Management

F. BeckerGefährden Kooperationen unsere Zukunft?

Die im Rahmen der neuen Arzneimittelpreisverordnung gekürzten Großhandelsspannen schaffen für uns Apotheker eine schwierige Ausgangssituation. Waren wir in den vergangenen Jahrzehnten gewohnt, bei der Beschaffung unserer Ware günstige Einkaufskonditionen vom pharmazeutischen Großhandel zu erhalten und waren diese Nachlässe eine wesentliche Grundlage unserer betriebswirtschaftlichen Gesamtkalkulation, so stellen wir auf der Grundlage des neuen Gesetzes fest, dass nahezu keine Einkaufsvergünstigungen über den Großhandel mehr realisiert werden können.

Diese neue Situation ist für uns Apothekerinnen und Apotheker zunächst einmal ungewohnt. Was liegt da näher, als über neue Mittel und Wege nachzudenken, die eigene Einkaufssituation in irgendeiner Form zu verbessern und sei es, indem man sich einer Kooperation anschließt, die solche Schritte professionell einzuschlagen verspricht?

Das Geschäft mit der Angst um den Einkaufsvorteil

Einkaufsvorteile – und dies ist eine Binsenweisheit – sind immer an das Bestellvolumen gekoppelt. Es müsste also gelingen, vielleicht durch den Verbund mehrerer Apotheken, solche Mengen zu erzeugen, dass diese für den vorgelagerten Großhandel interessanter wären als die Einzelbestellmenge. Die erzielten Einkaufsvorteile kämen allen Beteiligten eines solchen Verbundsystems zugute, weitgehend unabhängig von der individuellen Bestellmenge. Denn schließlich wäre das Endvolumen entscheidend für das Erreichen vorteilhafter Konditionen.

Der alten Idee der Einkaufsgemeinschaft wird unter den Rahmenbedingungen des GMG neues Leben eingehaucht. Verschiedenste Anbieter haben erkannt, dass die sich für den Apotheker nachteilig entwickelnden Einkaufsbedingungen einen Markt eröffnen, um kooperative Zusammenschlüsse zu realisieren.

Dabei nutzen sie geschickt auch weitere Unsicherheiten der Apotheken aus, die sich ebenfalls aus dem GMG ergeben, und verweben sie mehr oder weniger geschickt in ihre Konzepte. Mangelnde Möglichkeiten der Vorausschau erzwingen bei uns Offizinapothekern gewisse Ängste und werfen Fragen auf, deren Antworten wir nur schwerlich allein finden können:

  • Wie wird sich die Liberalisierung des Arzneimittelmarktes, vor allem die Zulassung des Versandhandels konkret auswirken und welche Rolle soll ich als einzelner Apotheker hier einnehmen?
  • Werde ich der wachsenden Konkurrenz auch aus dem Ausland gewachsen sein?
  • Werde ich durch die lokale Konkurrenz preislich in die Knie gezwungen?
  • Wird es überhaupt einen Preiswettbewerb (im OTC-Segment) geben und wenn ja, kann ich in diesem Wettbewerb bestehen?
  • Werde ich Kunden verlieren, wenn Patienten in integrierte Versorgungsformen eingebunden werden, an denen ich möglicherweise nicht beteiligt bin?

Das Problem mit den Problemlösern

Die Befürchtungen und Ängste, die uns Apotheker in die Ära des GMG begleiten, sind facettenreich und individuell unterschiedlich ausgeprägt. Dementsprechend wundert es auch nicht, dass die Zahl der vermeintlichen Problemlöser in den vergangenen Monaten rasch anstieg und heute am Markt eine nahezu unüberschaubare Vielzahl von unterschiedlichen Anbietern und Konzepten um die Gunst bei uns Apothekern buhlt.

Wir nennen sie mit einem Oberbegriff "Kooperationen", denn in ihrer Wesensart bieten sie uns alle eine "Zusammenarbeit" und eine "gemeinschaftliche Aufgabenerfüllung" an – freilich in unterschiedlicher Ausprägung. Beschränken sich einige wenige tatsächlich auf den gemeinsamen Einkauf von Ware und wenigen anderen Dienstleistungen, kommen andere Anbieter mit Marketing- und Verkaufsförderungskonzepten oder kooperativem Versandhandel daher.

Auch andere Versprechungen machen solche Anbieter, z. B. ihr Engagement im Bereich der Vertragsgestaltung zu den Krankenkassen oder die gemeinschaftliche Werbung der Kooperation für ihre Mitglieder im Rahmen von Aktionsmarketing. Mehr oder weniger aufwendige Werbeprospekte der einzelnen Anbieter suggerieren uns, wie sicher und erfolgversprechend wir in der Kooperation aufgehoben sind.

Ganze Messestände bei der letztjährigen Expopharm, erlebnisorientiert präsentiert und kostenverschlingend realisiert, versuchten, unsere Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Kooperationskonzept zu lenken. Wer sich so engagiert, muss es doch gut mit uns Apothekern meinen!

Die Außendienstmitarbeiter der Kooperationsanbieter sprechen bei ihren Besuchen in unseren Apotheken auch von den vielen Vorteilen der Kooperation – interessanterweise immer besonders gerne, wenn die Frustration von uns Apothekern in Bezug auf nicht mehr zu realisierende Einkaufsrabatte riesengroß ist.

Unrealistische Versprechungen

Je größer das angebotene Leistungsspektrum einer Kooperation ist, umso höher ist natürlich auch das Eintrittsgeld und/oder die laufenden monatlichen Kosten, die wir Apotheker für die Lösung unserer Probleme an die Kooperation bezahlen sollen. Richtig erfolgversprechend kann das Engagement im Rahmen der Kooperation natürlich erst dann sein – kann man den Erklärungen so manches Außendienstmitarbeiters entnehmen –, wenn die vertragliche Bindung zwischen Apotheke und Kooperationsanbieter langfristig angelegt ist.

In den Verträgen selbst, die das Leistungsspektrum der Kooperation und die sich an die Apotheke richtenden Verpflichtungen genauer definiert, werden neben wenig konkret greifbaren Punkten vor allen Dingen Ziele festgeschrieben, die sich die Kooperation selbst setzt.

Das gilt besonders für die Vertragsgestaltung zu den Krankenkassen, seit jeher eine Domäne der Apothekerverbände auf Bundes- und Länderebene. Sicher: Es spricht nichts dagegen, dass man sich ehrgeizige Ziele setzt. Wie eine Realisierbarkeit indes aussieht, bleibt mindestens fraglich.

Ist es denn vorstellbar, dass eine Krankenkasse einen Arzneiliefervertrag mit einer Kooperation abschließt, die keine Flächendeckung bezüglich ihre Mitglieder gewährleisten kann? So manche Kooperation wirkt über solche Versprechungen durchaus progressiv, obwohl diese Versprechungen im Hinblick auf eine langfristige Perspektive gesehen wenig realistisch erscheinen.

Der Dachmarken-Unsinn

Die wohl denkwürdigste Errungenschaft so mancher Kooperation ist dabei das Konzept der "Dachmarke". Gleichgültig, ob der Begriff "gesund" eckig oder rund ist, der erwählte Mädchenname wohlklingend oder das präsentierte Logo schlicht und dennoch schön – die Dachmarke scheint für viele Kooperationen ein Muss zu sein.

Über den Sinn oder Unsinn eines gemeinschaftlichen Marketings oder den Aufbau mehr oder weniger interessant klingender Netzwerke darf man zu Recht geteilter Meinung sein. Bei der Bildung von Dachmarken aber, meist zum Zwecke einheitlicher Werbekonzepte erdacht und als Leitidee in der jeweiligen Kooperation implementiert, lauert Gefahr für den gesamten Berufsstand.

Eine Gefahr, die nicht zu unterschätzen ist und die bereits durch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziales (BMGS) sehr wohl erkannt wurde und die sich schnell gegen uns Apotheker richten könnte. Zwar haben wir den eingeschränkten Mehrbesitz im Gesetz verankert, die Bildung von Kettensystemen ist aber nicht Bestandteil der gesetzlichen Neuregelungen.

Ein Beispiel: Stellen wir uns nun vor, eine Kooperation würde ein gemeinsames Marketing unter der Dachmarke "Schleckler" implementieren. Jedes Kooperationsmitglied montiert das leuchtgrüne "Schleckler"-Schild an seine Apotheke und im Fernsehen startet die erste Werbekampagne für diese neue Marke.

Wie wirkt eine solche Dachmarke auf den Kunden? Welchen Eindruck hinterlässt die wohlbemerkt immer noch inhabergeführte Apotheke auf den Kunden? Kann er noch unterscheiden, ob er tatsächlich in einer inhabergeführten Apotheke versorgt wird oder ob er in einem Kettengeschäft seine Arzneimittel bekommt?

Zu diesen Fragestellungen kommt auch das BMGS, und es findet auch eine Antwort: Wenn sich die Apothekerschaft in solchen Strukturen organisiert, die für den Patienten nicht mehr durchschaubar sind, dann gibt es für die Politik auch keinen Grund mehr, die individuell inhabergeführte Apotheke zu schützen und die Bildung von Ketten systematisch zu verhindern.

Der Weg zur Kette – das ist sicher mittlerweile jedem Apotheker klar – führt am Fremdbesitz nicht vorbei, denn Ketten brauchen Kapital, das von außerhalb der Apothekerstrukturen in das System einfließen würde. Ergo: Wer in Kooperationen einsteigt, die Dachmarken ausprägen, sägt am eigenen Ast, denn die wirtschaftlichen Auswirkungen fremdkapitalfinanzierter Ketten, die in den Arzneimittelmarkt der Bundesrepublik einsteigen, werden die inhabergeführten Apotheken nicht überleben. Wer es nicht glaubt, sollte eine historische Betrachtung des Drogeriemarktes anstellen. Dort kann jeder genau die Folgen dieses Szenarios entdecken.

Verband oder Kooperation?

Stellte schon Andreas Kaapke in seinem Artikel zu Kooperationen (vgl. DAZ Nr. 4/2004) fest, dass Wirtschaftsverbände "klassische Beispiele" für (horizontale) Kooperationen sind, so zeigt ein Blick auf die Dienstleistungspalette der Apothekerverbände, dass diese Einschätzung nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht gerechtfertigt ist.

Die Sinnhaftigkeit des Zusammenschlusses im Rahmen der Verbände tritt vor allem in der Wahrnehmung der tatsächlichen gemeinsamen Interessen zutage. Beste Beispiele dafür sind die für alle Mitglieder geschlossenen Verträge mit den Krankenkassen, die zentrale politische Vertretung der Interessen der Mitglieder auf Landes- und Bundesebene, eine zentrale Öffentlichkeitsarbeit und ein intensives Kontakthalten zu allen am Arzneimittelmarkt beteiligten Interessengruppen und Vertretungen, vom Hersteller bis zum Rechenzentrum, vom Verbraucherschützer bis hin zur Selbsthilfegruppe.

Die Dachmarke dieser klassischen (Verbands-)Kooperation ist das Apotheken-A, ein Markenzeichen, das 98 Prozent der Bevölkerung über 18 Jahren in der Bundesrepublik kennt und schätzt. Es ist nur schwer vorstellbar, dass die derzeit erstarkenden Kooperationen der neuen Art eine solche Palette an Leistungen je bieten können oder in der Lage wären – welche Dachmarke auch immer –, diese Leistungen so erfolgreich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu implementieren.

Für uns einzelne Apothekerinnen und Apotheker bieten die Verbände gegenüber den Kooperationen der neuen Art einen weiteren wesentlichen Vorteil: So intensiv auch die Interessenwahrnehmung für die Verbandsmitglieder ist, so frei sind wir als einzelne Mitglieder gleichsam in der Gestaltung unserer eigenen Unternehmen.

Die Freiheit des Heilberuflers und die Freiheit des Kaufmanns, beides vereinigt in der Person des Apothekenleiters, bleibt durch die Wirtschaftsverbände unangetastet. Anders in den Kooperationen der neuen Art. Um die Vorteile der Kooperation zu erlangen, zahlt man den Preis der partikularen Selbstaufgabe und gerät – zumindest in einigen Managementfeldern des täglichen Apothekenbetriebes – in die Abhängigkeit der Kooperationsentscheidung.

Mögen solche Hilfestellungen dem ein oder anderen auch suggerieren, im Arbeitsalltag tatsächlich entlastet zu werden (wobei die Erfüllung vieler Versprechungen dieser Anbieter ohnehin erst noch ihre Realisierung beweisen muss), so stellen sie sich im Falle des Nichtgefallens als Hemmnisse dar. Schon verzeichnen wir in den Landesgeschäftsstellen der Apothekerverbände die ersten Anrufe, wie man denn den Kooperationsbeitritt vertraglich rückgängig machen könne.

Heilberufliche Freiheit retten!

Es steht in der Entscheidung des Berufsstandes selbst, welchen Weg er einschlägt, um zukunftsfähig auch die neuen Herausforderungen zu meistern. Die Zukunft der heilberuflichen Freiheit, seit Jahrhunderten Kennzeichen unserer Profession, liegt in unserer individuellen Entscheidung.

Stellen Sie sich kritisch die Frage, ob Sie Ihre Freiheit – vielleicht auch nur in Teilen – aufgeben wollen und wohin Sie und den ganzen Berufsstand eine solche Entscheidung führt. Vertrauen Sie auf die Verbände. Diese Kooperationen haben ihre Funktionalität bereits erfolgreich bewiesen und werden unsere gemeinsame Zukunft auch weiterhin gestalten.

Die im Rahmen der neuen Arzneimittelpreisverordnung gekürzten Großhandelsspannen schaffen für die Apotheker eine schwierige Ausgangssituation. Der weitgehende Wegfall der Einkaufsvergünstigungen gegenüber dem Großhandel könnte viele Apotheker veranlassen, sich kopflos in Kooperationen zu stürzen. Das könnte über kurz oder lang dem gesamten Berufsstand schaden, meint Fritz Becker, Präsident des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg.

Die Serie im Überblick

Teil 1: Welche Kooperationsformen gibt es und welche könnten zu meiner Apotheke passen? (DAZ 2004, Nr. 4, S. 66) Teil 2: Kooperationschancen und Kooperationsfallen (DAZ 2004, Nr. 5, S. 89) Teil 3: Wie der Gesetzgeber Kooperationen sieht (DAZ 2004, Nr. 6, S. 82) Teil 4: Streitthema Kooperationen: Die Pro- und Contra-Diskussion Teil 5: Wie die Kooperationen vom Deutschen Apothekerverband eingeschätzt werden

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