Arzneimittel und Therapie

DPhG-Expertenmeinung: Rofecoxib und die anderen Coxibe

Am 30. September 2004 wurde der selektive Cyclooxygenase (COX)-2-Hemmer Rofecoxib (Vioxx®) vom Markt genommen. Das Präparat wurde in Deutschland von der MSD Sharp & Dohme GmbH vermarktet und erzielte weltweit einen jährlichen Umsatz von zwei Milliarden Euro. Der Grund der Rücknahme war die Zunahme kardiovaskulärer Erkrankungen in der APPROVe-Studie nach 18-monatiger Behandlung mit Rofecoxib mit einer täglichen Dosis von 25 mg. Fraglich ist, ob die kardiovaskulären Nebenwirkungen ein generelles Problem der COX-2-Inhibitoren darstellen.

Bei der der APPROVe(Adenomatous Polyp Prevention on VIOXX®)-Studie handelt es sich um eine auf drei Jahre geplante plazebokontrollierte, doppelblinde Studie zur Prävention des Wiederauftretens kolorektaler Polypen bei 2600 Patienten mit kolorektalen Adenoma. Nach 18-monatiger Einnahme von 25 mg/Tag Rofecoxib erhöhte sich im Vergleich zu Plazebo die Inzidenz von kardiovaskulären Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall) von 7,5 auf 15 pro 1000 Patienten.

Was sind Coxibe?

Coxibe sind selektive Cyclooxygenase-2-Inhibitoren. Im Gegensatz zu den klassischen Antirheumatika wie Diclofenac oder Ibuprofen, welche sowohl die COX-1 als auch die COX-2 hemmen, beeinflussen Coxibe in pharmakologisch relevanten Konzentrationen die COX-1 nicht. Klinische Untersuchungen ergaben, dass die selektiven COX-2-Inhibitoren ausgeprägte entzündungshemmende Eigenschaften besitzen und praktisch keine ulcerogene Wirkung mehr aufweisen. Dies lässt sich damit erklären, dass für die Entstehung gastrointestinaler Schädigungen offensichtlich die Hemmung beider Cyclooxygenasen notwendig ist (Abb. 1).

ABB. 1: HYPOTHESE ZUR ULCUSENTSTEHUNG Veränderung der gastralen 
Prostaglandin-E2-Produktion, des gastralen Blutflusses und der Leukozytenadhäsion am vaskulären Endothel nach Gabe von SC-560 (selektiver COX-1-Hemmer) bzw. Celecoxib (selektiver COX-2-Hemmer) bei Ratten (↑ = Zunahme, ↓ = Abnahme, „ ↔" keine Veränderung). Während 
die getrennte Applikation jeweils nicht zu gastralen Schädigungen führt, 
treten sie bei gemeinsamer Applikation auf.


Coxibe und das Prostacyclin-Thromboxan-A2-Gleichgewicht

Coxibe verschieben das Prostacyclin-Thromboxan-A2-Gleichgewicht zugunsten des Thromboxan A2. Die Biosynthese des potenten Thrombozyten-Aktivators und -Aggregators Thromboxan A2 erfolgt in Thrombozyten ausschließlich durch die COX-1, während die Biosynthese des Prostacyclins, welches aggregationshemmende und vasodilatierende Wirkungen aufweist, im Endothel mit signifikanter Beteiligung der COX-2 stattfindet (Abb. 2A).

Selektive COX-1-Hemmer, wie niedrig dosierte Acetylsalicylsäure, verschieben das Prostacyclin-Thromboxan-A2-Gleichgewicht zugunsten des Prostacyclins und hemmen so die Thrombozyten-Aggregation (Abb. 2B). Coxibe wie Rofecoxib, Lumiracoxib, Celecoxib oder Valdecoxib beeinflussen die Thromboxan-Biosynthese in Thrombozyten nicht, hemmen aber die COX-2-vermittelte Prostacyclin-Biosynthese im Endothel und verschieben somit das Gleichgewicht zugunsten des Thromboxan A2, was zu einer erhöhten Aggregationsneigung der Thrombozyten führt (Abb. 2C).

ABB. 2: DAS PROSTACYCLIN-THROMBOXAN-GLEICHGEWICHT Normalerweise stehen die Stimuli für die Thrombozytenaggregation (Thromboxan A2) und -disaggregation (Prostacyclin) im Gleichgewicht (A). Bei Gabe eines COX-1-Hemmers verschiebt sich das Gleichgewicht jedoch in Richtung Thrombozytendisaggregation (B) und bei Verabreichung eines COX-2-Hemmers in Richtung Thrombozytenaggregation (C).


Coxibe und kardiovaskuläre Erkrankungen

Aufgrund der Beeinflussung des Prostacyclin-Thromboxan-A2-Gleichgewichts durch Coxibe stellte sich bei der Bewertung der Sicherheit dieser Wirkstoffklasse die Frage, ob Coxibe eine kardiovaskuläre Toxizität aufweisen. In der CLASS-Studie, die die gastrointestinalen Nebenwirkungen von Celecoxib (2 x 400 mg/Tag) im Vergleich zu Diclofenac und Ibuprofen über einen Zeitraum von sechs Monaten an Osteoarthrose-Patienten untersuchte, wurde kein signifikanter Unterschied hinsichtlich kardiovaskulärer Nebenwirkungen zwischen Celecoxib und Ibuprofen/Diclofenac gefunden.

Im Rahmen der VIGOR-Studie, in der die gastrointestinale Sicherheit von Rofecoxib (1 x 50 mg/Tag) im Vergleich zu Naproxen über einen durchschnittlichen Behandlungszeitraum von neun Monaten bei Patienten mit rheumatoider Arthritis untersucht wurde, konnte dagegen eine deutlich erhöhte Inzidenz für myokardiale Infarkte in der Rofecoxib-Gruppe beobachtet werden (0,4% in der Rofecoxib-Gruppe gegenüber 0,1% in der Naproxen-Gruppe) [1]. Die kardiovaskulären Nebenwirkungen von Rofecoxib wurden jetzt in der APPROVe-Studie (s. o.) bestätigt, so dass der Wirkstoff vom Markt genommen wurde.

Problem der gesamten Wirkstoffklasse?

Daraus ergibt sich die Frage, ob die kardiovaskulären Risiken die gesamte Wirkstoffklasse oder nur Rofecoxib betreffen. Die oben geschilderte Verschiebung des Prostacyclin-Thromboxan-A2-Gleichgewichts und die damit verbundenen Effekte lassen zunächst einmal darauf schließen, dass die gesamte Wirkstoffklasse betroffen sein könnte. Im Rahmen der CLASS-Studie zeigte Celecoxib jedoch keine erhöhte kardiovaskuläre Toxizität [2]. Allerdings war die Studiendauer auf sechs Monate beschränkt, so dass die Studie keine Aussagen zur Langzeiteinnahme des Wirkstoffs erlaubt.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen der VIGOR- und der CLASS-Studie ist, dass Patienten mit kardiovaskulärem Risiko bei der CLASS-Studie zusätzlich niedrig-dosierte Acetylsalicylsäure erhielten. Durch die Kombination von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure und Celecoxib gehen zwar die gastrointestinalen Vorteile des COX-2 Inhibitors im Vergleich zu Ibuprofen/Diclofenac verloren, doch hebt die gleichzeitige Gabe von COX-1- und COX-2-Inhibitoren die durch Coxibe verursachte Verschiebung des Prostacyclin-Thromboxan-A2-Gleichgewichts zum Thromboxan auf.

Neuere Studien weisen auf unterschiedliche pleiotrope Effekte von Celecoxib, Parecoxib und Rofecoxib hin, welche unter Umständen die mit kardiovaskulären Erkrankungen assoziierten Entzündungsprozesse unterschiedlich beeinflussen können. In einer Studie wurde beispielsweise berichtet, dass Celecoxib die Endothelfunktion verbessert [3]. Erfasste Parameter waren das C-reaktive Protein (CRP) als Entzündungsmarker, oxidiertes LDL und die Endothel-abhängige Vasodilatation [4].

Der Mechanismus dieser Celecoxib-Effekte ist allerdings unklar. In einer ähnlichen Studie mit Parecoxib verschlechterte sich dagegen die endothelabhängige Vasodilatation, was auf mögliche unterschiedliche, COX-unabhängige Effekte der Coxibe hinweist. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Aussagekraft der kleinen Kurzzeitstudien mit den o. g. Surrogatparametern als Endpunkte sehr begrenzt ist.

Ob die kardiovaskulären Nebenwirkungen ein generelles Problem der COX-2-Inhibitoren darstellen, lässt sich im Augenblick nicht eindeutig beantworten, sondern nur vermuten. Diese Frage lässt sich letztendlich nur anhand entsprechender Langzeitstudien mit Coxiben klären.

Prof. Dr. Dieter Steinhilber, Frankfurt und 
Prof. Dr. Stefan Laufer, Tübingen

Quelle

[1] Bombardier, C., et al.: Comparison of upper gastrointestinal toxicity of rofecoxib and naproxen in patients with rheumatoid arthritis. VIGOR Study Group. N. Engl. J. Med. 343, 1520 –1528 (2000). 
[2] Silverstein, F. E., et al: Gastrointestinal toxicity with celecoxib vs nonsteroidal anti-inflammatory drugs for osteoarthritis and rheumatoid arthritis: the CLASS study: A randomized controlled trial. Celecoxib Long-term Arthritis Safety Study. J. Am. Med. Assoc. 284, 1247 –1255 (2000). 
[3] Chenevard, R., et al.: Selective COX-2 inhibition improves endothelial function in coronary artery disease. Circulation 107, 405 – 409 (2003). 
[4] Bulut, D., et al.: Selective cyclo-oxygenase-2 inhibition with parecoxib acutely impairs endothelium-dependent vasodilatation in patients with essential hypertension. J. Hypertens. 21, 1663 – 1667 (2003).

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