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Arzneimittel und Therapie
Bortezomib bei multiplem Myelom
Das multiple Myelom, eine lympho-proliferative Dysfunktion des B-Zellsystems, gehört zu den 20 häufigsten Krebserkrankungen und ist die zweithäufigste hämato-onkologische Erkrankung. Knochenschmerzen, vor allem im Bereich der unteren Wirbelsäure und des Thorax, zunehmende Müdigkeit und ein Knick in der Leistungsfähigkeit kennzeichnen das klinische Bild. Die Infektanfälligkeit ist erhöht, die Knochen durch osteolytische Prozesse bedroht und die Nieren durch Paraproteine geschwächt. Die Prognose für Patienten mit multiplem Myelom ist schlecht.
Therapie der Wahl ist die Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation, die das krankheitsfreie Überleben und das Gesamtüberleben deutlich verlängert. Dabei handelt es sich allerdings nur für die Minderheit der Patienten um einen potentiell kurativen Ansatz. Meist kommt es nach drei bis vier Jahren zu einem Rezidiv. Und häufig kommt dieses Regime überhaupt nicht in Frage, da die Patienten, deren Durchschnittsalter bei etwa 65 Jahren liegt, aufgrund von Begleiterkrankungen gar nicht geeignet sind. So schließt eine KHK, eine Hypertonie, ein Diabetes mellitus mit Folgeschäden oder eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung eine Stammzelltransplantation aus. Alternative ist dann die konventionelle Chemotherapie.
APEX-Studie: Basis der
Zulassungserweiterung
Als neues Therapieprinzip kam vor etwa einem Jahr Bortezomib auf den Markt, ein Inhibitor des Multiproteasenkomplexes Proteasom, zugelassen für die Therapie des rezidivierten multiplen Myeloms nach zwei vorangegangenen Therapien. Grundlage dafür waren die Daten der SUMMIT-Studie (siehe DAZ 2004, Nr. 21, S. 38 – 42). Basis der Zulassungserweiterung für die 2nd-line-Therapie, die einen Einsatz bereits beim ersten Rezidiv möglich macht, sind die Daten der APEX(Assessment of Proteasome-Inhibition for Extending Remissions)-Studie.
Diese bislang größte randomisierte Studie beim rezidivierten multiplen Myelom schloss 669 Patienten (Durchschnittsalter: 62 Jahre) mit einer bis drei Vortherapien ein. Sie erhielten initial entweder acht Zyklen Bortezomib (1,3 mg/m2 i.v. Bolusinjektion an den Tagen 1, 4, 8 und 11) im Abstand von drei Wochen oder vier Zyklen hochdosiertes Dexamethason 40 mg oral (Tag 1 bis 4, 9 bis 12, 17 bis 20) alle fünf Wochen, die Behandlungsalternative in diesem Stadium der Erkrankung.
An die Initialtherapie schloss sich jeweils eine Erhaltungstherapie an mit drei beziehungsweise fünf Zyklen. Die Zahl der Behandlungstage lag unter Bortezomib insgesamt bei 273, unter Dexamethason bei 280. Ausgeschlossen waren Patienten mit einer peripheren Neuropathie Grad 3 und 4 sowie Patienten, die auf hochdosiertes Dexamethason nicht ansprachen.
Längeres progressionsfreies Überleben
Die Daten zeigten einen klaren Vorteil für Bortezomib. So lag die Zeit bis zur Progression der Erkrankung, die als primärer Endpunkt definiert war, unter Bortezomib signifikant höher mit 6,2 Monaten gegenüber 3,5 Monaten. Das bedeutet eine Verlängerung bis zum Fortschreiten der lympho-proliferativen Erkrankung um 78%. Die Remissionsraten (komplette Remission plus partielle Remission) lagen unter Bortezomib ebenfalls deutlich höher (38% versus 18%). Besonders eindrucksvoll deutlich wird der Effekt beim Blick auf die Ein-Jahres-Überlebensraten.
So lebten unter Bortezomib nach zwölf Monaten noch 80% der Patienten, unter Dexamethason noch 66%. Dies entspricht einer Reduktion des Mortalitätsrisikos um 41%. Im Hinblick auf die Zulassung von Bortezomib als Zweit-Linien-Therapie interessieren besonders die Daten bei Patienten mit dem ersten Rezidiv. In dieser Subgruppe mit insgesamt 251 Patienten (40% unter Bortezomib, 35% unter Dexamethason) wurden insgesamt bessere Ergebnisse erzielt als in der gesamten Studienpopulation: Zeit bis zur Progression (7,0 Monate versus 5,6 Monate), komplette plus partielle Ansprechrate ( 45% gegenüber 26%) sowie Ein-Jahres-Überlebensrate (89% versus 72%) lagen deutlich höher.
Bei unerwünschten Wirkungen richtig handeln
Thrombozytopenie und periphere Neuropathie dominierten unter Bortezomib bei den unerwünschten Wirkungen. Dann kommt es auf das richtige Vorgehen an. Das Risiko für die Entwicklung einer Thrombozytopenie hängt vom Ausgangswert der Thrombozytenzahlen ab. Sind die Blutplättchenwerte schon zu Beginn der Behandlung niedrig, liegt die Wahrscheinlichkeit einer Thrombozytopenie bei nahezu 100%, bei normalen Werten dagegen nur zwischen 15 und 20%. Bei Risikopatienten kann es günstig sein die vierte Bortezomib-Gabe verzögert zu applizieren. Hier wurde ein pragmatisches Vorgehen gefordert.
Die Entwicklung einer Thrombozytopenie gilt jedoch nicht als Kontraindikation für Bortezomib. Vielmehr sollte die Behandlung bei gleichzeitiger Substitutionstherapie fortgesetzt werden. Nach Beendigung der Therapie ist die Thrombozytopenie in der Regel voll reversibel. Entwickelt sich eine periphere Neuropathie wird je nach Schweregrad gehandelt. Bei Grad 4 wird die Therapie abgesetzt. Bei Grad 3 oder Grad 2 mit Schmerzen sollte abgebrochen werden bis die Beschwerden zurückgegangen sind und die Therapie dann mit einer niedrigen Dosierung wieder aufgenommen werden. Bei Grad 1 mit Schmerzen wird empfohlen die Dosis auf 1,0 mg/m2 zu reduzieren. Bei Patienten, die bereits vor Beginn der Bortezomib-Therapie unter einer schweren peripheren Neuropathie leiden, sollte der Einsatz von Bortezomib generell überdacht werden.
Dr. Beate Fessler, München
Quelle
Prof. Dr. med. Hartmut Goldschmidt, Hei- delberg; Prof. Dr. med. Hermann Einsele, Würzburg; Prof. Dr. med. Wolfgang Ulrich Knauf, Frankfurt/ Main; Chris Vosch, Neuss: Pressekonferenz „Innovative Thera- pie des multiplen Myeloms mit Velcade® (Bortezomib): Die Zulassung für die Rezi- divtherapie ist da!“, Frankfurt, 24. Mai 2005, veranstaltet von Ortho Biotech Divi- sion of Janssen-Cilag, Neuss.
Zum Weiterlesen
Zum Weiterlesen Proteasomen-Hemmer. Bortezomib. Neue Arzneimittel 2004; Nr. 8, S. 70 –76. www.deutsche-apotheker-zeitung.de
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