Rechtsprechung aktuell

Arzneimittelversorgung: Erlaubnis für Zweigapotheke nur bei Notstand

Die Erlaubnis für den Betrieb einer Zweigapotheke darf nur bei Vorliegen eines Notstandes erteilt werden. § 16 ApoG ist nicht etwa deshalb weitergehend auszulegen, weil seit dem 1. Januar 2004 der Betrieb von bis zu drei Filialapotheken zulässig sein kann. (Verwaltungsgericht Oldenburg, Beschluss vom 15. März 2004, Az.: 7 B 1061/04)

Der Antragsteller ist Inhaber einer Apotheke und betreibt zudem im benachbarten Ort eine Zweigapotheke. Seinen Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis für den Betrieb der Zweigapotheke um weitere fünf Jahre lehnte die Erlaubnisbehörde ab. Nachdem der Antragsteller Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid eingelegt hatte, beantragte er beim Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz mit dem Begehren, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm bis zur unanfechtbaren Entscheidung über seinen Antrag vom 28. Januar 2004 zu gestatten, die Apotheke als Zweigapotheke zu betreiben.

Zweigapotheke nur bei Notstand in der Arzneimittelversorgung

Das Verwaltungsgericht lehnte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab. Ein für die Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb einer Zweigapotheke erforderlicher Notstand in der Arzneimittelversorgung liege nur dann vor, wenn in einem Gebiet ohne die Zweigapotheke Arzneimittel auch in Notfällen unter ganz ungewöhnlichen Voraussetzungen beschafft werden können, so dass latente Gefahren für Leib und Leben einer nicht unerheblichen Zahl betroffener Personen bestehen. Angesichts der in der Bundesrepublik Deutschland derzeit vorhandenen verkehrlichen Infrastruktur und modernen Kommunikationsmöglichkeiten, sowie der im Allgemeinen hohen Apothekendichte seien diese Voraussetzungen nur extrem selten erfüllt.

Einen Notstand vermochte das Gericht vorliegend nicht zu erkennen, weil die etwa sieben Kilometer entfernte Apotheke des Antragstellers über eine Landstraße in wenigen Minuten erreicht werden kann und sich weitere acht Apotheken in einer Entfernung von acht bis 10,6 km befinden.

Keine Aufweichung des § 16 ApoG durch das GMG

§ 16 ApoG bedürfe auch nicht deshalb einer weitergehenden Auslegung, weil seit dem 1. Januar 2004 abweichend vom bisherigen Recht neben der Hauptapotheke der Betrieb von bis zu drei Filialapotheken zulässig sein könne. Der Gesetzgeber habe trotz dieser grundlegenden Änderung des Apothekenrechts die Vorschrift des § 16 ApoG über Zweigapotheken unverändert gelassen. Seine Rechtfertigung finde dies darin, dass für Zweigapotheken weniger strenge Anforderungen an Beschaffenheit, Größe und Einrichtung der Betriebsräume gelten. Es bestehe weder die Verpflichtung, ein Laboratorium vorzuhalten, noch sei eine Mindestgröße der Räumlichkeiten vorgeschrieben. Eine zu großzügige Zulassung von Zweigapotheken würde mithin zu einer Umgehung der Regelungen für (Filial-) Apotheken führen und dem Inhaber der Zweigapotheke einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Geringere Anforderungen an Rezeptsammelstelle

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Zweigapotheke seien auch nicht bereits dann erfüllt, wenn ein Anspruch auf Errichtung einer Rezeptsammelstelle bestehe. Ein solcher ist schon dann gegeben, wenn die Rezeptsammelstelle zur ordnungsgemäßen Versorgung von abgelegenen Orten oder Ortsteilen ohne Apotheke erforderlich ist. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn der Weg zur nächstgelegenen oder -erreichbaren Apotheke und zurück mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mindestens einmal vormittags und nachmittags mit einem Zeitaufwand von nicht mehr als einer Stunde möglich ist.

Für den Betrieb einer Zweigapotheke setze § 16 ApoG indes weitaus höhere Maßstäbe, indem es einen "Notstand" voraussetze. Rezeptsammelstellen sollten auch nicht die Funktionen von Notfall- und Bereitschaftsapotheken erfüllen, sondern den Aufwand für die Beschaffung eines Medikaments auf ein zumutbares Maß reduzieren. 

Dr. Valentin Saalfrank

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