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Quantenphysik: Teleportation – die spukhafte Fernwirkung

Teleportation ist die vollständige Übertragung einer Information an einen anderen Ort. Das Original wird eigenschaftslos bzw. informationslos. Es verschwindet. Der Wiener Physiker Anton Zeilinger hat 1997 zum ersten Mal einzelne Lichtquanten teleportiert. Seitdem ist die Vision des "Beamens", des dematerialisierten Transportes makroskopischer Dinge, ein kleines Stück näher an die Wirklichkeit gerückt.

Teleportation im wörtlichen Sinne gibt es nicht. Das Übertragen von Materie an einen anderen Ort, wie es zum ersten Mal in der Fernsehserie "Raumschiff Enterprise" aus den 1960er-Jahren als "Beamen" gezeigt wurde, ist unmöglich. Die physikalische Grundlage dazu, dass doch etwas daran sein könnte, ist allerdings um einiges älter. Bereits 1935 formulierten Albert Einstein (1879 – 1955) und seine Mitarbeiter Boris Podolski (1896 – 1966) und Nathan Rosen (1909 – 1995) das nach ihnen benannte EPR-Paradoxon, ein Gedankenexperiment, das schwere Irritationen sogar bei Einstein selbst auslöste. Denn das Ergebnis ihres Nachdenkens schien der noch jungen Quantentheorie zu widersprechen.

Quantenmechanik contra Relativitätstheorie?

Der EPR-Gedanke besagt, dass es quantenmechanisch möglich sein müsste, zwei Partikel so miteinander zu verschränken (zu verkoppeln, zu korrelieren), dass die Messung an einem der beiden automatisch Aufschluss über die Eigenschaften des anderen liefert – selbst wenn sie sich an entgegengesetzten Enden des Universums befänden. Für Einstein stand diese logische Schlussfolgerung in fundamentalem Widerspruch zur Heisenbergschen Unschärferelation. Danach sind die Eigenschaften subatomarer Objekte, wie Ort und Impuls, vor einer Messung nicht genau festgelegt, sondern "unscharf". Die Bestimmung eines Partikels A könne unmöglich den verschränkten Partner B aus seiner Unschärfe herausholen. Wie solle B wissen, welchen Quantenzustand A bei der Messung hat?

Spin

Der Spin (engl. spin, Drehung, Drall) ist ein Begriff der Quantenmechanik und wird auch als "Eigendrehimpuls" bezeichnet. Er ähnelt dem Drehimpuls von rotierenden Teilchen in seinem Verhalten, jedoch nicht in seiner Ursache. Denn er ist eine intrinsische Eigenschaft von Elementarteilchen, genau so wie Masse oder Ladung, und kann nicht auf elementarere Eigenschaften zurückgeführt werden.

Einstein folgerte deshalb, dass die Teilchen vor der Trennung die nötige Information ausgetauscht hatten. Da dieser Austausch von der Quantenmechanik nicht beschrieben wird, hielt er die Quantenmechanik für unvollständig. Es müsse verborgene Variablen geben, welche das Messresultat bereits bei der Trennung der Teilchen festlegen. Sollte es sie nicht geben, müssten die Teilchen durch "spukhafte Fernwirkungen" miteinander in Verbindung stehen, was Einstein selbst aber für unsinnig hielt. Ein kleines Beispiel soll das Problem erhellen.

Zerfällt beispielsweise das neutrale Pi-Meson in ein Elektron und ein Positron, fliegen diese beiden Teilchen kolinear in entgegengesetzter Richtung auseinander. Da das Meson selbst keinen Spin trägt, müssen die beiden Teilchen wegen der notwendigen Drehimpulserhaltung die entgegengesetzten Spins + 1/2 und – 1/2 tragen. Sie fliegen auseinander, sind aber verschränkt, das heißt, ihre Quantenzustände hängen direkt voneinander ab. Bestimmt man nun den Spin eines der weggeflogenen Teilchen, wird sofort der des anderen festgelegt, ganz egal, wie weit die beiden Teilchen voneinander entfernt sind und welchen Spin das gemessene Teilchen hat. Da es in der Quantenwelt vollkommen unklar ist, ob der Spin eines Teilchens vor der Bestimmung vorgelegen hat oder erst durch die Messung entstanden ist, muss das zweite Teilchen durch die Bestimmung eine Information über den eigenen Spinzustand erhalten haben. Das erscheint aber auch im Widerspruch zur speziellen Relativitätstheorie zu stehen. Denn diese Information müsste das zweite, nicht gemessene Teilchen ja schneller erreichen als mit Lichtgeschwindigkeit, da die beiden mit jeweils dieser Geschwindigkeit auseinander fliegen.

Verschränkung

Ein Helium-Atom besitzt zwei Elektronen. Diese zu unterscheiden ist weder möglich noch sinnvoll. Denn die zwei Elementarladungen sind in der Elektronenhülle kugelförmig verteilt und lassen sich nicht aufteilen. Es ergibt quantenmechanisch auch keinen Sinn, von zwei Einzelelektronen zu sprechen. Hat das eine die Quantenzahl n1, muss das andere n2 haben und umgekehrt. Erwin Schrödinger hat deshalb für solche Elektronenpaare den Begriff "verschränkter Zustand" eingeführt.

Eine getrennte Einheit

Das Paradoxon löst sich auf, wenn man von einem Doppelteilchen spricht, an dem durch eine Messung der Spin beider hergestellt wird. Da zunächst nicht bekannt ist, in welchem quantenmechanischen Zustand sich das gemessene Teilchen A befindet, kann man auch sagen, dass durch die Messung eine Information zu dem anderen Teilchen B transportiert wird. Das lässt sich damit erklären, dass die beiden Teilchen zwar in der wirklichen Welt getrennt vorliegen, aber dennoch als Einheit in einem abstrakten Raum, der als Zeit-Raum-invariant begriffen werden kann, befinden. Das Paradoxale daran ist, dass, wenn wir etwas über den Quantenzustand von A wissen, B denselben Zustand haben muss, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Beeinflusst man A, ändert sich B zwangsläufig ebenfalls.

Dieses Phänomen ist die Grundlage der Quantenteleportation. Es ist also vorstellbar, Information über ein materielles Teilchen weite Strecken ohne Zeitverlust zu transportieren. Materie wird dabei aber gerade nicht durch den Raum geschickt. In der Quantentheorie gilt außerdem das "No-Cloning-Theorem", das besagt, dass Quantenzustände nicht kopierbar sind. Für die Quantenteleportation bedeutet das, dass Teilchen A nach Übertragung der Quanteninformation seine Eigenschaften verliert.

Schrödingers Katze

Erwin Schrödingers 1935 veröffentlichtes Gedankenexperiment "verschränkt" das EPR-Paradoxon mit einem lebenden System: Eine Katze wird zusammen mit einem einzelnen radioaktiven Nuklid in eine Stahlkammer gesperrt. Der mögliche Zerfall des Radionuklids setzte einen Mechanismus in Gang, der die Katze sofort tötet. Nach Ablauf der Halbwertszeit des Nuklids ist daher die Katze mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% sowohl tot als auch lebendig. Öffnet man die Stahlkammer zu diesem Zeitpunkt, konstatiert man entweder den Zustand "tot" oder "lebendig". Die paradoxe Situation vor Öffnung der Stahlkammer ist jedoch, dass die Katze sowohl tot als auch lebendig ist. Denn solange ein Quantensystem nicht beobachtet wird, befindet es sich nicht in einem bestimmten, sondern in einem Überlagerungszustand aller beim Experiment möglichen Zustände; erst bei der Beobachtung bzw. Messung wird einer der möglichen Zustände verwirklicht.

Verschränkung steht am Beginn

1993 dachte die Forschergruppe um Charles Bennett von IBM öffentlich darüber nach, wie die Verschränkung für die Teleportation von Quantenzuständen genutzt werden könnte. Der Physiker Anton Zeilinger war 1997 der erste, der diese Idee in die Praxis umgesetzt hat. Für sein Experiment verwandte er Photonen (Lichtquanten). Die kann man verschränken, indem man sie von entgegengesetzten Seiten durch einen halbdurchlässigen Spiegel, einen Kristall aus Bariumborat (BaB2O4), schickt. In einem Viertel der Fälle treten auf beiden Seiten des Spiegels Photonen aus, die miteinander verschränkt sind. Sie sind gegensätzlich polarisiert, ohne dass man weiß, in welcher Ebene A und B jeweils schwingen. Trennt man das Photonenpaar AB mit physikalischen Tricks räumlich voneinander, kann das Experiment der Quantentransportation beginnen.

„Information ist ein wesentlicher Grundbaustein der Welt. Wir müssen uns von dem naiven Realismus, nach dem die Welt an sich existiert, ohne unser Zutun und unabhängig von unserer Beobachtung, irgendwann verabschieden.“ Anton Zeilinger, Physiker

Zeilinger hat in seinem ersten Versuch ein drittes Photon C mit dem Absenderphoton A verschränkt, das daraufhin den Quantenzustand von C mit umgekehrtem Vorzeichen annahm. Zeitgleich änderte das entfernte Empfängerphoton B seinen Quantenzustand auf dieselbe Weise, gleichsam durch telepathische Kräfte. Der Quantenzustand von C war auf B übergegangen, damit hatte eine Quantenteleportation stattgefunden.

In diesem Jahr ist es nun einer Gruppe von Wissenschaftlern in Innsbruck gelungen, Calciumionen über eine Entfernung von zehn Mikrometern zu teleportieren. Die Ionen wurden dazu auf wenige Millionstel Kelvin (knapp über dem absoluten Temperaturnullpunkt) abgekühlt und mit Hilfe von Lasern verschränkt.

Ebenfalls in diesem Jahr hat die Gruppe um Anton Zeilinger das so genannte Donau-Experiment durchgeführt. Sie wiederholten ihr Photonenexperiment auf einer Distanz von 630 Metern durch ein 800 Meter langes Glasfaserkabel, das sie durch den Donau-Düker der Wien Kanal Abwassertechnologien GmbH unter der Donau hindurch gezogen hatten. Das war die erste Quantenteleportation außerhalb eines Labors. Die Glasfasertechnik erwies sich als robust genug gegen Temperaturschwankungen und Vibrationen. Denn 50 Prozent der Photonen konnten teleportiert werden; die andere Hälfte wurde irgendwo auf der Strecke absorbiert. Nach diesem Erfolg soll versucht werden, Quantenteleportation über Satelliten durchzuführen.

Doch bis die Visionen der Science-Fiction-Autoren verwirklicht werden, kann es noch ein paar Jahrhunderte dauern. Menschen zu teleportieren, wird wohl immer Utopie bleiben. Aus heutiger Sicht ist nicht einmal daran zu denken, auch nur ein Bakterium zu verschicken. Ein Mensch besteht aus 1028 Atomen. Allein die atomare Beschreibung eines menschlichen Körpers überfordert die Vorstellungskraft. Ihn dann noch in einen quantenmechanischen Überlagerungszustand zu versetzen, erscheint nicht möglich. Die Heisenbergsche Unschärferelation würde beim Beamen von Menschen große Schwierigkeiten bereiten. Die Macher der Serie "Star Trek" lösten das Problem mittels erdachter Heisenberg-Kompensatoren. So einfach ist es in der Welt der Realitäten nicht.

Vom "Beam mich rauf, Scotty!" sind wir also noch weit entfernt. Zudem stellt sich die Frage, ob es sinnhaft ist, erst einen Haufen Materie und eine Teleportationsempfängerkammer auf einem trostlosen Planeten zu platzieren, um dann die Raumfahrer hinterherzuschicken. Ob es überhaupt erstrebenswert erscheint, die Mobilität des Menschen allein innerhalb der Erde wahrhaftig grenzenlos zu machen, ist eher eine psychologische Frage. Die Quantenteleportation hat aber bereits ganz konkrete Auswirkungen. Denn die Verschränkung ist auch Grundlage der Entwicklung von Quantenrechnern und der Quantenkryptographie.

Qubit

In der Physik der Quanteninformation, innerhalb derer die neuen Technologien Quantenteleportation, Quantencomputer und Quantenkryptographie entwickelt werden, bezeichnet das Quantenbit (qubit) die elementare Informationseinheit. Es hat wie das bit die zwei Zustände 0 und 1, kann aber in einer Superposition (Überlagerung) von 0 und 1 vorliegen, wie sie bei der Verschränkung gegeben ist.

Spione werden bemerkt

Quantencomputer würden die Datentechnik revolutionieren, denn ihre Geschwindigkeit sprengt alle bisher vorstellbaren Grenzen. Das geht vor allem auf das Quantenbit, kurz qubit, zurück, die Einheit der Information eines Quantencomputers. Im Gegensatz zum bit liegt das qubit nicht nur in den Zuständen 0 und 1 vor. Es kann sich auch in der Überlagerung beider Zustände befinden. Dadurch kann ein künftiger Quantencomputer alle Eingabedaten gleichzeitig bearbeiten.

Der erste Algorithmus, der auf einem Quantencomputer sehr viel schneller abläuft als auf einem herkömmlichen Rechner, zerlegt sehr große Zahlen in seine Primfaktoren. Gelingt es also, einen schnellen Quantenrechner zu bauen, werden die heutigen Verschlüsselungsverfahren wahrscheinlich hinfällig, da sie alle auf der bisher nicht berechenbaren Primfaktorzerlegung sehr großer Zahlen beruhen. Quantenrechner reagieren bisher noch sehr empfindlich auf Störungen. Elektrische und magnetische Felder können Quantensysteme sehr leicht zerstören. Deshalb werden die Quantensysteme wohl nur bei sehr tiefen Temperaturen betrieben werden, wenn es irgendwann soweit ist.

Viel weiter ist die Forschung bei der Quantenkryptographie, deren Grundlage ebenfalls die Verschränkung ist. Die ersten Verschlüsselungssysteme stehen vor der Praxisreife. Sendet man einzelne, verschränkte Photonen aus, kann niemand diese detektieren, ohne entdeckt zu werden, da jede Messung den Quantenzustand verändert. Anders als bei einem Fußball, dessen Bahn jedermann im Stadion verfolgen kann, ohne seinen Flug zu beeinflussen, ist die Beobachtung eines Photons nur durch Messung und damit durch eine Art Berührung möglich, was wiederum das Teilchen verändert. Aus diesem Grund ist die Quantenkryptographie so sicher. Ein Spion, der dem Photonenfluss lauschen will, verändert ihn und wird deshalb bemerkt.

Das Mysterium der spukhaften Fernwirkung steht damit an der Spitze der physikalischen Forschung. Das ist auch eine Art Fernwirkung, an die Einstein 1935 wohl noch nicht hat denken können. Die Welt der Quanten hat mit der Verschlüsselung die Alltagstechnik endgültig erreicht.

Dr. Uwe Schulte

Literatur 
Anton Zeilinger: Von Einstein zum Quantencomputer. Neue Zürcher Zeitung, 30. 06. 1999. 
Herbert Pietschmann: Quantenmechanik verstehen. Springer, Berlin 2003. 
Johan Villaume: Teleportation – Traum oder Wirklichkeit? Königliches Institut für Technologie, Stockholm 2003. 
Rupert Ursin et al.: Quantum Teleportation across the Danube. Nature 430, 849 (2004). 

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