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Geschichte
Drogen und Musik – Ursache-Wirkungs-Bez
Der Literaturwissenschaftler Alexander Kupfer unterscheidet in seiner Kulturgeschichte der Drogen [10] drei Phasen des Drogengebrauchs: die Verwendung von Drogen für rituelle, sakrale Zwecke, den Einsatz als Arzneimittel und den missbräuchlichen Einsatz, der zu bestimmten Zeiten zum gesellschaftlichen Problem wurde.
Die Anwendung von Drogen war zunächst immer legal, bis nach Bekanntwerden schwerwiegender gesundheitlicher Schädigungen und einem massenhaften Missbrauch gesellschaftliche Probleme auftraten, die zu Einschränkungen bis hin zu Verboten führten, sodass in Abhängigkeit von Kulturkreis und Zeitalter legale und illegale Drogen unterschieden werden müssen. Im europäisch/nordamerikanischen Kulturkreis sind gegenwärtig nur Alkohol und Tabak (Nicotin) legale Drogen.
Zu den meist benutzten, heute illegalen Rauschdrogen gehören Cannabis (Marihuana, im Drogenjargon auch Weed, Gras, Tee, Reefers), Opiate (Opium oder Opiumtinktur, Morphin, Heroin), Cocain, Lysergsäurediethylamid (LSD) und die Amphetamine als Aufputschmittel (Methamphetamin, Methylendioxymethamphetamin = Ecstasy). Von geringerer Bedeutung sind Meskalin (im Kaktus Peyotl enthalten) und Psilocybin (in Pilzen der Gattung Psilocybe).
Zur Geschichte der Verbote
In Deutschland war eine der ersten restriktiven Maßnahmen gegen Rauschdrogen das Reinheitsgebot für Bier, das sich vor allem gegen Zusätze von Bilsenkraut (zentral erregende Wirkung des Hyoscyamins!) richtete. Die heute illegalen Drogen waren bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts, soweit sie zu dieser Zeit bereits bekannt waren, ohne große Probleme in den Apotheken zu erhalten. Mit der Verordnung, betreffend den Verkehr mit Apothekerwaaren vom 25. März 1872 wurde das Feilhalten und der Verkauf von Opium, Morphin, dessen Salzen, den anderen Alkaloiden des Opiums einschließlich des Codeins sowie ihren Zubereitungen zu Heilzwecken den Apotheken vorbehalten.
1878 wurden Codeinum et eius salia, Herba Cannabis Indicae, Morphinum et eius salia sowie Opium unter ärztliche Verschreibungspflicht gestellt. 1891 kamen Cocain, 1896 Heroin dazu. Wegen des Missbrauchs im 1. Weltkrieg wurden in Deutschland 1917 ein Erlaubnisschein für die Abgabe und eine Nachweispflicht von Opium und anderen Betäubungsmitteln durch Lagerbuchführung eingeführt. Cocain war bereits einbezogen.
1925 wurde das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Opiumgesetz) verabschiedet. Stoffe im Sinne des Opiumgesetzes waren Rohopium, Opium für medizinische Zwecke, Morphin, Diacetylmorphin (Heroin), Cocablätter, Rohcocain, Ekgonin, Indischer Hanf sowie alle Salze des Morphins, Diacetylmorphins (Heroins), Cocains und Ekgonins. Großbritannien hat mit der Dangerous Drugs Act 1920 Opiate und Cocain, 1928 auch Cannabis verboten. Cannabis ist in den USA seit 1937 verboten.
Wesentlichen Anteil am Zustandekommen dieses Verbotes hatte Harry Anslinger als Commissioner of Narcotic Drugs der USA. MDMA ist in Großbritannien bereits seit 1977 verboten, in Deutschland seit dem 1. 8. 1986 in Anlage 1 des Betäubungsmittelgesetzes und somit weder verkehrs- noch verschreibungsfähig. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war die Verwendung von Rauschdrogen punktuell, sie betraf immer nur einzelne Individuen oder kleinere Gruppen.
Anregung der Kreativität
Während der Einfluss von Drogen auf die Kreativität im Sinne von Schöpferkraft, geistiger Produktivität – in unserem Zusammenhang also auf die Arbeit des Komponisten – sehr umstritten ist, erfolgt ohne Zweifel in bestimmten Phasen der Drogenwirkung eine Anregung der Phantasie, eine Induktion von Träumen (Opiumträume) oder eines Traumzustandes, eine Öffnung zum Phantastischen und Mystischen bis hin zu Halluzinationen. Dadurch haben Drogen auch einen Einfluss auf die Entwicklung zahlreicher Kunstwerke gehabt, wenngleich sie natürlich nur anregen können, was potenziell schon vorhanden ist.
Gleich einführend soll erwähnt werden, dass erstaunlich wenig Komponisten drogenabhängig waren, wenn man vom extensiven Alkoholgenuss absieht. So ist bekannt, dass Modest Petrowitsch Mussorgski und Wilhelm Friedemann Bach Alkoholiker waren und dass auch Ludwig van Beethoven, Peter Iljitsch Tschaikowsky, Franz Liszt und Max Reger keine Alkoholverächter waren.
In der "Kreisleriana" (Kap. 5.: Höchst zerstreute Gedanken) geht der romantische Dichter, Maler und Komponist E.T.A. Hoffmann (1776 – 1822) auf den Einfluss starker Getränke auf das künstlerische Schaffen ein und schreibt, dass eben in der glücklichen Stimmung, ich möchte sagen, in der günstigen Konstellation, wenn der Geist aus dem Brüten in das Schaffen übergeht, das geistige Getränk den regeren Umschwung der Ideen befördert.
Wenig später im Text gibt Hoffmann dann sogar noch differenziertere Empfehlungen: So würde ich zum Beispiel bei der Kirchenmusik alte Rhein- und Franzweine, bei der ernsten Oper sehr feinen Burgunder, bei der komischen Oper Champagner, bei Kanzonetten italienische feurige Weine, bei einer höchst romantischen Komposition, wie die des "Don Juan" ist, aber ein mäßiges Glas von ebendem von Salamander und Erdgeist erzeugten Getränk anraten!
Zum Schluss des Abschnittes kommt dann allerdings eine Warnung: Doch überlasse ich jedem seine individuelle Meinung und finde nur nötig für mich selbst im stillen zu bemerken, daß der Geist, der, von Licht und unterirdischem Feuer geboren, so keck den Menschen beherrscht, gar gefährlich ist und man seiner Freundlichkeit nicht trauen darf, da er schnell die Miene ändert und statt des wohltuenden, behaglichen Freundes zum furchtbaren Tyrannen wird. Hier finden Hoffmanns eigene Drogenerfahrungen Ausdruck!
Relativ selten sind Beschreibungen von akustischen Eindrücken oder musikalischen Empfindungen unter Drogeneinfluss. Der deutsche Pharmakologe Louis Lewin (1850 – 1929), der mit seinem Buch "Phantastica. Über die berauschenden, betäubenden und erregenden Genußmittel" 1924 das erste Buch über Psychopharmakologie verfasst hat, beschreibt eigene akustische Empfindungen nach Einnahme des mexikanischen Rauschkaktus Peyotl (Lophophora williamsii, hier noch bezeichnet als Anhalonium Lewinii), der Meskalin enthält: Mit dem phantastischen innerlichen Sehen können Gehörshalluzinationen verbunden sein. Sie sind seltener als die ersteren.
Klingen oder Töne kommen wie aus weiter Ferne oder werden voll als Gesang mehrerer Menschen oder konzertmäßig gehört und bisweilen als wunderbar süß und melodiös bezeichnet. Und an anderer Stelle: Aber eines war mir unumstößlich klar: Im Rhythmus musste sich alles lösen, im Rhythmus lag das letzte Wesen aller Dinge, ihm war alles untergeordnet, der Rhythmus war für mich metaphysisches Ausdrucksmittel. Und wieder kamen die Bilder, wieder die beiden Systeme, diesmal hörte ich aber zugleich mit ihrem Auftreten Musik. Von unendlicher Ferne kamen die Töne, sphärischer Klang, langsam schwingend, gleichmäßig hoch und tief, und mit ihr bewegte sich alles. Eine Vorwegnahme der Beschreibung psychedelischer Musik!
In seinem Essay "Die Dichtung vom Haschisch" weist Charles Baudelaire (1821 – 1867) auf der Basis eigener Erfahrungen auf synästhetische Empfindungen nach Haschischeinnahme hin, eine erhöhte Schärfe in allen Sinnen. Geruch, Gesicht, Gehör, Gefühl haben in gleicher Weise teil an dieser Steigerung. ... Das Ohr hört fast unvernehmbare Töne inmitten des größten Tumults. ... Die Töne kleiden sich in Farben, und die Farben enthalten eine Musik [1].
Einige Komponisten haben durch die Anwendung entsprechender Arzneimittel Drogenwirkungen kennen gelernt; auf ihre Kompositionen dürfte sich das kaum ausgewirkt haben. So ist der Komponist Frédéric Chopin (1810 – 1849) nach seiner Tuberkulose-Erkrankung möglicherweise an einer Morphinabhängigkeit gestorben [3]. Belegt ist, dass er zumindest ab 1839 Opiumtropfen zur Bekämpfung seiner Schmerzen einnahm. Richard Strauss (1864 – 1949) soll 1928 in Zusammenhang mit einer Nasenscheidewand-Operation Cocain erhalten haben, das ihn ganz munter gemacht und zu zwei Arien ("Aber der Richtige, wenn's einen für mich gibt" und "Und du wirst mein Gebieter sein") für seine Oper "Arabella" angeregt haben soll [10].
Musikalische Opiumträume
Es besitzt der Mensch eine eigene Scheu vor der Arbeitsstätte des Genius: er will gar nichts von den Ursachen, Werkzeugen und Geheimnissen des Schaffens wissen, wie ja auch die Natur eine gewisse Zartheit bekundet, indem sie ihre Wurzeln mit Erde überdeckt. Verschließe sich also der Künstler mit seinen Wehen; wir würden schreckliche Dinge erfahren, wenn wir bei allen Werken bis auf den Grund ihrer Entstehung sehen könnten.
Das schrieb Robert Schumann, der auch als Musikkritiker tätig war, in einem Artikel für die "Neue Zeitschrift für Musik" 1835 über die "Symphonie fantastique" von Hector Berlioz (1803 –1863). Mit dieser Sinfonie wird der Versuch gewagt, Opiumträume in Musik umzusetzen. Die "Symphonie fantastique" mit dem Untertitel "Episode de la Vie d'un Artiste" (Episode aus dem Leben eines Künstlers) ist eine Programmmusik, die den Traum eines Künstlers schildert, der aus unglücklicher Liebe Opium genommen hat. Sie besteht aus den fünf Sätzen mit den Bezeichnungen I. Träumereien, Leidenschaften; II. Ein Ball; III. Szene auf dem Lande; IV. Der Gang zum Richtplatz und V. Traum eines Hexensabbats.
In einem Brief an seinen Freund Humbert Ferrand vom 16. April 1830 erläutert Berlioz den Aufbau dieser gewaltigen Sinfonie:
... hier der Vorwurf, der auf dem Programm dargelegt und am Tage des Konzerts im Saale verteilt werden wird: Episode aus dem Leben eines Künstlers. Große phantastische Symphonie in fünf Teilen. Erstes Stück: zweiteilig, bestehend aus einem kurzen Adagio, auf das sogleich ein entwickeltes Allegro folgt (Welle der Leidenschaften; ziellose Träumereien; glühende Liebe mit ihren Stimmungen von Zärtlichkeit, Eifersucht, Wut, Angst etc. etc. ...) Zweites Stück: Szene auf dem Lande (Adagio, Liebesgedanken und Hoffnungen, getrübt durch dunkle Vorahnungen) Drittes Stück: Ein Ball (glänzende und hinreißende Musik) Viertes Stück: Gang zum Tode (wilde, trügerische Musik) Fünftes Stück: Traum einer Hexennacht.
... Und jetzt, lieber Freund, lassen Sie sich erzählen, wie ich meinen Helden, oder vielmehr meine Historie gewebt habe, deren Helden Sie unschwer erkennen werden. Ich gehe von der Annahme aus, ein Künstler mit lebhafter Phantasie in jenem Seelenzustand, den Chateaubriand in seinem René so wunderbar beschrieben hat, sehe zum erstenmal die Frau, die sein Ideal an Schönreiz und Liebreiz verkörpert, und die sein Herz seit langem ersehnt. ... (Nr. 1). ...
Er wohnt einem Ball bei, doch der Tumult des Festes vermag ihn nicht zu zerstreuen; wiederum ist er von seiner fixen Idee besessen, und die geliebte Melodie lässt ihn während eines glanzvollen Walzers sein Herz erheben (Nr. 3).
In einem Anfall von Verzweiflung vergiftet er sich mit Opium; doch das Mittel tötet ihn nicht, sondern verursacht nur eine schreckliche Vision: er glaubt, die Geliebte getötet zu haben, zum Tode verurteilt zu sein und seiner eigenen Hinrichtung beizuwohnen. Gang zum Tode; ungeheurer Zug von Henkern, Soldaten, Volk. Zuletzt erscheint die Melodie wieder, gleich einem letzten Liebesgedanken, unterbrochen von dem tödlichen Streich (Nr. 4). Er sieht sich umgeben von einer widerlichen Schar von Zauberern und Teufeln, die zusammengekommen sind, den Hexensabbath zu feiern. ... Schließlich tobt das wilde Sabbathtreiben, vermengt sich auf seinem Höhepunkt mit dem Dies irae, und die Vision erlischt (Nr. 5).
Berlioz schrieb die Sinfonie unter dem Eindruck der Dramen Shakespeares und in Leidenschaft für die Schauspielerin Harriet Smithson. Er hat sie wiederholt überarbeitet. In der letzten Fassung von 1855 bezeichnet er die gesamte Sinfonie und nicht nur die Sätze 'Gang zum Richtplatz' und 'Hexensabbath' als einen im Opiumrausch erlebten Traum. Berlioz hat wiederholt als ,Erfrischungsgetränk' Laudanum mit Strychnin zu sich genommen – eine damals sehr verbreitete Rezeptur. In modernen Inszenierungen der Berlioz-Oper "La Damnation de Faust" wird Dr. Faust von Mephisto durch Opium verführt. Im Drogen-Trip können Faust dann Visionen erscheinen. Die Musik von Hector Berlioz passt dazu.
Über den Einfluss von Opium auf seine 1932 komponierte Ballettmusik "L'Envol d'Icare" (Der Flug des Ikarus) berichtete Igor Markevitch (1912 – 1983), der wohl den meisten Musikfreunden eher als ein international gefeierter Dirigent bekannt ist, in seiner Autobiographie "Etre et avoir été" (Auszüge in [2]). Er machte über einen ägyptischen Freund namens Felix seine Bekanntschaft mit Opium: Das Rauschgift gab meinem Organismus eine Einheit und den neuen Eindruck, ganz in mir selbst zu ruhen. Eine Stunde nach der anderen ging dahin, zuweilen, ohne dass ich mit Felix ein Wort wechselte.
Von einer ungeahnten Schwerelosigkeit erfasst, gewann ich mir die Fähigkeit, einzig Gedanke zu sein. Da begann sich Ikarus' Tod aufzubauen, der, je mehr er Gestalt annahm, sich mir um so mehr als eine Art Verlängerung des Adagios der letzten Sonate Beethovens, des Opus 111, vorstellte. Dieser Tod bestärkte mich in meinem Gefühl seiner Relativität und der zweiten, ganz metaphysischen Geburt, die er für Ikarus darstellen würde.
Welch eigenartige und erhabene Musik ließen mich die Umstände in mir entdecken! In der dösenden Bewegung meiner Adern entspann sie sich wie eine Architektur von inneren Zärtlichkeiten, beinahe statisch durch ihren geheimen Reichtum einer marinen Flora gleichend. Das Merkmal der Töne war es, niemals völlig zu verschwinden. Wie Glocken oder Kristalle, die für die Unendlichkeit zu klingen scheinen, setzten sich die Akkorde fort, sich untereinander verflechtend, und bildeten reine und abstrakte melodische Linien. ...
Camille Saint-Saens (1835 – 1921) hat in seinen Liederzyklus "Melódies persanes" (Persische Lieder, op. 26, 1870) ein Lied nach Versen des französischen Dichters Armand Renaud (1836 – 1895) mit dem Titel "Tournoiement" (Kreisel, Delirium) und dem Untertitel "Songe d'opium" (Opiumtraum, op. 26, Nr. 6) aufgenommen. Der Text beschreibt mehr die Symptome eines Deliriums: Ohne Unterlass auf der Zehenspitze stehend kreise ich, kreise ich, kreise ich wie ein dürres Blatt im Augenblick des Hinwelkens. Vor meinem getrübten Blick treibt alles vorüber, einen eigenen Lichtschein aussendend, und in dieser Kreisbewegung werde ich immer größer, ohne Freude und Schmerz, fröstelnd in Schweiß gebadet ... Inwieweit Saint-SaĎns persönliche Erfahrungen mit Opium hatte, ist nicht belegt.
Das französische Multitalent Jean Cocteau sah in dem Ballett "Frühlingsopfer" des mit ihm befreundeten Igor Strawinsky (1882 – 1971) die musikalische Schilderung einer Entziehungskur: Mit "Le Sacre du printemps" orchestriert Strawinsky eine Entziehung mit einer skrupulösen Genauigkeit, deren er selbst nicht inne wurde (aus "Opium. Tagebuch einer Entziehungskur"). Strawinsky scheint Erfahrungen mit Cocain gehabt zu haben. In einem Brief an seinen Lehrer Nikolai Rimskij-Korsakow aus dem Jahre 1908 äußerte er über den "Bienenflug" (Scherzo fantastique, op. 3): Die Harmonie in den BIENEN wird grimmig, wie Zahnschmerzen, soll dann aber unmittelbar mit angenehmen Harmonien abwechseln, wie Cocain.
Rimskij-Korsakow hat übrigens gelegentlich Haschisch genommen. Auf der kleinen Partitur zum "Hummelflug", dem ersten Satz seiner sinfonischen Dichtung "Scheherazade", vermerkte er: Wie schweres Charas aus Ferghana [21]. Turkmenisches Charas (Haschisch) war damals in St. Petersburg in der Kulturszene verbreitet.
Mutter, der Mann mit dem Koks ist da
Cocablätter waren den Europäern zwar seit den ersten Reiseberichten über die Neue Welt bekannt, wurden aber in Europa nie als Rauschdroge verwendet. Das wirksame Cocain wurde 1860 durch Albert Niemann erstmals isoliert und seit 1862 von der Firma E. Merck produziert. 1884 wurde seine lokalanästhetische Wirkung erkannt, ab 1885 wird vor Cocain gewarnt.
Damals waren außer reinem Cocain auch flüssige Coca-Extrakte (Fluid extract of Coca) und Coca-Präparate wie Coca-Wein, Coca-Zigaretten und der wohlschmeckende "Coca-Cordial" der amerikanischen Firma Parke, Davis & Co. im Handel. Kurz darauf erfasste die erste Cocainwelle die schwarzen Arbeiter der Südstaaten, die durch das billige, bis 1906 freiverkäufliche Cocain ihre katastrophalen Lebensbedingungen erträglicher gestalten wollten. Die Entstehung des Blues ist daher in Zusammenhang mit der Einnahme von Cocain zu sehen [5].
Besonderes kommerzielles Geschick bei der Propagierung von Coca-Präparaten hatte der Chemiker Angelo Mariani. Er ließ sich 1863 einen cocainhaltigen Wein (Vin Mariani) in den USA patentieren, der vor allem in Frankreich sehr populär wurde. Zu seinen Kunden gehörten die Schriftsteller Jules Verne, Emile Zola und Hendrik Ibsen und die Komponisten Charles Gounod (1818 – 1893) und vor allem Jules Massenet (1842 – 1912). 1886 kam aufgrund einer Rezeptur des Apothekers J. S. Pemberton die Coca-Cola als (bis 1906 cocainhaltiges) Stimulans und Kopfschmerzmittel auf den Markt. 1914 wurde in den USA der Zusatz von Cocain zu Getränken und rezeptfreien Arzneimitteln gesetzlich verboten (Harrison Narcotic Act).
In Europa wurde eine Cocainwelle durch den oft unkritischen Einsatz des Cocains in der Medizin – auch Sigmund Freud ist in diesem Zusammenhang zu nennen – ausgelöst und während des 1. Weltkrieges (Behandlung der Kriegsverletzten) verstärkt. Diese Cocainwelle erreichte ihren Höhepunkt in den "verrückten 20er-Jahren". Durch Einführen der billigeren und länger wirksamen Amphetamine ging der Cocainkonsum in den 30er-Jahren zunächst zurück, nahm aber in den 70er-Jahren wieder deutlich zu, ab Mitte der 80er-Jahre häufig in Form von Crack, das durch Aufkochen von Cocainbase mit Backpulver und Wasser gebildet wird.
Crack wird geraucht, aber auch gegessen und gespritzt, wobei eine Wirkungsverstärkung eintritt. Heute ist der Cocaingebrauch vor allem in Stressberufen verbreitet, zu denen die moderne Musikszene gehört. In der Drogenszene verbreitete Synonyma für Cocain sind Koks, Coke, Dust, Flake, Schnee, Snow.
Die Fülle der Cocainlieder ist kaum mehr zu überblicken. Wolf-Reinhard Kemper hat in seiner Dissertation [4] zum Thema "Kokain in der Musik" 204 englischsprachige und 37 deutschsprachige Cocainlieder aufgelistet. Bereits vor dem 1. Weltkrieg war in New Orleans ein Song "Candy Man" beliebt. Als Candy Man wurde in den Südstaaten ein Cocaindealer bezeichnet. Der erste Cocainsong, der auf einer Schallplatte erschien, war "Dope Head Blues", gesungen von der farbigen Sängerin Victoria Spivey [5]. Der erste Vers lautet Just give me one more sniffle, another sniffle of that dope.
In "Porgy and Bess" von George Gershwin (1898 – 1937) taucht Cocain erstmals in einer Oper auf (1935 uraufgeführt). Die Handlung spielt in den Südstaaten und basiert auf einem Roman von DuBose Heyward. Der Dealer Sportin Life versucht Bess mit Cocain (im Text als Happy Dust bezeichnet) gefügig zu machen. Auch an anderen Stellen der Oper kommt Cocain vor.
Eine weitere Oper, in der Cocain auftaucht, ist "Boulevard Solitude" von Hans Werner Henze nach einem Libretto von Grete Weil (1952 in Hannover uraufgeführt [34]). Eine enorme Verbreitung hat der Cocaine Blues erfahren. Kemper [5] unterscheidet drei unterschiedliche Songs mit diesem Titel und erfasst in seiner Discographie insgesamt 30 Versionen. Der erste "Cocaine Blues" wurde 1927 von Luke Jordan geschrieben, der letzte in der Auflistung stammt von Hannes Wader und Konstantin Wecker aus dem Jahre 2000. Beide haben davor auch schon andere Songs über Cocain vorgetragen. Im Text des 1972 veröffentlichten Songs "Kokain" nach der Musik des "Cocaine Blues (No. 3)" schrieb Wader (geb. 1942) im Refrain:
Oh Mama, komm schnell her, / halt mich fest, ich kann nicht mehr / Cocaine, all around my brain und als letzte Strophe: Ich merke schon, dass ich jetzt aufhör'n muß, / oh Mama, Mama, Mama komm mach mir 'nen Schuß / mit Morphium und Heroin, / Opium und Rosimon oder gib mir / Lysergsäurediäthylamid, / Meskalin und Nepalshit, la, la, la ... (Text aus [5]).
Konstantin Wecker (geb. 1947) singt in seiner 1993 erschienenen Ballade "Kokain" im ersten Vers: Meine Seele löst sich, fliegt dahin. Kokain, Kokain und im letzten Vers: Hol mich raus, ich kann nicht mehr, alles Leichte wird so schwer, und was gilt, das geht dahin. Kokain. Wecker hat seine Cocain-Abhängigkeit, über die er im 1992 erschienenen Buch "Uferlos" berichtete, überwunden.
Die als Folge des 1. Weltkrieges und der Inflation einsetzende Weltuntergangsstimmung zu Beginn der Weimarer Republik war ein idealer Nährboden für die Entwicklung einer städtischen Rauschgiftszene. Das Nachtleben im Berlin der 20er-Jahre ist charakterisiert durch Rauschgift, Prostitution und Nackttänze in den unzähligen Revuetheatern [6, 7]. Zahlreiche Künstler verfielen damals dem Cocain oder Opiaten. Erwähnt werden sollen hier nur die Dichter Gottfried Benn, Walther Rheiner, A. Rudolf Leinert und der Schriftsteller Carl Zuckmayer.
Von Skandalen umgeben war die Tänzerin Anita Berber (1899 – 1928), die Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase auf die Bühne brachte mit Themen wie "Selbstmord", "Morphium" oder "Haus der Irren" [6]. Der 1923 von Anita Berber mit ihrem Partner Sebastian Droste aufgeführte Tanz "Kokain" nach einer Musik von Camille Saint-SaĎns (Dance macabre, op. 40, 1874) wurde von dem Tanzhistoriker Joe Jencik wie folgt beschrieben (aus [6]):
Imaginäre Schreiversuche zerfließen um den Mund herum, in Verwunderung über plötzliche Gesichte, die vage sind: diese zerfließen wieder vor dem Aufschrei, und so verfolgt die Tänzerin sich und die Schöpfungen ihrer kranken Phantasie. Der gesunde Körper kämpft mit dem vergifteten, und dieser wütet wieder mit dem gesunden. Der Herzmuskel muß doch endlich erlahmen, und das Untier der Kokainseuche erdrückt sein freiwilliges Opfer. Der Körper der Tänzerin wirft sich in einer ungeheuren Kaskade. Weitere Agonie – diesmal erinnernd an den süßen Schlaf einer aus der Hölle der Qualen Befreiten.
Bereits Saint-Saens hatte der Musik ein Gedicht hinzugefügt. Anita Berber ergänzte es durch eigene Verse, in denen es u. a. heißt: ... Nervöses zerflatterndes Begehren / Aufflackerndes Leben / Schwälende Lampe / Tanzender Schatten / Kleiner Schatten / Großer Schatten / Der Schatten / Oh – der Sprung über den Schatten / Er quält dieser Schatten / Er martert dieser Schatten / Er frisst mich dieser Schatten / Was will dieser Schatten / Kokain (aus [7, 31]). "Die Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase" tauchen auch als Buchtitel auf [33].
Klaus Mann, der in dieser Zeit in Berlin war und die Berber gut kannte, schreibt in "Erinnerung an Anita Berber" [8]: Man schrieb 1924, Anita Berber war schon eine Legende. ... Nachkriegserotik, Kokain, letzte Perversität: solche Begriffe bildeten den Strahlenglanz ihrer Glorie. Nebenbei wußten die Kenner, daß sie eine ausgezeichnete Tänzerin war. ... Sie sprach ununterbrochen, und sie log furchtbar. Es war klar, daß sie sehr viel Kokain genommen hatte; sie bot auch mir welches an. ... Mit fünfundzwanzig Jahren auf grell beleuchteter Höhe, vom Skandal wie von einem Glorienschein umgeben; mit neunundzwanzig vom Teufel geholt, als sie starb. Sie machte es schnell ab.
Mir scheint dieses Leben zu großen Stils, als daß man es mitleidig anschauen dürfte. Freilich, sie endete jammervoll, und uns alle, die wir sie gekannt haben, trifft der Vorwurf, daß sie allein, daß sie ohne Hilfe starb. Doch hat ihr grausiges Ende eine innere Logik, vor der Mitleid geringfügig wird. Sie war eine große und extreme Natur, sie mußte so extrem enden, wie sie es getrieben hatte. So ruchlos-ästhetizistisch es klingt, ein behaglicherer Schlußakt hätte ihre Lebenslegende verdorben.
Klaus Mann verweist auch auf den Roman "Der Tanz ins Dunkel" von Leo Lania (Adalbert Schultz-Verlag), der das Leben der Anita Berber beleuchtet. Wahrscheinlich nimmt auch das Lied "Hannelore" von Claire Waldoff (1884 – 1957) Bezug auf Anita Berber (aus [6]):
Sie tropft in die Augen Atropin und schnupft 'ne Handvoll Kokain, besonders so im Mai sie macht in Weltverjessenheit und ab und zu in Sinnlichkeit – auch das geht schnell vorbei ...
Die damals sehr populäre Schauspielerin Grete Weiser (1903 – 1970) sang den Schlager "Mutter, der Mann mit dem Koks ist da":
Mutter, der Mann mit dem Koks ist da! Stille doch, Junge, ick weeß es ja! Haste denn Jeld? Ick hab' keen Jeld. Wer hat denn den Mann mit dem Koks bestellt?
Dieser Berliner Gassenhauer nach dem Walzerlied zur Operette "Gasparone" von Karl Millöcker entstand 1886. Gemeint war zu dieser Zeit noch der Brennstoff Koks; erst in den 20er-Jahren gewann die Bezeichnung 'Koks' eine andere Bedeutung.
Der 'Technoheuler' Falco (1957 – 1998) nahm den Titel "Mutter, der Mann mit dem Koks ist da" 1996 in sein Programm auf – mit eindeutigem Bezug auf Cocain. Aus den in den 20er-Jahren beliebten Nonsens-Liedern soll als Beispiel ein Text erwähnt werden, der Cocain erwähnt und von Hans Wassermann, einem der Schlagerstars der damaligen Zeit, gesungen wurde (aus [6]):
Eins zwei dreia – Quatsch mit Eia. Eichenlaub und Mamelucke – vivat Koks! Futsch ist die Spucke! Lehmann Lady Lude Louis. Oben hui und unten pfui. Schnurrdiburri töff-töff-töff, Malzkaffee mit Blöff-blöff-blöff. Veni-vidi-vimm – da haste den Klimbim!
Der Text klingt an die damals aktuelle Dada-Bewegung an. Ein Insider des Berliner Nachtlebens, der Schlagerkomponist Friedrich Hollaender (1896 – 1976) [9], kannte sich auch in der Drogenszene aus: Die Tarife richteten sich – schließlich ham wa jetzt 'ne Demokratie – nach der sozialen Stufe der Süchtigen. Ein Päckchen Kokain war billiger in der Toilette des Bahnhofs Zoo als im Toilettenraum des Hotels Eden. Vollends sank der Preis im Café Hoppla, Ecke Friedrichstraße. Aber da war nur geriebene Kreide drin. Die Drogenwelle endete abrupt mit dem Ende der Weimarer Republik und der Machtergreifung der Nazis.
Drogensongs der Jugendkulturen
Zwar hatte die Cocainwelle der 20er-Jahre in den Metropolen bereits größere Gruppen erfasst, aber erst Mitte des Jahrhunderts wurde die Drogeneinnahme zu einem Massenphänomen. Nach dem 2. Weltkrieg sind die sich zunächst in den USA ausbildenden Jugendkulturen mit einem intensiven Drogenkonsum verbunden. Die Drogeneinnahme wurde zum Gruppenzwang und unterlag einer Massenpsychose.
Diese Entwicklung hat eine Vorgeschichte, die mit der Musikkultur der USA verbunden ist. Die wichtigste bewusstseinerweiternde Droge war zunächst Haschisch, abwertend mit der Latino-Bezeichnung Marijuana bezeichnet. Viele Jazzmusiker der 20er- und 30er-Jahre wie Louis Armstrong, Charlie Parker, Gary Mulligan, Anita O'Day und Billie Holiday nahmen Marijuana. Ein bekannter Titel der Reefer-Songs (reefer = Cannabiszigarette) ist "Muggles" von Louis Armstrong, wobei Muggles eine Slang-Bezeichnung für Marijuana war.
Daneben spielten seit Ende des 19. Jahrhunderts auch Cocain und Heroin eine begrenzte Rolle. 1964 kamen Meskalin, LSD und andere Halluzinogene in Mode, nach deren Verbot Amphetamine. Charlie Parker war stark cocain- und heroinsüchtig und starb bereits mit 35 Jahren. Die ersten drei Töne von "Parker's Mood" wurden zum Erkennungszeichen für die Heroin-Dealer [11]. Charlie Parker äußerte zu seiner Drogen-Abhängigkeit: Sie können es aus deinem Blut herausholen, aber sie kriegen es nie aus deinem Kopf (aus [11]). In den 40er- und 50er-Jahren war unter den Jazzmusikern vor allem Heroin gefragt. Ray Charles (1930 – 2004) nahm 17 Jahre lang jeden Tag Heroin, hörte aber nach einer Verhaftung abrupt auf. Billie Holiday war schwer heroinsüchtig.
Die amerikanische Subkultur wurde nach dem 2. Weltkrieg von zwei ,Jugendbewegungen' geprägt, die mit intensivem Drogenkonsum verbunden waren und die bewusst oder unbewusst von Literaten beeinflusst wurden: Die Beat-Generation mit den Beatniks der 50er-Jahre und die Hippies mit der psychedelischen Bewegung in den 60er-Jahren. Der Jazz entsprach nicht mehr dem Zeitgefühl; die Jugend wollte tanzen, der Rock 'n' Roll entstand aus Elementen des schwarzen Blues und der weißen Countrymusic. Triebkräfte für die nötige Geschwindigkeit waren Amphetamine und die Halluzinogene.
Einige Richtungen der Popmusik sind durch einen mehr oder weniger spezifischen Drogengebrauch charakterisiert, so der Rock 'n' Roll durch Amphetamine, der Acid oder Psychedelic Rock durch LSD (s. u.), der Reggae durch Haschisch (Ganja) und die Rave-Kultur mit dem Techno durch Ecstasy. Angeregt durch die Heroin- und Cocain-User wurden ab Mitte der 60er-Jahre die Amphetamine (Methedrin, Methamphetamin) intravenös injiziert: Speed wurde Mode. Zu den Speed-Freaks gehörten die Gruppen The Velvet Underground oder Motörhead, die eine überlaute und schnelle Heavy-Metal-Music spielten.
Die Beat-Generation wandte sich gegen das Establishment, gegen die in den USA vorherrschende puritanische Geisteshaltung und war eine reine Gegenkultur, die auch gegen den damaligen McCarthyismus protestierte. Die Lebensphilosophie der Beatniks in den USA war durch einen Anspruch auf eine gesteigerte Lebensintensität gekennzeichnet. Jazz – Koks – Marihuana – Lyrik – Gedanken – Orgasmus – Gott, das waren die Leitlinien der Beatniks (Seymour Krim in [12]). Der Begriff Beat leitet sich von 'Geschlagen sein', 'Leiden' ab, soll aber auch an 'Beatific – glückselig', im erweiterten Sinne 'erlöst' erinnern [13, 14], die Endsilbe -nik soll auf den Sputnik hinweisen, den 1957 gestarteten sowjetischen Erdsatelliten und damit etwas kommunistische Revolte in der Zeit des Kalten Krieges andeuten.
Die herausragenden Vertreter der Beat-Generation waren die Schriftsteller William S. Burroughs (1914 – 1981) und Jack Kerouac (1922-69) sowie der Lyriker Allen Ginsberg (1926 – 1997) – alle stark drogenabhängig. Das geistige Leben der Beat-Generation wurde ferner von Neal Cassady (1926 – 1968) und dem Verleger Lawrence Ferlinghetti (geb. 1919) mit geprägt. Burroughs "Naked Lunch" (1953), Ginsbergs "Howl and Other Poems" (1956) und Kerouacs "On the Road" (1957) prägten eine Generation amerikanischer Jugendlicher und begründeten eine vor allem städtische Subkultur, die weltweit ausstrahlte. Ginsberg war stark von der Mystik William Blakes und der des fernen Osten beeinflusst und hörte Wagners Götterdämmerung unter dem Einfluss Psilocybin-haltiger Pilze.
Die Hippiebewegung erfasste vor allem junge Menschen zwischen 14 und 26 Jahren. Die Bezeichnung Hippie soll auf Hipi oder Hip für Jemanden, der seine Augen geöffnet hat [11] im Slang der Schwarzen zurückgehen. Ihre spirituellen Erfahrungen suchten die Hippies mit Hilfe fernöstlicher Lehren, durch Drogen und freie Sexualität zu erlangen. Ideologische Vorläufer und Protagonisten dieser irrational orientierten Jugendbewegungen waren Hermann Hesse, Timothy Leary, Jerry Rubin, Gerry Snyder, Alan Watts und Marshall McLuhan ("The medium is the message").
Jerry Rubin (1938 – 1994), ein Vertreter der politisch orientierten und manchmal auch militanten Hippies, der bärtigen 'Yippies', äußerte sich zu den Zielen der Bewegung: The goal of the revolution is to eliminate all intellectuals, create a society in which there is no distinction between intellectual and physical work: a society without intellectuals. Our task is to destroy the university and make the entire nation a school with on the job living.
Guru der Hippies war der Psychologe Timothy Leary (1920 – 1996), der LSD populär machte, nachdem er von 1960 bis 1966 ganz offiziell im Rahmen eines von der Regierung finanzierten Forschungsauftrages zur Untersuchung des Einflusses von Drogen auf das menschliche Verhalten Versuche mit LSD durchgeführt hatte. Er sagte: Nennen Sie mir nur eine Rockgruppe, die keine Hymnen auf LSD und Marihuana in ihrem Repertoire hat (aus [11]).
Romane von Hermann Hesse (1877 – 1962), die zuvor in den USA kaum gelesen worden waren, wurden Bestseller [35]. Der Ich-Erzähler Harry Haller in Hesses Steppenwolf, ein völlig vereinsamter und unter Zivilisationsekel leidender Schriftsteller, mit Beziehungen zur Musik, zu Goethe, zu Novalis oder Baudelaire [15], wurde, nachdem er den Entschluss gefasst hat, seinem Leben zum fünfzigsten Geburtstag ein Ende zu machen, ein wenig unbesorgter im Gebrauch von Opium und Wein, ein wenig neugieriger auf die Grenzen des Ertragbaren [15]. Die Drogen beschafft ihm übrigens ein Jazzmusiker.
Modedrogen wurden vor allem die so genannten bewusstseinerweiternden Drogen wie Cannabis-Präparate, LSD, Meskalin bzw. der Kaktus Peyotl und Psilocybin bzw. psychoaktive Pilze ("Pilzli"). Für sie prägten der Psychiater Humphrey Osmond und der Schriftsteller Aldous Huxley den Begriff Psychedelika (psychedelic = die Seele enthüllend oder entfaltend). Die Drogen versetzten die Jugendlichen in eine andere Welt. Die psychedelische Bewegung knüpfte an die in den USA schon um die Jahrhundertwende etablierten pseudoreligiösen Gemeinschaften an, die sog. sakrale Drogen für Meditationszwecke einsetzten. Die Entwicklung ging von dem Peyotl-Kult bei bestimmten Prärie-Indianern aus, die seit 1914 als Native American Church organisiert waren.
Höhepunkte der Hippiebewegung waren die Musik-Happenings, die ohne Drogen nicht vorstellbar waren. Das erste große Festival war die von Ken Kesey (1935 – 2001) organisierte "Bay Area Extravaganza" im März 1966. Die Drogenfestivals (Gatherings of Trips) führten zu einem bisher nicht gekannten Massenrausch, wobei der "Summer of Love" des Jahres 1967 der Höhepunkt gewesen sein dürfte. Es war ein schlimmes Jahr. Für alle hat sich '67 viel verändert. Ich würde sagen, 1967 kam es zu einer Explosion der Drogenkultur, wenn es so etwas gibt; sie drang aus dem Untergrund an die Öffentlichkeit, und plötzlich haben alle davon gesprochen, so Keith Richards, Mitglied der Rolling Stones [16]. Bedeutendstes Happening war das Woodstock-Festival 1969, an dem u. a. Jimi Hendrix teilnahm.
Eine eigene Musikrichtung entwickelt sich unter dem Namen Acid Rock (Acid = LSD). Der Acid Rock, auch als Psychedelic Rock oder Westküsten-Rock bezeichnet, entstand zwischen 1966 und 1968 im Stadtteil Haight Ashbury von San Francisco [17]. Die Bezeichnung Psychedelic Rock tauchte erstmals 1967 auf dem Album "Surrealistic Pillows" der Gruppe Jefferson Airplane auf.
Die Musik des Acid Rock entsprach angeblich mit ihrer zerfließenden Formlosigkeit den Visionen und Halluzinationen, wie sie unter Drogen hervorgerufen werden [18]. Die Charlatans waren 1964 die erste psychedelische Band, andere Gruppen waren Jefferson Airplane, Grateful Dead oder Quicksilver Messenger Service, in England Pink Floyd. Die überlaut verstärkte Musik und die mit dem Psychedelic Rock eingeführte Light Show sollte ähnliche bewusstseinerweiternde Erfahrungen wie ein LSD-Trip auslösen. Psychedelische Musik wurde als Tor zur letzten Weisheit aufgefasst, wobei allerdings der Joint in der Runde herumging [19].
In etlichen Fällen geht der Drogenbezug schon mehr oder weniger direkt aus dem Namen der Musikgruppe hervor. Der Name "Quicksilver Messenger Service" bezieht sich auf ein in der Szene bekanntes Synonym für LSD (quicksilver). Eine Rockband nannte sich "The Doors", um mit diesem Namen an das Drogenkultbuch von Aldous Huxley "The Doors of Perception" zu erinnern. Eine deutsche, 1988 gegründete HipHop-Combo trat unter dem Namen L.S.D. (Legally Spread Dope; dope im Drogenslang Bezeichnung für Drogen aller Art) auf, ab 1993 als LSD Proton. In den 90er-Jahren existierte in Boston ein Gruppe Morphine.
Die Texte beschrieben Drogenerlebnisse mehr oder weniger verschlüsselt. This is why a "drug song" will increasingly be seen as a guide to those resonating mystically, not just as lyrics that mention drugs (aus [20] S. 41). Für Drogen-Songs existieren heute im Internet eigene Hitlisten.
Zu den offenen Pro-Drogen-Songs gehört z.B. "I Like Marijuana" und "The Alphabet Song" von David Peel and the Lower East Side aus dem Jahre 1968, in dessen Text die zahlreichen Abkürzungen für die synthetischen Drogen auftauchten: A-B-C-D-E-F-G-LSD and DMT, P.O.T. and L-S-D usw. (Text aus [11]) und wiederholt smoke pot (pot = Cannabis) und Help! I'm stoned (stoned = wie aus Stein sein, subjektiv gefühlter Zustand nach Haschischkonsum). Auch "The Trip" von Donovan gehört zu den Pro-Drogen-Songs. Bob Dylan besang 1965 einen "Mr. Tambourine Man", worunter ein Drogenhändler zu verstehen ist, und meinte in einem anderen Song "Everybody must be stoned" [19].
Daneben gab es aber auch Anti-Drogen-Songs wie "Cocaine Blues" von Jonny Cash oder "Cold Turkey" (Kalter Entzug) der Plastic Ono Band. Mit dem Verbot der Drogen kamen auch die Drogen-Songs auf Verbotslisten. Die US-Behörden wurden schon aufmerksam, wenn "high" oder "trip" im Text vorkamen. Die Musiker wurden beschuldigt, wesentlichen Anteil an der Popularisierung der Drogen zu haben.
Die erste Psychedelia der Beatles war der Song "Love You To" (12.4.1966), bei dem erstmals indische Instrumente eingesetzt wurden, die für die psychedelische Musik charakteristisch wurden. Der erfolgreichste psychedelische Song der 60er-Jahre war "A Day In The Life" (1.3.1967). Das Stück climaxt in einem grandiosen, kakophonisch-orchestralen Freak-Out und einem abschließenden 15.000 Hertz-Ton, der aber nur von Trippenden und deren Hunden gehört werden kann [21].
In "Lucy In The Sky With Diamonds" (2. 3. 1967) der Beatles ist LSD schon im Titel enthalten. Von John Lennon, selbst LSD-erfahren, werden farbige LSD-Visionen besungen (the girls with kaleidoscope eyes) und damit die 'Blumenkinder' direkt angesprochen. Lennon hat allerdings selbst bestritten, dass es sich beim Text um die Beschreibung eines LSD-Trips handelt.
Im Vorwort zu dem Heft "Die psychedelischen Beatles" [20] schreibt Albert Hofmann, der Entdecker des LSD: Wenn ich von den Beatles höre, dann ertönt in meinem inneren Ohr sogleich die bezaubernde Melodie von "Lucy in the Sky with Diamonds". Ich weiß nicht, ob dieser Titel wirklich eine Anspielung auf LSD ist. Sicher aber schwingt in diesem Song, so wie ich ihn erlebe, etwas von einem LSD Trip mit. Mein "Sorgenkind" [22] hat da irgendwie mitgespielt.
Die Beatles nahmen schon in Hamburg auf der Reeperbahn Amphetamin und Marihuana ein, 1965 kam dann die Modedroge LSD hinzu. Auf Marihuana kamen die Beatles durch Bob Dylan. Ein Teil des Textes des Beatles-Songs "Tomorrow Never Knows" stammt aus der von Timothy Leary herausgegebenen Zeitschrift Psychedelic Review (die Zeilen Turn off your mind, relax and float downstream, you're not dying und surrender to the void; aus [23]). John Lennon hatte Timothy Learys Bearbeitung des "Tibetanischen Totenbuchs" gelesen, bevor er "Tomorrow Never Knows" schrieb. Lennon soll eine Weile mit LSD-Trips aufgehört haben, als die Horror-Trips häufiger wurden [20].
Paul McCartney, der sich öffentlich als Acid-Head bezeichnete, finanzierte eine teure LEGALIZE CANNABIS-Anzeige in der Times. In einem Spiegel-Interview äußerte er 1991: Seit "Rubber Soul" 1965 ist jedes Beatles-Album unter Drogeneinfluß entstanden, vor allem Marihuana und LSD. Alles, was in den 60ern gemacht wurde, war von Drogen inspiriert – Musik, Literatur, Kino. Der Vietnamkrieg wurde auch unter Drogen geführt (aus [20]). Am Ende der Hippiezeit kamen die Beatles allerdings zu der Überzeugung, dass ihnen die Drogen nichts mehr geben können: Sie ermöglichen einem, viele Lebensoptionen zu erkennen, aber sie sind nicht die Antwort auf die wichtigen Fragen [20]. John Lennon schrieb mit "Cold Turkey" (s.o.) einen Anti-Drogen-Song.
Auf LSD weist der Song "Alice D Millionaire" (auch bekannt als "No Time To Cry") der Gruppe Grateful Dead. Auch die Songs "Mother's Little Helper" und "Sing This All Together" der Rolling Stones [24] aus den Jahren 1966/67 haben einen ziemlich direkten Bezug zu Drogen. In "Mother's Little Helper" (Mutters kleine Helferin) heißt es im ersten Vers: Die Jugend von heute ist ein Fall für sich / höre ich jede Mutter sagen / Mutter braucht was, um ihre Nerven zu beruhigen / Sie ist zwar in Wirklichkeit gar nicht krank / Aber es gibt so ne kleine gelbe Pille / Das ist Mutters kleine Helferin, bei der sucht sie Zuflucht / Die hilft ihr wieder auf die Beine / Hilft ihr über den Arbeitstag hinweg.
Die Rolling Stones verwendeten auch Texte von William Blake. Susan Gordon Lydon (geb. 1943), die selbst Haschisch, Cocain, LSD und Heroin nahm, hat in ihrer Autobiographie ("Der lange Weg zurück. Stationen einer Sucht. Bericht einer Überlebenden", 1997) authentisch über die Hippieszene der 60er-Jahre in den USA berichtet. Der Song "Sister Morphine" der Rolling Stones stammt aus der Zeit (1969), als die Gruppe Opiate einnahm. Der Text stammt von Marianne Faithful und handelt von einem Unfallopfer, das durch Morphin Linderung erfährt.
1996 erschien vom Label "Epic Records" ein Album von Ottmar Liebert (Santa Fe, New Mexico) mit dem Titel "Opium". Zur Erläuterung des Titels wird mitgeteilt: To me, the title OPIUM suggests a drug that seduces you into a whole different world. And with this album we tried to create our own little world, which takes from a lot of different sources. We don't feel like we belong to any particular culture exclusively. With OPIUM, we're creating a little world and seducing people into it.
Der Mitte der 60er-Jahre in Jamaika aufkommende Reggae entstand als rituelle Tanzmusik der schwarzen religiösen Befreiungsbewegung des Rastafari-Kultes. Die Rastas rauchten Hanf (Ganja), um dadurch ihre Seele befreien zu können. Führende Vertreter waren Bob Marley (1945 –1981) und Peter Tosh (1944 – 1987), der letztere hat sich 1976 mit dem Song "Legalize It" für eine Legalisierung des Haschisch eingesetzt:
Legalisiert es / Kritisiert es nicht / Legalisiert es / Und ich werde dafür werben / Einige nennen es tampee / Einige nennen es weed / Einige nennen es marijuana / Einige nennen es ganja / Sänger rauchen es / Ebenso Musiker / Legalisiert es / Das ist das Beste / Was ihr tun könnt / Ärzte rauchen es / Pflegerinnen rauchen es / Richter rauchen es / Selbst auch die Rechtsanwälte Es ist gut gegen Grippe / Es ist gut gegen Asthma / Gut gegen Tuberkulose / Sogar gegen Umara composis/ Vögel essen es / Und sie lieben es / Hühner essen es / Ziegen spielen gern damit / Legalisiert es (aus [21])
Später spielte Cocain in den Städten eine wesentliche Rolle. Die Musik wurde härter und schneller (Dancehall oder Ragga). Der als ,rude boy' durch Drogenexzesse, Kriminalität und Motorräder bekannte Jamaikaner Dillinger nimmt mit dem Gangsta-Rap "Cocaine in My Brain" auf den aktuellen Top 20 der größten Drogen-Songs nach "White Rabbit" von Jefferson Airplane immerhin Platz 2 ein.
Die exzentrische Punk-Lady Nina Hagen (geb. 1955) berichtet in ihrer Autobiographie "That's Why The Lady Is A Punk" (Berlin 2000), dass sie mit 19 Jahren mit LSD eine große göttliche Erfahrung gemacht hat. Von Nina Hagen stammt ein Song aus dem Jahre 1979, der Haschisch besingt. Hier der Anfang des Textes (aus [21]):
Es riecht so gut, paß auf, dass du nicht geschnappt wirst. Sie sind nämlich hinter Dir her, du alter kiffer dabei geht ihre gesellschaft am alkoholismus Zugrunde, aber dich jagen sie, DICH. haschisch, feinstes kaschmir edelster türke, afghanisches gras ein plätzchen für mein schätzchen cannabis in holland bob marley auf der venus
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass in dieser Zeit die Zahl der Drogenabhängigen sprunghaft anstieg, besonders 1969 bis 1971. Unter den Rockmusikern, die dem Leistungsdruck und Stress in besonderem Maße ausgesetzt sind und ihm nicht mehr gewachsen waren, finden wir prominente Namen. An einem Drogentod bzw. an den direkten oder indirekten Folgen des jahrelangen Drogenmissbrauchs starben Jimi Hendrix (1970 im Alter von 27 Jahren), Jim Morrison (1971 im Alter von 27 Jahren), Janis Joplin (1943 – 1970 [25]), Andy Wood (gest. 1989) und Kurt Cobain (gest. 1994). Es gibt aber durchaus auch Beispiele dafür, dass Musiker von den Drogen auch wieder loskamen. Das gelang z. B. Joe Cocker, Ozzy Osbourne (von Black Sabbath), Joan Baez, Bob Dylan oder Konstantin Wecker.
Ende der 60er-Jahre versickerte der Acid Rock. Führende Vertreter waren tot (s. o.) oder inhaftiert (Leary, Ken Kesey). LSD verlor an Bedeutung, nicht zuletzt durch die drakonischen Maßnahmen der amerikanischen Regierung. Neue Modedroge wurde Ecstasy, an dessen Propagierung der Chemiker und Psychopharmakologe Alexei Shulgin entscheidend beteiligt war. Ähnlich wie bei LSD erhoffte man sich mit MDMA ein Hilfsmittel für die Psychoanalyse. Es gibt sogar den etwas abstrusen Versuch, die ,Schwingungsstrukturen' des MDMA-Moleküls in Töne umzusetzen [32]. Ecstasy spielte auch eine Rolle in der New-Age-Bewegung und bei den Anhängern des Gurus Bhagwan Shree Rajneesh.
Während die Psychedelia-Szene vor allem von Intellektuellen geprägt war, sich fernöstlichem Mystizismus aufgeschlossen zeigte und politisch engagiert war, ist die mit Ecstasy verbundene Techno-Musik im wesentlichen apolitisch. Ihre Ursprünge liegen im House und Garage, zwei Sounds, die in den Diskotheken Warehouse in Chicago und Paradise Garage in New York kreiert wurden. Daraus wurde dann in Chicago der Acid House – eine von Discjockeys zusammengestellte rhythmisch übersteigerte Dance-Mix-Version [26, 27]. Auslöser war 1986 die LP "Acid Trax" der Gruppe "Phuture". Acid verweist darauf, dass sich der Effekt noch weiter durch Drogen (LSD, Ecstasy) verstärken lässt.
Der Übergang zum Techno ist fließend. Techno [28] ist durch elektronische Musik mit monotonen Rhythmen und durchdringenden Bässen charakterisiert. Zum Wochenende geht es dann zu einem Rave (Fest) mit stundenlangem ekstatischem Tanz bei überlauter Musik, Nächte hindurch. Beim Rave liefern Designer-Drogen die notwendige Ausdauer und Energie und erhöhen das Selbstwertgefühl der Jugendlichen. Zu den Groß-Raves gehört die Love Parade in Berlin.
In "ecstasy-kultur & acid house" schreiben Collins und Godfrey [26] über die britische Jugendkultur Ende der 90er-Jahre: Die Ecstasy-Kultur bietet das beste Entertainment, das momentan auf dem Markt zu haben ist, eine Kombination von Technologien – musikalisch, chemisch und computertechnisch –, die für ein verändertes Bewusstsein sorgen; Erfahrungen, welche die Art verändert haben, wie wir denken, wie wir fühlen, wie wir uns verhalten, wie wir leben.
Ohne Ecstasy wäre die überlaute Musik wahrscheinlich gar nicht zu ertragen. Nachgewiesen ist, dass Ecstasy die Filterleistungen des Gehirns gegenüber Umweltreizen verbessert. Daneben werden aber auch verstärkt Amphetamine (Speed), Psilocybin-produzierende Pilze (Pilzli), Poppers (Amylnitrit) sowie Lachgas (mit Druckgas gefüllte Ballons) als Party-Drogen verwendet. Letzteres betrifft insbesondere die Goa-Partys, eine nach einem indischen Bundesstaat genannte Unterart des Techno. Um die durch längeren Gebrauch nachlassende Ecstasy-Wirkung wieder zu erhöhen, wird der Kick durch Cocain oder LSD verstärkt.
Hier einige Passagen aus einer literarischen Gestaltung der Raver-Szene, dem Buch "Rave" von Rainald Goetz (geb. 1954) – Passagen, die das Verhältnis zu Drogen in der Szene deutlich machen und auch unkommentiert für sich sprechen:
Es war also die soundsovielte Nacht nach der Parade, und beim Tanzen merkte ich, dass ich nicht mehr unterscheiden konnte, welche Wirkung welcher Droge jetzt grade wirkte, und war mit diesem Zustand völlig einverstanden. Die Musik nahm mich auf, ich freute mich, den Dj Goodgroove an den Maschinen zu sehen, und überließ mich den vielfältigen Sozialevents auf der Tanzfläche. Plötzlich kamen mir einige Gesichter um mich herum schon ziemlich kaputt und abgefuckt vor, und ich dachte sofort: harte Suppe, so kaputt schaut man jetzt also schon aus. Und kramte in meinen Taschen, nahm sofort etwas ein, gegen übertrieben genaue Beobachtungen oder gar irgendwelche lächerliche Gedanken. ([29] S. 180)
Dann reicht es ihnen, es langweilt sie. Das ganze Nachtleben, die Wiederholungen, die stumpfen Typen. Die schlechten Drogen, der ewige Hangover, und der immergleiche hohle Text, der überall von allen aufgetextet wird. Der immergleiche blöde Film, der läuft. Es langweilt. Das langweilt doch nur noch, alles. ([29] S. 150)
Und ziemlich am Ende des Buches ([29] S. 245) eine Art Zusammenfassung: ERSCHRECKEND im Zusammenhang mit Drogen ist, ehrlich gesagt, eigentlich alles. Jedenfalls im nüchternen Zustand. Und fast gar nichts, wenn man selbst Drogen genommen hat. Das ist so schwer zusammen zu halten, in einem Leben, in einem Denken.
Danksagung:
Ich danke Herrn Prof. Dr. Andreas Langner und meiner Frau für wertvolle Hinweise und Diskussionen und Frau Elsner für technische Unterstützung.
Anschrift der Verfassers:
Prof. Dr. Peter Nuhn
Institut für Pharmazeutische Chemie Wolfgang-Langenbeck-Str. 4
06120 Halle
Literatur
[1] Zitiert aus: Baudelaire, Charles: Die künstlichen Paradiese. Tagebücher. Übersetzung: Max Bruns. Minden o. J. [1901]. [2] Heinzelmann, Josef (Hrsg.): Igor Markevitch. Musik der Zeit. Dokumentationen und Studien 1. Bonn 1982. [3] Ludwig, Timm: Husten mit unendlicher Anmut. Dtsch. Ärztebl. 97 (2000) B-858, [4] Kemper, Wolf-R.: Kokain in der Musik. Bestandsaufnahme und Analyse aus kriminologischer Sicht. Mit einem Vorwort von Sebastian Scheerer und einem Nachwort von Konstantin Wecker. LIT, Münster 2001. [5] Kemper, Wolf-R.: Die "Cocaine Blues" Story. Edition Rauschkunde, Löhrbach 2003. [6] Springer, Alfred: Kokain. Mythos und Realität. Eine kritisch dokumentierte Anthologie. Brandstätter, Wien und München 1989. [7] Müller-Jahncke, Wolf-Dieter; Angela Reinthal: Sucht und Sehnsucht Berliner Literaten. Pharm. Ztg. 148 (2003) Nr. 9. [8] Mann, Klaus: Die neuen Eltern. Aufsätze, Reden, Kritiken 1924 – 1933. rororo, Reinbek 1992. [9] Täschner, Karl-Ludwig: Cocain – kein "Schnee" von gestern. Dtsch. Apoth. Ztg. 129 (1989) 1955 – 1959. [10] Kupfer, Alexander: Die künstlichen Paradiese. Rausch und Realität seit der Romantik. Metzler, Stuttgart/Weimar 1996. [11] Shapiro, Harry: Waiting for the Man. The Story of Drugs and Popular Music. Quartet Books, London/New York 1988; deutsch: Drugs & Rock 'n' Roll. Rauschgift und Popmusik. Hannibal, Wien 1989; ders.: Sky High. Droge und Musik im 20. Jahrhundert. Hannibal, Wien 1998. [12] Kerouac, Jack: Desolation Angels. Passing Through, deutsch: Engel, Kif und neue Länder. Roman. Vorwort: Seymour Krim. Melzer, Darmstadt 1967. [13] Watson, Steven: Die Beat Generation. Visionäre, Rebellen und Hipters, 1944 – 1960. Hannibal, Wien 1997. [14] Johnson, Joyce: Warten auf Kerouac – Ein Leben in der Beat-Generation. Kunstmann, München 1997. [15] Hesse, Hermann: Der Steppenwolf. Berlin 1963. [16] Dalton, David; Mick Farren (Hrsg.): The Rolling Stones. In eigenen Worten. Übersetzung: Torsten Waack. Palmyra, Heidelberg 1995. [17] Sculatti, Gene; Davin Seay: San Francisco Nights. The Psychedelic Music Trip, 1965 – 1968. St. Martin's, New York 1985. [18] Anthony, Gene: The Summer of Love. Celestial Arts, Millrae, CA, 1980. [19] Joynson, Vernon: The Flashback. After the Acid Trip – The Ultimate Psychedelic Music Guide. Borderline, Telford, Shropshire 1988. [20] Pieper, Werner (Hrsg.): Die psychedelischen Beatles. Löhrbach 2001. [21] Behr, Hans-Georg: Von Hanf ist die Rede. Kultur und Politik einer Pflanze. Zweitausendeins, Frankfurt 1995. [22] Hofmann, Albert: LSD – mein Sorgenkind. Klett-Cotta, Stuttgart 1979. [23] Reavis, Edward (Zusammenstellung der Dokumentation): Rauschgiftesser erzählen. Bärmeister & Nickel, 1967; Nachtschatten, Solothurn 2002. [24] Davis, Stephen: Die Stones. Europa Verlag, Hamburg 2002. [25] Schober, Ingeborg: Janis Joplin. dtv 2002. [26] Collin, Matthew; John Godfrey: Altered State. London 1997. Deutsch: Im Rausch der Sinne. Ecstasy Kultur und Acid House. Hannibal, Wien 1998. [27] Gassen, Timothy: Echoes in Time. The Garage and Psychedelic Explosion 1980 – 1990. Borderline, Telford, Shropshire 1991. [28] Blask, Falko; Michael Fuchs-Gamböck: Techno. Eine Generation in Ekstase. Bastei-Lübbe, Bergisch Gladbach 1995. [29] Goetz, Rainald: Rave. Suhrkamp, Frankfurt 1998. [30] Gesänge der Maria Sabina. Doppel CD + Booklet. Nachtschatten, Solothurn 2003. Aus der Verlagsankündigung: Die erste CD ist eine Originalaufzeichnung von Gordon Wasson aus dem Jahre 1962, welche während einem Pilzritual mit der Schamanin Maria Sabina aufgenommen wurde. Die zweite CD beinhaltet Kompositionen von Steve Schroeder (Star Sounds Orchestra, Ex Tangerin Dream). [31] Fischer, Lothar: Tanz zwischen Rausch und Tod. Anita Berber 1918 – 1928 in Berlin. Haude & Spener, Berlin 1988. [32] Cousto, Hans: MDMA-tuning. Musikalische Umsetzung der Molekularstrukturen. Nachtschatten, Solothurn 1999. [33] Berber, Anita; Sebastian Droste: Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase. Gloriette, Wien 1923. [34] Zaugg, Doris: Musik und Pharmazie – Apotheker und Arzneimittel in der Oper. SGGP/SSHP, Bern 2001. [35] Nuhn, Peter: Hermann Hesse und die Drogen. Pharm. Ztg. 150 (2005) 1430 – 1432.
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