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- AZ 46/2005
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Internationale Patientenbefragung: Wir klagen auf hohem Niveau
Wir haben die kürzesten Wartezeiten, mehr Möglichkeiten bei der Arztwahl und bekommen am seltensten eine Infektion im Krankenhaus. Doch diese positiven Aspekte schlagen in der subjektiven Wahrnehmung kaum durch - die Deutschen sind trotz allem unzufrieden mit ihrem Gesundheitssystem.
Erstmals hat sich Deutschland in diesem Jahr an der seit 1999 regelmäßig durchgeführten Erhebung des Commonwealth Fund (CWF) zur Qualität der Versorgung beteiligt. Geleitet wurde die deutsche Studie vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Für die Vergleichsstudie wurden simultan in sechs Ländern 6.812 Menschen telefonisch befragt, die unter einem subjektiv schlechten Gesundheitszustand leiden oder in den letzten zwei Jahren von einer schweren Erkrankung betroffen waren bzw. im Krankenhaus behandelt werden mussten. Neben Deutschland beteiligten sich die USA, Großbritannien, Neuseeland, Australien und Kanada an der Erhebung.
Deutschland Spitze in der Notfallbehandlung
IQWiG-Chef Peter Sawicki stellte die Ergebnisse am 10. November in Berlin vor. Punkten konnte Deutschland insbesondere wegen seiner niedrigen Zugangsbarrieren und kurzen Wartezeiten. Ambulante und stationäre Behandlungen sind verhältnismäßig schnell und einfach zu bekommen. 56% der Deutschen erhalten noch am Tag der Erkrankung einen Termin beim Arzt - nur Neuseeland schnitt hier mit 58% besser ab.
In Kanada kann nur knapp jeder Vierte mit einer ambulant-ärztlichen Behandlung am Tag seiner Erkrankung rechnen. Eine fachärztliche Behandlung oder einen Termin für eine planbare Operation bekommt man in keinem der anderen fünf Länder so schnell wie in Deutschland.
Top ist man hierzulande auch bei der Notfallbehandlung. 66% müssen in solch eiligen Fällen weniger als eine Stunde warten. Kanada ist in diesem Punkt Schlusslicht: Hier müssen 24% sogar länger als vier Stunden in der Notaufnahme gedulden. Auch sonst ist es in Deutschland um die medizinische Versorgung außerhalb der üblichen Arbeitszeiten gut bestellt. Nur 14% klagen über Schwierigkeiten, zu diesen Zeiten einen Termin zu bekommen. In den USA hat hiermit jeder Zweite ein Problem.
Die Deutschen verzichten auch relativ selten aus Kostengründen auf medizinische Maßnahmen. 14% geben an, wegen der Kosten schon einmal auf ein Arzneimittel verzichtet zu haben. Nur in Großbritannien sind es mit 8 % weniger. In den USA schrecken deshalb 40% vor dem Kauf eines Medikaments zurück.
Defizite in der Kommunikation
Geschätzt wird hierzulande auch die Versorgung chronisch Kranker mit präventiven Standardmaßnahmen. Blutdruck und Cholesterinwerte werden beispielsweise häufiger und regelmäßiger überprüft als in den anderen Ländern. Allerdings erhalten deutsche Patienten auch seltener einen Plan, wie sie ihre Erkrankung zuhause in eigener Regie behandeln sollen (37% gegenüber 45 bis 65% in den übrigen Ländern).
Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist der Studie zufolge ohnehin eine Schwachstelle des deutschen Systems. So geben 61% an, dass ihr Arzt sie nicht immer über Behandlungsalternativen aufklärt und nach ihrer Meinung befragt. 77% bemängeln, dass sie nicht ausreichend über ihre Verordnungen aufgeklärt werden.
In den meisten anderen Ländern ist die Situation laut Umfragedaten allerdings ähnlich, einzig die neuseeländischen Ärzte scheinen etwas mitteilsamer zu sein. Dass sie "selten" oder "nie" über Nebenwirkungen von Medikamenten aufgeklärt werden, geben aber 38% der deutschen Patienten - in den anderen Ländern sind dies nur zwischen 19% und 32%.
Auch bei Behandlungsfehlern lässt die Kommunikation zu wünschen übrig: Zwar liegt Deutschland im Mittelfeld, was das Vorkommen solcher Fehler betrifft (19%; übrige Länder: 17% bis 22%). Doch werden hierzulande nur 15% der Betroffenen vom medizinischen Personal hierüber informiert. In den anderen Ländern spricht man in 23% bis 35% der Fälle offen über Fehler.
Mangelnde Koordination der Leistungserbringer
Ein weiteres Manko des deutschen Gesundheitswesens ist die schlechte Kooperation unter den Leistungserbringern - insbesondere zwischen stationärem und ambulantem Sektor. Krankenhausentlassungen sind hierzulande herausragend schlecht geplant. 60% der deutschen Patienten klagen hier über Defizite - in den anderen Ländern sind es zwischen 33 und 41%. Den Sinn und Zweck ihrer medikamentösen Behandlung verstehen in Deutschland 14% der aus dem Krankenhaus Entlassenen nicht.
An zweiter Stelle rangieren hier die USA mit 9%, in Australien sind es lediglich 3%. Ausdruck von Koordinationsproblemen sind auch unnötige Doppeluntersuchungen: Ein Fünftel der deutschen Patienten gibt an, dass Ärzte überflüssige diagnostische Test angeordnet hatten, die bereits anderswo durchgeführt worden waren. Nur in den USA war dies annähernd so häufig der Fall.
Deutsche sehen den größten Reformbedarf
Obwohl die Deutschen viele Einzelpunkte positiv bewerten, schätzen sie ihr Gesundheitswesen insgesamt vergleichsweise gering. Nur 16% sind der Meinung, dass das System insgesamt nicht schlecht funktioniert und nur Kleinigkeiten zu verändern seien. In den anderen Ländern sind 21 bis 30% dieser Ansicht. Dagegen stimmten 31% der deutschen Befragten folgender Aussage zu: "Bei unserem Gesundheitssystem ist so viel verkehrt, dass es komplett reformiert werden muss". In den USA meinen dies auch noch 30%, in Großbritannien lediglich 14%.
Dieses Auseinanderklaffen von subjektiv guter Bewertung in vielen Einzelaspekten und der Zufriedenheit mit dem System kann sich auch Sawicki nicht erklären. Er vermutet, dass die Patienten in anderen Ländern besser über Behandlungsabläufe aufgeklärt sind, während die Deutschen oftmals unrealistische Erwartungen hätten. Möglicherweise habe man hierzulande aber auch schlicht die Tendenz, die Dinge etwas negativer zu sehen als andere Nationen. Sawicki räumte ein, von den positiven Ergebnissen der Befragung selbst überrascht zu sein. Auch er hatte in der Vergangenheit nicht nur wohlwollende Worte für das System übrig. Doch jetzt ist er der Meinung: "Wir fahren Mercedes, glauben aber einen reparaturbedürftigen Golf zu steuern."
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