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Arzneimittel und Therapie
Herzrhythmusstörungen: Alternative zu Amiodaron bei Vorhofflimmern
Die American Heart Association definiert Vorhofflimmern als supraventrikuläre Tachyarrhythmie, charakterisiert durch unkoordinierte Aktivierung des Vorhofs mit daraus resultierender Störung der atriellen Funktion. Anders ausgedrückt: Vorhofflimmern ist eine überwiegend chaotische und schnelle Dysrhythmie des Herzens, die den kardialen Output stört. Erste Konsequenz neben der Arrhythmie ist eine Reduktion der linksventrikulären Funktion einhergehend mit einer verminderten körperlichen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Zudem steigt das Risiko für kardiale und systemische Thrombosen. Konkrete Lebensbedrohung besteht damit nicht. Langfristig ist die kardiale Mortalität jedoch um das Zweifache, das Schlaganfallrisiko um das Fünffache erhöht. Auch die Ergebnisse großer Studien wie der SOLVD- und der V-HeFT-Studie belegen, dass Patienten mit Vorhofflimmern eine höhere Mortalität besitzen als Patienten mit Sinusrhythmus.
Amiodaron: effektiv, aber nicht unproblematisch
Grundsätzlich lassen sich bei Vorhofflimmern zwei Strategien verfolgen: die Rhythmuskontrolle und die Frequenzkontrolle. Propagiert wurde über lange Jahre die Rhythmuskontrolle mit dem Ziel, den Sinusrhythmus wieder herzustellen und zu erhalten (Kasten). Zu den wichtigsten Antiarrhyhthmika gehört Amiodaron. Es wird den Klasse-III-Antiarrhythmika zugeordnet, die über eine Verzögerung des repolarisierenden Kaliumstroms wirken, besitzt aber die antiarrhythmischen Eigenschaften aller vier Antiarrhythmika-Klassen.
Die Probleme: Der hohe Jodanteil und die Organtoxizität als Folge der ausgeprägten Lipophilie. Nun ist ein chemisch eng mit Amiodaron verwandtes Molekül als Alternative in der Entwicklung: Dronedaron, ein nicht-jodiertes Benzofuranderivat, besitzt ebenfalls die charakteristischen Eigenschaften aller vier Antiarrhythmika-Klassen. Es blockiert die Natriumkanäle bei schnellen Pulsfrequenzen, den Kaliumeinstrom, verlängert die kardialen Aktionspotenziale und Refraktärzeiten und besitzt Calcium-antagonistische Eigenschaften. Im Gegensatz zu Amiodaron ist es jedoch weniger lipophil und enthält kein Jod.
Rhythmuskontrolle versus Frequenzkontrolle
In der Therapie des Vorhofflimmerns gibt es zwei Alternativen: Die Rhythmuskontrolle, sprich die Wiederherstellung und den Erhalt des Sinusrhythmus, und die Frequenzkontrolle, die sich auf die Reduktion der Herzfrequenz beschränkt. Über lange Zeit wurde die Rhythmuskontrolle als Therapie der Wahl propagiert.
Ein Umdenken erfordern jedoch die Ergebnisse der vor zwei Jahren publizierten AFFIRM-Studie, die beiden Regimes eine ähnlich hohe Wirksamkeit auf die Mortalität bescheinigte mit leichten Vorteilen für die Frequenzkontrolle in der Verträglichkeit. Die bis dahin als sekundäre Option eingestufte Variante der Frequenzkontrolle wurde durch diese Ergebnisse zumindest aufgewertet. Möglicherweise liegt die Lösung in Regimes, die beides können: den Sinusrhythmus erhalten und die Herzfrequenz senken.
Dronedaron verlängert die rezidivfreie Zeit
In der Dosisfindungsstudie DAFNE bei 270 Patienten über sechs Monate erwies sich Dronedaron in Dosen von zweimal 400 mg pro Tag als effektiv und gut verträglich zur Prävention von Vorhofflimmern nach Kardioversion. Mit dieser Dosis wurde dann ein weltweites Phase-III-Programm gestartet: EURIDIS (EURopean trial In atrial fibrillation or flutter patients receiving Dronedarone for the maintenance of Sinus rhythm) und ADONIS (American-Australian-African trial with DronedarONe In atrial fibrillation or flutter patients for the maintenance of Sinus rhythm).
Die zwei multizentrischen, kontrollierten Doppelblindstudien mit identischem Design prüften die Effektivität von Dronedaron auf den Erhalt des Sinusrhythmus bei über 1200 Patienten mit Vorhofflimmern und Vorhofflattern. In jeder Studie wurden etwa 400 Patienten mit Dronedaron und 200 Patienten mit Plazebo behandelt. Die Auswertung basierte auf einem regelmäßigen EKG-Monitoring. Das Ergebnis nach einem Jahr: Mit Dronedaron war eine wirksame Prävention von asymptomatischem und symptomatischem Vorhofflimmern möglich. So lag in EURIDIS die Zeit bis zum ersten Rezidiv unter Plazebo bei 41 Tagen, unter Dronedaron bei 96 Tagen.
Errechnet wurde eine relative Reduktion des kumulativen Risikos um 22%, in der ADONIS-Studie um 28%. Trat dennoch ein Rezidiv auf, war die Herzfrequenz unter Dronedaron deutlich niedriger (117,5 Schläge/Minute gegenüber 102,3 Schlägen pro Minute). Die Verträglichkeit lag auf Plazeboniveau. Insbesondere wurden keine proarrhyhthmischen Effekte beobachtet. Da es sich nicht um eine direkte Vergleichsstudie mit Amiodaron handelt und die Studiendauer nur bei zwölf Monaten lag, sind keine eindeutigen Aussagen über Vor- und Nachteile zulässig.
Tatsache ist, dass unter Amiodaron bereits innerhalb eines Jahres Organschädigungen beobachtet werden, wie beispielsweise eine sehr frühe Lebertoxizität. Außerdem ist davon auszugehen, dass die unter Amiodaron zu beobachtenden Schilddrüsenprobleme Probleme unter Dronedaron nicht zu befürchten sind.
Amiodaron: problematisch für die Schilddrüse
Immer wieder großes Kopfzerbrechen bereitet der Einfluss von Amiodaron auf die Schilddrüse. Kein Wunder. Denn das Antiarrhythmikum überschwemmt den Organismus mit Jod. Eine 200-mg-Tablette Amiodaron enthält 75 000 µg Jodid. Zum Vergleich: Der Tagesbedarf an Jod liegt gerade einmal zwischen 150 und 200 µg. Dann ist alles möglich: von nicht-therapiepflichtigen Veränderungen bis hin zu schweren Hyper- und Hypothyreosen. Immerhin 14 bis 18% der Patienten entwickeln therapiepflichtige Hypo- oder Hyperthyreosen. Bei Patienten, die Amiodaron erhalten, ist deshalb die regelmäßige Kontrolle der Schilddrüsenparameter Pflicht.
Amiodaron-induzierte Hyperthyreose
Als "kleineres Übel" im Zusammenhang mit Amiodaron gilt die Hypothyreose. Sie ist häufiger in Gebieten mit ausreichender Jodversorgung und trifft vor allem Patienten mit einer latenten Immunthyreoiditis vom Typ Hashimoto. Die Substitution mit L-Thyroxin ist die Therapie der Wahl. Aufgrund der Jodmangelsituation in Deutschland deutlich häufiger ist die Amiodaron-induzierte Hyperthyreose – und die ist ungleich schwieriger in den Griff zu bekommen. Ausschlaggebend für das weitere Prozedere ist die Differenzierung zwischen Typ-I- und Typ-II-Hyperthyreose.
Bei Typ I kommt es aufgrund einer defekten thyreoidalen Autoregulation zu einer gesteigerten Hormonbildung als Folge des Jodexzesses. Bei Typ II handelt es sich um eine destruierende Thyreoiditis, bei der die Freisetzung von Schilddrüsenhormonen gesteigert ist. Handelt es sich um eine Hyperthyreose vom Typ I, sollte Amiodaron möglichst abgesetzt werden. Da der Erfolg jedoch nur langsam eintritt, kann im Notfall eine Thyreoidektomie notwendig werden. Dann kann Amiodaron problemlos weitergegeben werden.
Bei Typ-II-Hyperthyreose ist eine Therapie mit Prednison möglich. Häufig handelt es sich allerdings um Mischformen. Dann empfiehlt sich eine Dreierkombination aus Methimazol, Perchlorat und Prednison. Spricht der Patient schnell an, handelt es sich eher um eine Typ-II-Threoiditis. Dann können Perchlorat und Methimazol ausgeschlichen werden.
Dr. Beate Fessler, München
Quelle
Pressekonferenz „New perspectives in the management of atrial fibrillation.“, ESC 2004, München, 29. August 2004, veranstaltet von der sanofi-synthelabo GmbH, Berlin.
1 Kommentar
Herzschwäche, Chronisch-Obstruktive Lungenerkrankung
von Peter Niedzwiedz am 19.07.2019 um 15:30 Uhr
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