Arzneimittel und Therapie

Mit Antibiotika gegen Filarien

Die Filariose Onchozerkose ist mit zirka 18 Millionen Infizierten in Afrika von enormer medizinischer und sozialer Bedeutung. In Deutschland kommt sie gelegentlich als importierte Infektion vor. Neue Ansätze mit Antibiotika gegen in Filarien lebende Endobakterien sind Erfolg versprechend. Versuche mit Tetracyclin weisen auf eine wurmsterilisierende Wirkung hin.

Die derzeitige Bekämpfungsstrategie mit Chemotherapie und Vektorbekämpfung ist – obwohl bisher erfolgreich – wegen der langen Therapiedauer von erheblichen logistischen Problemen begleitet. Auch fürchtet man zunehmend eine Medikamentenresistenzentwicklung.

Mikrofilarien führen zur Flussblindheit

150 Millionen Menschen in den Tropen leiden an Infektionen durch Filarien (Fadenwürmer). Mit 18 Millionen Infizierten und oft schwerer, chronischer Krankheitssymptomatik zählt die Onchozerkose zu den wichtigen Filarienerkrankungen in Afrika. In Lateinamerika gibt es kleinere Herde. In Europa sieht man die Krankheit gelegentlich als importierte Infektion. Die Übertragung des Erregers – die Filarie Onchocerca volvulus – erfolgt von Mensch zu Mensch durch Kriebelmücken. Diese sind durch ihre Bruteigenschaften an Flüsse gebunden, wodurch vorwiegend Bewohner von Flussgebieten erkranken, daher auch die Bezeichnung Flussblindheit. Die nach dem Stich infizierter Kriebelmücken in die Menschenhaut eingebrachten Wurmlarven wachsen zu fünf bis 50 cm langen, geschlechtsreifen Adultwürmern heran, die eingekapselt in subkutanen Bindegewebsknoten leben. Während ihrer zehnjährigen Lebensdauer produzieren sie Millionen von Mikrofilarien, die in das Hautgewebe großer Körperbezirke einwandern und dort bis zu 30 Monate lang leben. Sterben sie ab, lösen sie immunologische Vorgänge aus, die für den Erkrankungsmechanismus verantwortlich sind. 10.000 bis 100.000 sterbende Mikrofilarien täglich setzen gewaltige Antigenmengen frei. Die Folge sind permanente Symptome wie quälender Juckreiz, Hautverdickungen, Hautaustrocknung, Depigmentierungen und Hautschwund. Wandern die Mikrofilarien in die Augen ein, so führen sie zu Fehlsichtigkeit, Nachtblindheit oder vollständiger Erblindung.

Erfolgreiche Massenbekämpfung mit Ivermectin

Eigene Untersuchungen in Westafrika und im Südsudan weisen auf Durchseuchungsraten von bis zu 80% der Bevölkerung in Flussgebieten hin. Die moderne Bekämpfungsstrategie besteht aus flächendeckender Vektorbekämpfung mit Insektiziden und Transmissionsunterbrechung durch Reduzierung des menschlichen Mikrofilarienreservoirs im Hautgewebe durch Massenbehandlung mit Ivermectin (Mectizan®, Stromectol®). Dies ist ein makrozyklisches Lactonderivat, das semisynthetisch aus dem von Streptomyces avermitilis produzierten Avermectin B gewonnen wird. Ivermectin bewirkt eine Motilitätsstörung und Ausscheidungshemmung der im Adultwurmuterus befindlichen Mikrofilarien sowie die Abtötung und den lymphogenen Abtransport der in der Haut lebenden Mikrofilarien. Diese Erregerreduktion begünstigt die Effizienz der wirteigenen Immunabwehr gegen Filarien. Bereits eine orale Einmaldosis von 150 µg/ kg Körpergewicht bewirkt eine fast vollständige Beseitigung der pathogenen Hautmikrofilarien für die Dauer von neun bis zwölf Monaten. Danach steigt ihre Zahl wieder langsam auf das prätherapeutische Niveau an, so dass jährlich, acht bis zehn Jahre lang (bis zum natürlichen Absterben aller weiblichen Adulten), eine Nachbehandlung erfolgen muss.

Das generöse Verhalten der Pharmaindustrie, das mikrofilarizide Medikament Ivermectin kostenlos abzugeben ermöglichen erstmals eine erfolgreiche Massenbekämpfung der Onchozerkose. Die in bisher 31 Ländern mit Hilfe kostenloser Abgabe von Millionen Dosen Ivermectin durchgeführte Onchozerkosebekämpfung erzielte spektakuläre Erfolge. Millionen von Menschen wurden geheilt, vor Infektionen geschützt und vor Sehminderung und Erblindung bewahrt. Der hohe logistische Aufwand bei dieser sehr langen Therapiedauer und die zunehmende Furcht vor Entwicklung einer Ivermectinresistenz, die in der Veterinärmedizin bereits dokumentiert ist, machen die Suche nach alternativen Therapiemöglichkeiten notwendig.

Neues Angriffsziel: Endosymbionten in den Filarien

Es konnte beobachtet werden, dass Onchocerca volvulus und auch andere Filarien Bakterien enthalten, die empfindlich sind für bestimmte Antibiotika. Die zur Gattung Wolbachia gehörenden Bakterien leben in wechselwirkender Symbiose mit verschiedenen Filarien. Sie werden durch strikt vertikale Transmission über die Eizellen auf nachfolgende Generationen übertragen. Da die Wolbachien durch Freisetzung Lipopolysaccharid-ähnlicher Moleküle eine Aktivierung und Akkumulierung der an der Abtötung von Mikrofilarien beteiligten neutrophilen Granulozyten induzieren, sind sie für entscheidende immunpathologische Mechanismen der Onchozerkoseerkrankung verantwortlich.

Bakterien dauerhaft eliminiert

Die Verwandtschaft von Wolbachien mit Rickettsien veranlasste Wissenschaftler aus USA und dem Tropeninstitut Hamburg, diese durch Behandlung mit Tetracyclin zu eliminieren. Schon im Tierversuch konnte damit eine vollständige Embryogenesehemmung im Sinne einer Wurmsterilität erzielt werden. Die Abtötung der Bakterien durch Tetracyclin führt zu schweren Schäden bei den erwachsenen Würmern: es werden keine Mikrofilarien mehr gebildet. Der Wurm scheint diese Bakterien für sein Überleben benötigt, da sie ihm wahrscheinlich bestimmte Stoffwechselleistungen zur Verfügung stellen. Auf Wolbachien-negative andere Filarien hatten Tetracycline dagegen keine Wirkung.

Während eine Behandlung mit Doxycyclin (100 mg täglich für die Dauer von sechs Wochen) als Individualtherapie von infizierten Reiserückkehrern oder Immigranten durchaus schon empfohlen wird, ist sie wegen der langen Therapiedauer und der Tetracyclin-Kontraindikationen (Kinder, Schwangere) für die Massenbehandlung von Millionen Menschen in Afrika wohl nicht geeignet. Andere gegen Rickettsien wirksame Medikamente müssen getestet werden. Rifampicin erwies sich im Mausmodell mit Litomosoidessigmodontis-Filarien in Bezug auf Wirkung und kürzere Therapiedauer Erfolg versprechend.

Wie immer die zukünftige Therapie aussehen wird, mit der Kenntnis von Endosymbionten in Filarien und deren wirkungsvoller Behandlung mit Antibiotika scheint ein neuer Ansatz für die Behandlung und Bekämpfung bestimmter Filariosen möglich zu sein.

 

Literatur bei den Verfassern
Prof. Dr. med. habil. Peter Stingl, Tropenmedizin (DTMH, Lond.), Lechbrucker Straße 10, 86989 Steingaden
Apothekerin Tina Stingl, Amalienstraße 81 b, 80799 München

 

Überträger Kriebelmücke

Die auch als Knotenfilariose oder Flussblindheit bezeichnete parasitäre Erkrankung wird durch die Filarie Onchocerca volvulus verursacht. Übertragen wird die Infektion durch Kriebelmücken der Gattung Simulium, die bei der Blutmahlzeit aus der Haut infizierter Personen lebende Wurmlarven aufnehmen. Innerhalb von ein bis zwei Wochen entwickeln sich aus diesen Larven in der Flugmuskulatur der Mücke infektiöse Larven, die in die Stechorgane der Mücke einwandern und bei der nächsten Blutmahlzeit einen Menschen infizieren können. Im Menschen reifen die Würmer zu den erwachsenen Weibchen und Männchen heran, die später in subkutanen Hautknoten (Onchozerkomen) einzeln, meist jedoch zu mehreren angetroffen werden. Die Weibchen produzieren im Laufe ihres Lebens von etwa 10 bis 15 Jahren fünf bis zehn Millionen Nachkommen, die so genannten Mikrofilarien. Sie breiten sich in der Haut des Menschen aus und können beim Stich von der Kriebelmücke aufgenommen werden.

Quelle Flussblindheit: neue Strategien zur Bekämpfung. Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmdizin.

Wo ist es im Urlaub besonders gefährlich?

Die Filariose wird meist nur durch einen längeren Tropenaufenthalt erworben. Die Übertragung erfolgt durch tagaktive Kriebelmücken, deren Larven und Puppen in der Nähe schnell oder turbulent fließender Flüsse vorkommen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind etwa 18 Millionen Menschen infiziert, von denen über 98% in 27 Ländern des tropischen Afrika leben. Außerhalb Afrikas gibt es nur kleine Herde im Jemen sowie in Mexiko, Guatemala, Venezuela, Brasilien, Kolumbien und Equador. Gefährdet sind Personen, die sich für längere Zeit in diesen Gebieten aufhalten und somit häufig mit infizierten Mücken in Kontakt kommen können. Kurzzeitreisende haben nur ein geringes Risiko, an Onchozerkose zu erkranken. Zur Prophylaxe können Schutznetze, Repellents oder geeignete Kleidung genutzt werden, es sollten die Mückenbrutplätze an stark wirbelnden Gewässern und deren Umgebung gemieden werden.

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