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Analyse
Wann rechnen sich Apothekenketten?
Auf der Bilanzpressekonferenz der Celesio AG wurde kürzlich über eine Umsatzrendite der ausländischen Apothekenketten des Konzerns in Höhe von 7,17% berichtet (siehe DAZ Nr. 12/2005, S. 44). Diese Rendite wurde allein auf der Apothekenebene erwirtschaftet und enthält nicht den Erfolg der Großhandelssparte des Konzerns, weil die Unternehmensführung naturgemäß an einer aussagekräftigen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der verschiedenen Unternehmenssparten interessiert ist.
Bemerkenswert ist ein solcher Ertrag insbesondere vor dem Hintergrund der spärlichen Margen des Einzelhandels in Deutschland. So kalkulieren große Teile des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland mit Margen im 1%-Bereich, während vergleichbare Unternehmen in Großbritannien Umsatzrenditen um 5% erreichen. So kann es im internationalen Kontext nicht verwundern, wenn besonders die in Deutschland tätigen Handelskonzerne mit großem Interesse auf die vermuteten Pfründe im Arzneimitteleinzelhandel blicken. Über den Druck der Unternehmen, die politischen Entscheidungsträger zu diesbezüglichen Gesetzesänderungen zu bewegen, wird immer wieder gemutmaßt.
Doch bleibt die Frage zu klären, ob die Rendite, die in ausländischen Apotheken erzielt wird, überhaupt auf Deutschland übertragbar ist. Das von der Celesio berichtete Ergebnis ist ein Durchschnittswert für sieben Länder mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Daher bleibt für die außen stehenden Betrachter offen, welche Mindestrendite die Konzernführung als Voraussetzung für einen Markteintritt ansieht.
Doch wären die publizierten Erfolge sicher eine wichtige Benchmark für die potenziellen Betreiber von Apothekenketten, wenn diese in weiteren Ländern zugelassen werden sollten. Eine wesentlich geringere Rendite dürften solche Unternehmen nicht akzeptieren, wenn das Engagement sinnvoll sein soll. Doch welche Renditen könnten Apothekenketten in Deutschland erwarten, wenn das Fremdbesitzverbot fiele?
Rahmenbedingungen in Deutschland
Die Länder, in denen Celesio Apotheken mit der o. g. Durchschnittsrendite betreibt, unterscheiden sich von Deutschland einerseits durch die Zulassung des Apothekenmehrbesitzes, andererseits überwiegend durch Niederlassungsbeschränkungen. Dies schränkt den Wettbewerb unter Apotheken dort gegenüber den Verhältnissen in Deutschland wesentlich ein. Demnach können die dort erzielbaren Renditen nicht einfach auf Deutschland übertragen werden, aber international tätige Unternehmen müssten ihre Ergebnisse an den ausländischen Erfolgen messen, wenn darüber entschieden wird, in welche Märkte sie ihre Finanzmittel lenken.
Eine Aussage über die in Deutschland erzielbaren Renditen sollte möglichst aus Daten abgeleitet werden, die die Bedingungen des deutschen Marktes ausdrücken. So weisen die jüngsten ABDA-Zahlen aus dem Jahreswirtschaftsbericht eine Umsatzrendite der Apotheken von 6,4% vor Steuern aus (siehe DAZ Nr. 17/2005, S. 51). Um dies mit der Situation von Kettenapotheken zu vergleichen, muss das Gehalt des Filialleiters abgezogen werden, das an die Stelle des steuerpflichtigen Unternehmerlohns treten würde. Dagegen müsste die Eigenkapitalrendite auch von einer Kapitalgesellschaft versteuert werden. Die Rendite nach Abzug aller kalkulatorischen Kosten ist daher, obwohl als betriebswirtschaftliche Größe durchaus interessant, kein Vergleichswert für die bilanziell ausgewiesene Vorsteuer-Umsatzrendite ausländischer Kettenapotheken.
In einer "typischen" deutschen Apotheke mit einem Bruttoumsatz von 1228 Tsd. Euro verblieben im Jahr 2004 gemäß Jahreswirtschaftsbericht 81 Tsd. Euro als Vorsteuergewinn (siehe DAZ Nr. 17/2005, S. 52). Bei einem Gehalt des Filialleiters einschließlich Notdiensten, Überstunden und Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung in Höhe von 60 bis 70 Tsd. Euro würden elf bis 21 Tsd. Euro als Vorsteuergewinn verbleiben. Das wären günstigstenfalls 1,7% vom Bruttoumsatz, eher deutlich weniger. Dieser Wert erinnert mehr an den deutschen Lebensmitteleinzelhandel als an internationale Apothekenketten.
Aber die rentablere Arbeitsweise von Kettenapotheken kann nur spekuliert werden. Sicher gibt es Synergieeffekte durch den Austausch von Vertretungspersonal und einige zentral abzuwickelnde Aufgaben von der Steuerberatung bis zum Marketing. Doch geben große Konzerne üblicherweise wesentlich größere Teile ihres Umsatzes für Marketing und Verwaltung aus als typische deutsche Apotheken. Die bisherigen Erfahrungen mit Filialapotheken lassen jedenfalls nicht erwarten, dass die möglichen Kosteneinsparungen die Marge vervielfachen können, um so die Zielwerte der ausländischen Apotheken erreichen zu können.
So würden drei Möglichkeiten für Apothekenketten in Deutschland verbleiben, um mit ihren Margen das ausländische Niveau zu erreichen und so den Kapitaleinsatz im Vergleich zu den international bestehenden Alternativen zu rechtfertigen:
1. Möglichkeit: Rosinenpickerei
Die Vorsteuerrendite von 6,4% bezieht sich auf eine durchschnittliche, die weiteren Überlegungen auf eine "typische" deutsche Apotheke. Davon können Apotheken an erstklassigen Standorten erheblich abweichen, aber diese Lagen sind rar und stehen noch seltener zum Verkauf. Der Kauf solcher Apotheken oder auch der in Deutschland (im Gegensatz zu den meisten typischen "Kettenländern") denkbare Verdrängungskampf durch eine Neueröffnung in der Nachbarschaft dürfte auch für Ketten teuer sein und damit wieder Rentabilitätsprozente kosten.
Zudem widerspricht es der gängigen Kettenlogik, sich auf wenige erstklassige Standorte zu konzentrieren. Denn Ketten leben zu einem großen Teil von der Präsenz ihrer Marke, dies erfordert hohe Marktanteile und dementsprechend viele Standorte – ganz besonders in einem so großen Markt wie Deutschland. Die Rosinenpickerei ist daher keine aussichtsreiche Kettenstrategie, was die beiden folgenden Möglichkeiten umso wahrscheinlicher macht.
2. Möglichkeit: Kosten sparen, Synergien nutzen
Der Apothekenbetrieb nach den heute geltenden Regeln bietet praktisch keine Rationalisierungsmöglichkeiten mehr, aber wenn das Fremdbesitzverbot fiele, sollten auch andere bisher gültige Regeln nicht als unverrückbar betrachtet werden. Die Macht der Konzerne dürfte in der Politik nicht ohne Wirkung bleiben. Dann böten sich einige Möglichkeiten, den Apothekenbetrieb wirtschaftlich erfolgreicher zu strukturieren:
Von einer praktikablen Aut-idem-Regel, wie sie auch für inhabergeführte Apotheken (und ihre Patienten) sehr hilfreich wäre, könnten große Konzerne ganz besonders profitieren, wenn sie in vertikale Kooperationen mit den Herstellern eingebunden sind. Im Generika-lastigen deutschen Markt sind mit einiger Phantasie sogar Apothekenketten denkbar, die von großen Generikaherstellern dominiert werden.
Der Blick ins Ausland zeigt, wo das Potenzial im OTC- und Freiwahlbereich liegt. Das OTC-Arzneimittelangebot kann auf margenstarke Marken, vielleicht sogar aus dem eigenen vertikal integrierten Konzern, fokussiert werden. Außerdem kann die Kundenfrequenz, die durch die Arzneimittelabgabe entsteht, für den Verkauf diverser anderer Produkte genutzt werden, wie sie in einem amerikanischen Drugstore zu finden sind und wohl bessere Margen bieten als beim Discounter. Dagegen würden wenig rentable Spezialleistungen von der Rezeptur bis zu aufwändigen Betreuungsangeboten in einem Kettensystem wahrscheinlich an so wenigen Standorten konzentriert, dass sie dort kostengünstig erbracht werden könnten.
Demnach müssten internationale Konzerne, die sich naturgemäß an international erzielbaren Renditen orientieren, gerade unter den schwierigen Wettbewerbsbedingungen des deutschen Marktes mit Niederlassungsfreiheit Apothekenketten nach dem Drugstoreprinzip gestalten und – was aus heilberuflicher Sicht wesentlich schlimmer als das äußere Erscheinungsbild wäre – die engste Kooperation mit den Herstellern suchen. Dies könnte bis zur Verbindung in einem gemeinsamen Konzern führen, der die gesamte Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Absatz der Arzneimittel umfasst.
Eine unabhängige Beratung der Patienten wäre dann ausgeschlossen. Dies mag in anderen europäischen Ländern so krass nicht zu erleben sein, wäre aber in Deutschland als Ausgleich für die viel schwierigeren Wettbewerbsbedingungen der Niederlassungsfreiheit zu erwarten. Eine Alternative hierzu bietet allenfalls die dritte Möglichkeit.
3. Möglichkeit: Verdrängungskampf
Andere Kostenstrukturen als bisher würden auch entstehen, wenn die Zahl der Apotheken deutlich sinken würde. Da ein sehr großer Teil der Apothekenkosten Personalkosten darstellt oder in anderer Weise von der Kundenzahl abhängt, müsste die Durchschnittsapotheke nicht nur geringfügig, sondern beträchtlich wachsen, damit sich die Fixkostendegression überhaupt auswirken könnte. Ein Teil der Einsparungen würde zudem durch die höheren Verwaltungs- und Organisationskosten aufgezehrt, die in größeren Betrieben zwangsläufig entstehen. Deutliche Einspareffekte würden eher durch grundlegende Strukturveränderungen entstehen, beispielsweise durch Warteschlangen für Kunden statt zusätzlichem Service.
Eine Kostensenkung durch Verdrängungskampf könnte daher allenfalls über eine massive Senkung der Apothekenzahl funktionieren, würde nur langfristig entstehen und auch von Konzernen einen langen Atem fordern, der nicht mit kurzfristigen Renditezielen vereinbar ist. Dies würde aber auch zu massiven Verschlechterungen in der Versorgungsqualität führen, sowohl durch die geringe Apothekendichte als auch durch geringen Wettbewerb am Standort. Das Ergebnis wäre ein Oligopol, in dem wenige Anbieter den Markt beherrschen.
Konsequenzen für die derzeitige Situation
Was bedeuten diese Aussichten für die heutige Position der Apotheken? – Sie machen den Wert des bestehenden Systems für die Patienten deutlich. Denn bei einer Aufhebung des Fremdbesitzverbotes müssten sich die potenziellen Kettenbetreiber für eine der obigen Möglichkeiten oder eine Kombination davon entscheiden – oder ganz auf den Markt verzichten. Angesichts der guten Erfolge im Ausland würden sich international ausgerichtete Unternehmen möglicherweise nicht in Deutschland engagieren, aber ein solcher Verzicht ist kaum für alle Interessenten anzunehmen.
Abgesehen von der wenig wahrscheinlichen Rosinenpickerei, die den Gesamtmarkt nicht grundlegend verändern würde, würden die anderen Optionen zu spürbaren Verschlechterungen für die Patienten führen. Die Wege zur nächsten Apotheke würden verlängert, die Auswahl an Arzneimitteln und der Service würden verringert und die unabhängige Beratung wäre gefährdet.
Fazit
Alle diese zu erwartenden Veränderungen lassen sich auf einen Nenner bringen: Der Wettbewerb würde leiden, zunächst eher der Wettbewerb zwischen den Herstellern, die sich um eine möglichst enge Bindung um eine Apothekenkette bemühen müssten, dann aber bei hinreichender Verflechtung mit dem Point-of-sale aus dem Wettbewerb entlassen würden und nebenbei auch die Großhandelsmarge mit den Apothekenketten teilen könnten. Später wäre es dann auch um den Wettbewerb zwischen den Apotheken geschehen, auch wenn ein harter Verdrängungskampf für eine gewisse Zeit das Gegenteil suggerieren könnte. Langfristig würde aber kein Unternehmen eine solche Strategie verfolgen, wenn nicht die Aussicht bestünde, später den Markt zu beherrschen. Alle, die heute lautstark mehr Wettbewerb fordern, sollten diese Konsequenzen bedenken.
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