsäurevanillylamid), ein Demethylderivat des hydrierten Capsaicins, enthalten. Bei lokaler Anwendung auf der Haut tritt es mit Rezeptoren sensorischer Neuronen und C-Nervenfasern in Wechselwirkung. Als Folge davon wird der Neurotransmitter Substanz P freigesetzt sowie dessen Reakkumulation vorübergehend verhindert. Diese Vorgänge erklären die auf der Haut zunächst ausgelöste Irritation. Die Nervenendigungen selbst verarmen an Substanz P. Spezifische Signale, deren Übertragung von der Peripherie zum Zentralnervensystem normalerweise von diesem Mediator abhängen, werden unterbunden, es schließt sich eine vorübergehende Desensibilisierung gegenüber Schmerz an.

Salicylat-haltige Topika

Eine weitere Metaanalyse befasste sich mit Studien, in denen eine Behandlung mit Salicylat-haltigen Topika, so genannten Rubefacientia, bei akuten und chronischen Erkrankungen mit Plazebo verglichen wurde. Primärer Endpunkt war die Zahl der Patienten mit einer Schmerzreduktion von mindestens 50% innerhalb einer Woche bei akuten und innerhalb von zwei Wochen bei chronischen Erkrankungen.

Drei plazebokontrollierte Doppelblindstudien umfassten 182 Patienten mit akuten Beschwerden. Topisch applizierte Salicylate waren signifikant besser als Plazebo. Die mittlere Ansprechrate lag bei 67%, unter Plazebo jedoch nur bei 18%. Daraus ergibt sich ein relativer Nutzen der Salicylat-Behandlung gegenüber der mit Plazebo von 3,6.

In sechs plazebokontrollierten Doppelblindstudien mit insgesamt 429 Patienten mit chronischen Beschwerden waren topische Salicylate mit einer mittleren Ansprechrate von 54% ebenfalls besser als Plazebo (Ansprechrate 36%). Der relative Nutzen des Verums gegenüber dem Plazebo lag bei 1,5. Lokale Nebenwirkungen und Behandlungsabbrüche waren in diesen Studien selten.

Die Autoren schlussfolgern, dass – bei begrenzter Datenlage – Salicylat-haltige Topika in der Behandlung akuter Schmerzen über sieben Tage wirksam sein können, bei chronischen Schmerzen besteht bei 14-tägiger Anwendung eine geringe bis moderate Effektivität.

Tab. 1: Auswahl Capsaicin- bzw. Salicylat-haltiger Topika (Quelle: Rote Liste)

Nonivamid/CapsaicinoideSalicylat
Capsamol®NEnelbin® Paste
Finalgon®Kytta-Gel®
Gothaplast® No. 19 Capsicum WärmepflasterMobilat® aktiv Salbe
Hansaplast Lokale Schmerz-Therapie 
ABC Wärme-Pflaster® Cayennepfeffer
Salhumin® Gel
Jucurba Capsicum Schmerz-Emulsionzuk® Schmerzgel
Rheumasalbe von ct 
Rubriment® Rheuma Salbe 

Ein prinzipielles Problem

Die Durchführung von plazebokontrollierten Studien mit Rubefacientia wird von einigen Autoren generell für problematisch gehalten, da im Verum-Präparat eine Hautrötung auftritt, beim Plazebo (besser als "Vehikel" bezeichnet) jedoch nicht. Manche Autoren versuchen dieses Problem zu lösen, indem sie ein Plazebo verwenden, das zwar wirkstofffrei ist, jedoch andere potenziell hautrötende Zusätze enthält ("aktives Plazebo"). Ob diese Vorgehensweise zu realistischeren Ergebnissen in den Studien führt, ist noch nicht geklärt.

Die beiden vorgestellten Studien berücksichtigen nur Capsaicin und Salicylate, darüber hinaus gibt es jedoch noch weitere topische Analgetika wie NSAIDs (z. B. Ibuprofen, Diclofenac, Piroxicam), Mucopolysaccharidpolyschwefelsäureester oder die so genannten "Kältesprays". Möglicherweise sind dazu bald ähnliche Studien zu erwarten.

Dr. Claudia Bruhn, Berlin

Quelle 
Mason, L., et al.: Systemativ review of topical capsaicin for the treatment of chronic pain. Brit. Med. J. 328, 991 – 994. 
Mason, L., et al.: Systemativ review of topical rubefacients containing salicylates for the treatment of acute ad chronic pain. Brit. Med. J. 328, 995–997. 
Tramèr, M.R.: Commentary: It’s not just about rubbing – topical capsaicin and topical salicylates may be useful as adjuvants toconventional pain treatment. Brit. Med. J. 328, 998. 
Fachinformationen Hansaplast Lokale Schmerz-Therapie ABC Wärme-Pflaster Sensitive®.

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