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Ernährung aktuell
Eine fette Sache – die Atkins-Diät
Das strenge Diätprinzip wurde um 1972 herum von dem amerikanischen Arzt Dr. Robert C. Atkins entwickelt und unter der Bezeichnung "Diätrevolution" (Dr. Atkins New Diet Revolution) international berühmt. Auch in Deutschland lebten in den folgenden Jahren hunderttausende Übergewichtige nach dem Atkins-Prinzip. Seit 1999 feiert die Diät, nachdem sie zwischenzeitlich von Gesundheitsexperten verteufelt wurde, ein beeindruckendes Comeback. Der Grundgedanke: Zum Abbau von überflüssigem Körperfett soll man auf Kohlenhydrate verzichten und fast ausschließlich von Fett und Protein leben. Kalorienzählen ist überflüssig, Nahrungsergänzung wird empfohlen, Sport spielt nur eine untergeordnete Rolle.
Sattessen erlaubt
Das Prinzip ist einfach und klingt "freundlich": Man darf sich satt essen, lediglich die Kohlenhydrataufnahme muss drastisch eingeschränkt werden. Das ist nach Atkins der Schlüssel zum Erfolg, denn seiner Meinung nach sind die Kohlenhydrate die wahren Dickmacher. Schon 1972 predigte er, dass vor allem Weißbrot, Kartoffeln, Reis, Nudeln, Süßigkeiten, Kuchen und sogar manche Obstsorten die Wurzel allen Übels seien – ein Ansatz übrigens, der aktuell auch von moderateren Low-carb-Diätformen vertreten wird. Das gern auch als "Schlemmer-Diät" beschriebene Atkins-Programm lockt mit dem Versprechen, am Tag bis zu 500 Gramm abzunehmen – und das ohne Kalorien zu zählen.
Abnehmen mit Mayo, Steaks und Sahne
Fleisch, Eier, Fisch, Käse und auch Mayonnaise sind bei der Atkins-Diät erlaubt. Was andere Diätpläne strikt verbieten, wird uneingeschränkt empfohlen: Fett. Die Zufuhr von Kohlenhydraten muss dagegen drastisch eingeschränkt werden. Die Diät gliedert sich in verschiedene Phasen: 14 Tage lang gibt es Fleisch und Fett- bzw. Proteinlieferanten unbegrenzt, dazu nur wenig Salat und Gemüse, was den Organismus in die Fettverbrennung zwingen soll. In diesen ersten beiden Wochen dürfen Diätwillige maximal 20 Gramm Kohlenhydrate pro Tag zu sich nehmen, ab der zweiten Stufe kann die Aufnahme von Kohlenhydraten in Fünf-Gramm-Schritten pro Woche erhöht werden. Während dieser Zeit wird die Kohlenhydrataufnahme auf maximal 40 Gramm pro Tag gesteigert. Zum Vergleich: Eine normale Mischkost enthält ungefähr 300 Gramm Kohlenhydrate! Täglich wird mit einem Urinteststäbchen kontrolliert, ob der Körper Ketonkörper bildet und ausscheidet, denn dies wird als wünschenswert und als Zeichen der richtigen Durchführung angesehen.
Wirkprinzip ketogener Stoffwechsel
Die Atkins-Diät führt gezielt zu einem Kohlenhydratmangel. Der Organismus ist auf Glucose jedoch zwingend angewiesen. Gehirn und Nerven können nur mithilfe von Glucose "ernährt" werden. Erhält der Körper über die Nahrung keine Kohlenhydrate, verbrennt er zunächst seine eigenen Kohlenhydratreserven, indem er die Glykogenspeicher leert. Dieser Prozess wird von einem starken Flüssigkeitsverlust begleitet, wodurch sich in der Anfangsphase ein schneller Gewichtsverlust bemerkbar macht. Sind die Glykogenspeicher leer, ist der Organismus gezwungen, seinen Stoffwechsel umzustellen. Er beginnt nun Glucose aus Fettsäuren zu bilden und baut dafür vermehrt Fett ab. Insgesamt entsteht so eine ketogene Stoffwechsellage mit erhöhten Konzentrationen an Ketonkörpern im Blut und im Urin. Die eiweiß- und fettreiche Ernährung bzw. die Ketonkörperbildung reduziert nachhaltig das Hungergefühl – was die Diät unterstützt. Was beim schlecht eingestellten Diabetiker dringend geändert werden muss (Acetongeruch in der Atemluft), ist hier erwünscht. Die Ketonämie muss während der Diät unbedingt eintreten und regelmäßig mit Hilfe eines Teststreifens im Urin überprüft werden.
Einfach und wirksam...
Die Atkins-Diät ist leicht umzusetzen, man muss keine Kalorien zählen und kann ohne groß zu überlegen nach Herzenslust essen, bis man satt ist – allerdings unter weitgehendem Verzicht auf Kohlenhydrate. Das Diätprinzip ist einfach, wenn auch auf Dauer etwas eintönig, und (kurzfristig) effektiv. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass man mit der Atkins-Diät erstaunlich gut abnehmen kann – wahrscheinlich, weil die fett- und proteinreiche Kost gut sättigt und man daher nach einiger Zeit automatisch weniger isst. Der anfänglich hohe Gewichtsverlust resultiert jedoch auch aus dem verstärkten Abbau der Kohlenhydratspeicher und der damit verbundenen Wasserfreisetzung.
... aber sicher nicht gesund
Durch die ketogene Stoffwechsellage entstehen verschiedene belastende Abbauprodukte, die zu unerwünschten Nebenwirkungen führen können. Besonders in der ersten Phase kann es schnell zu einer überhöhten Cholesterin- und Purinzufuhr kommen. Ohne Obst und Vollkorn fehlen Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe, es kann zu Verstopfungen kommen. Obstipation in Kombination mit der Zufuhr von viel dunklem Fleisch kann möglicherweise das Darmkrebsrisiko erhöhen. Die unausgewogene Ernährung kann Mundgeruch, Benommenheit und Müdigkeit zur Folge haben, sportliche Ausdauerbelastungen werden durch schnell auftretende Symptome einer Unterzuckerung begrenzt. Die Nieren müssen große Mengen an Ketonkörpern ausscheiden, das geht zu Lasten der Harnsäureausscheidung. Deren Konzentration im Blut steigt, Gicht wird dadurch begünstigt. Das gilt auch für andere Inhaltsstoffe von Fleisch (Purine). Die Empfehlung, viel zu trinken, ist bei dieser Diät lebensnotwendig, damit die Nieren die gebildeten Ketonkörper und Harnsäure ausscheiden können. Besonders Schwangeren, Nieren- und Leberkranken sowie älteren Menschen, Diabetikern und Gichtpatienten wird aus medizinischer Sicht von dieser extrem strengen Low-carb-Diät abgeraten.
Jahrelang wurde behauptet, die fett- und eiweißreiche Atkins-Diät begünstige Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aktuelle Studien mit stark übergewichtigen Patienten zeigen jedoch (zumindest kurzfristig) eher einen günstigen Effekt auf den Fettstoffwechsel. Längerfristige Aussagen können allerdings noch nicht gemacht werden, es fehlen außerdem weitere Studien zu den langfristigen Auswirkungen auf andere Gesundheitsparameter wie zum Beispiel die Nierenfunktion.
Fazit
Mit der Atkins-Diät lassen sich schnell ein paar Pfunde abnehmen. Ob die Diät aber langfristig schlank hält, ist nicht untersucht. Viele Experten sind der Ansicht, dass Atkins als Langzeitprogramm ungeeignet ist, vor allem weil das Risiko für die Gesundheit durch diese extrem fett- und proteinreiche Kost nicht geklärt ist. Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe werden zu wenig aufgenommen. Dadurch ist sie als Dauerkost ungeeignet – das wäre aber nötig, um das niedrigerer Gewicht zu halten, denn eine nach Diätende wieder normale Kohlenhydratzufuhr wird automatisch zu einem Wiederanstieg des Gewichts führen.
Die korrekte Durchführung gelingt über längere Zeit zudem nur Menschen, die von Haus aus gern Fleisch, Fisch und Fett essen. Übergewichtige, deren Vorlieben bei Brot, Kartoffeln, Pasta und Obst liegen, werden bereits nach kurzer Zeit abbrechen, da sie der Nahrungszusammenstellung überdrüssig werden. Der Kohlenhydratmangel kann zu Stimmungstiefs und Depressionen führen, oft stellt sich ein regelrechter Heißhunger auf Brot oder Kartoffeln ein.
Dr. Eva-Maria Schröder,
Tutzing
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