Fortbildung

Pharmazeutische Biologie: Moderne Phytochemie

Die Phytochemie leistet mit neuen Extraktions-, Trenn- und Detektionsverfahren einen wichtigen Beitrag für die Pharmazeutische Biologie. In den letzten 15 Jahren haben die präparativen und analytischen Methoden in der Phytochemie große Fortschritte gemacht.

Extrahieren

Jede Arbeit in der Pharmazeutischen Biologie – egal ob zur analytischen Bestimmung oder zur präparativen Gewinnung von Inhaltsstoffen – beginnt mit einer Extraktion. Bei der Extraktion werden lösliche Verbindungen von der unlöslichen Matrix getrennt. In den letzten Jahren wurden zwei Verfahren entwickelt, die Zeit und Lösungsmittel einsparen:

  • die Lösungsmittelextraktion unter Druck (pressurized liquid extraction, PLE) und
  • die mikrowellenunterstützte Extraktion (microwave-assisted extraction, MAE).

Definition 

Die Pharmazeutische Biologie beschäftigt sich aus einer pharmazeutischen Perspektive mit biogenen Stoffen im weitesten Sinne, und zwar von ihrer Herkunft und Entstehung bis zu ihrer Anwendung als Arzneimittel.

Analytik: Trennen und Identifizieren

Ein Extrakt ist ein komplexes Stoffgemisch. Um einen Extrakt angemessen analysieren zu können, trennt man ihn üblicherweise mit chromatographischen Methoden auf. Die HPLC ist hier das umfassendste Verfahren. Will man die Struktureigenschaften der aufgetrennten Analyten beschreiben, benötigt man Detektionssysteme mit hohem Informationsgehalt. Relativ junge Detektionsverfahren sind Photo-Dioden-Array (PDA), massenspektrometrische Methoden wie Elektrospray-Ionisation (ESI) und chemische Ionisation unter Atmosphärendruck (APCI-MS) sowie Kernspinresonanz-Spektroskopie (NMR).

Einen Durchbruch in der Auftrennung und Beschreibung von Extrakten brachte die Kopplung der HPLC mit der NMR über eine Festphasenextraktions-Einheit (LC-SPE-NMR). Dieses Verfahren ermöglicht es, den Analyten anzureichern, und löst zugleich das Problem der intensiven Resonanzsignale der Lösungsmittel.

Biogene Arzneistoffe 

Die Leitstrukturen für die Arzneimittelentwicklung der letzten hundert Jahre stammen mehrheitlich aus lebenden Organismen. Für 70% der Weltbevölkerung sind Pflanzen die wichtigste Arzneistoffquelle.

Biologische Aktivität aufspüren

Um die biologisch aktiven, also pharmakologisch relevanten Verbindungen im Extrakt aufzuspüren, bedient man sich entsprechender Detektionssysteme. Klassische Methoden sind die aktivitätsbezogene Fraktionierung und die Bioautographie auf Dünnschichtchromatographie. Heute werden häufig HPLC-basierte Aktivitätsprofile erstellt, wobei der HPLC zur Strukturaufklärung eine Online-Spektroskopie und zur Aufklärung biologischer Aktivität ein Bioassay nachgeschaltet wird.

Standardvorgehen in der Naturstoff-Analytik

Die Analytik pflanzlicher Extrakte erfolgt heute in miniaturisierter Form; immer kleinere Substanzmengen im Mikrogramm-Bereich genügen. Das Vorgehen bei der Suche nach neuen Leitstrukturen und bei der Qualitätskontrolle von Phytopharmaka ist gleich: Eine Probe wird aufbereitet, der Extrakt mittels HPLC aufgetrennt. An die Trennung schließen sich mehrere physikochemische und biologische Detektionssysteme an.

Chemometrie in der Naturstoffanalytik

  • Identifizierung unbekannter Proben
  • Detektion von Verfälschungen
  • Charakterisierung von chemischen Rassen und Sorten
  • Qualitäts- und Produktionskontrolle von Phytopharmaka
  • Prüfung der Phytoäquivalenz

Analysieren ohne aufzutrennen

Eine noch weitergehende Entwicklung ist die "Vermessung" von Extrakten ohne vorausgehende Auftrennung. Als Analysenverfahren kommen NMR, aber auch Nah-Infrarot, Infrarot und eventuell Massenspektrometrie in Frage. Da solche Gesamtextrakte sehr komplexe Spektren erzeugen, müssen diese mathematisch ausgewertet werden (mittels Chemometrie, z. B. Principal component analysis = PCA). Die Chemometrie hat zahlreiche interessante Anwendungsmöglichkeiten in der Naturstoffanalytik.

Dank moderner Verfahren sind Isolierung und Strukturaufklärung von Naturstoffen längst nicht mehr die Herausforderung, die sie einmal waren. Die Herausforderung liegt heute vor allem in der gezielten Probenauswahl und schließlich in der intelligenten Nutzung der biologischen Aktivität der Naturstoffe.

Susanne Wasielewski, Münster

Quelle 
Prof. Dr. Matthias Hamburger, Basel: „Phytochemie heute: Ihr Beitrag für die Pharmazeutische Biologie“. Vortrag beim 
Symposium anlässlich der Verabschiedung von Prof. Dr. Adolf Nahrstedt, Münster, 16. Oktober 2004.

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