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Fortbildung
Biogene Arzneistoffe: Interdisziplinäres Screening
Die Pharmazeutische Biologie ist ein enorm facettenreiches Fach, das zahlreiche Anknüpfungspunkte zu anderen Disziplinen besitzt. Einzigartige Chancen bietet nach Ansicht von Prof. Dr. Angelika Vollmar, München, ihre Kombination mit der Pharmakologie.
Pharmakologen "fürchten sich" vor Extrakten
Das Thema der Pharmazeutischen Biologie sind biogene Arzneistoffe. Dies können isolierte, klar definierte Substanzen (Naturstoffe) oder komplexe Systeme (Extrakte) sein. Pharmakologische Untersuchungen beschäftigen sich einerseits mit der Pharmakodynamik, andererseits mit der Pharmakokinetik von Stoffen. Pharmakokinetische Untersuchungen gestalten sich für komplexe Systeme viel schwieriger als für Einzelsubstanzen. Da viele klassische Pharmakologen mit der Komplexität der Extrakte überfordert sind, nehmen sie eine Abwehrhaltung gegenüber diesem Bereich der Pharmazeutischen Biologie ein.
Phytopharmaka und Evidence-based Medicine
Die Wirksamkeit pflanzlicher Arzneimittel in klinischen Studien nachzuweisen ist eine große Herausforderung für die Pharmakologie. Viele Phytopharmaka schaffen den Eintritt in die Evidence-based Medicine erst gar nicht. Dass es so wenig gute klinische Studien mit Phytopharmaka gibt, ist nach Vollmars Meinung aber eher ein politisch-wirtschaftliches als ein akademisches Problem.
Fraktionierung nach biologischer Aktivität
Mithilfe von pharmakologischen Untersuchungen können Pharmazeutische Biologen aufspüren, welche Inhaltsstoffe einer Pflanze biologisch oder physiologisch aktiv sind. Außerdem können sie neue Wirkstoffe entdecken. Dabei wird das Prinzip der Fraktionierung nach biologischer Aktivität (Bioguided Fractionation) eingesetzt.
Ein Beispiel aus dem Arbeitskreis von Prof. Dr. Adolf Nahrstedt ist die Untersuchung von Johanniskraut-Extrakt. Ein pharmakologischer Test an Ratten – der Forced Swimming Test nach Porsolt – zeigte, dass auch die Flavonoidfraktion (außer Rutin) antidepressiv wirkt.
Suche nach neuen Targets
Die Pharmakologie begnügt sich nicht mit dem Wirkungsnachweis; in der molekularen Pharmakologie werden auch Wirkmechanismen untersucht. Hier bietet die Arbeit mit Naturstoffen die Chance, neue Targets, also Angriffspunkte für Arzneimittel, zu finden.
Neues Krebstherapeutikum aus dem Meer?
Ein Beispiel für die Erforschung molekularer Wirkmechanismen von Naturstoffen sind zwei marine Naturstoffe:
- Cephalostatin-1 aus dem Wurm Cephalodiscus (Hemichordata) und
- Spongistatin aus einem Schwamm.
Beide könnten beim Aufspüren neuer Targets für eine sehr wichtige Indikation, die chemoresistenten Krebserkrankungen, helfen.
Chemoresistenz entsteht u. a. durch Defekte bei der Signaltransduktion, die Apoptose auslöst. Grundsätzlich gibt es zwei Signaltransduktionswege für den programmierten Zelltod:
- einen außerhalb der Zelle beginnenden, über Todesrezeptoren an der Zellmembran vermittelten (extrinsischen) Weg und
- einen in der Zelle ablaufenden (intrinsischen) Weg unter Beteiligung der Mitochondrien.
Maligne Melanome zeichnen sich durch eine hohe Chemoresistenz aus. Ursachen dafür sind die Überexpression antiapoptotischer Proteine (IAPs) und das Abschalten des intrinsischen Wegs durch ein nicht-funktionelles Protein (Apoptosom). Der Naturstoff Cephalostatin-1 sensibilisiert chemoresistente Tumorzellen, indem er aus den Mitochondrien selektiv einen IAP-Antagonisten (Smac) freisetzt. Auch Spongistatin führte bei einer an sich chemoresistenten Mammakarzinom-Zelllinie (MFC-7) zur Apoptose. Signalweg und Target müssen noch aufgeklärt werden.
Susanne Wasielewski, Münster
Quelle
Prof. Dr. Angelika Vollmar, München: "Pharmakologie: Ihr Beitrag für die Pharmazeutische Biologie". Vortrag beim Symposium zum Abschied von Prof. Dr. Adolf Nahrstedt, Münster, 16. Oktober 2004.
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