Schwerpunkt Gesunde Zähne

Schutzschild gegen Karies

Lokalen Fluoridierungsmaßnahmen wird in der Kariesprophylaxe heute gegenüber der Einnahme von Fluoridtabletten eindeutig der Vorzug gegeben. Die Basis dafür bilden wissenschaftliche Untersuchungen, die klar gezeigt haben, dass sich die kariesprotektive Wirkung der Fluoride in erster Linie durch ihren lokalen Kontakt am Zahnschmelz entfaltet. Dementsprechend sind die Empfehlungen zur Kariesprophylaxe mittels Fluoriden in den letzten Jahren neu formuliert worden.

Zahnkaries ist die Folge eines gestörten Gleichgewichts zwischen Re- und Demineralisierungsvorgängen an der Zahnoberfläche. Entscheidenden Einfluss haben dabei organische Säuren (vor allem Milchsäure), die als Stoffwechselendprodukt kariogener Bakterien bei deren Energiegewinnung aus Kohlenhydraten freigesetzt werden. Als "Haupt-Karies-Bakterium" gilt heute Streptococcus mutans, gefolgt von Lactobazillen. Diese siedeln sich auf der Zahnschmelzoberfläche in Plaques an und verstoffwechseln Kohlenhydratreste aus der Nahrung.

Sinkt durch die Säureproduktion der pH-Wert für längere Zeit unter 5,5 bis 5,7, wird das Hydroxylapatit-Gitter des Zahnschmelzes angegriffen und die Zahnoberfläche demineralisiert.

Normalerweise sorgt der Speichel innerhalb kurzer Zeit für einen natürlichen Wiederanstieg des pH-Werts. Haben die Mikroorganismen jedoch wegen ungenügender Mundhygiene oder lang haftender Kohlenhydratreste genügend Zeit, Säure zu produzieren, entstehen am Zahnschmelz Primärläsionen, so genannte Initialkaries oder White Spots. Wird nicht wirksam interveniert, arbeiten sich die Bakterien immer tiefer in die Zahnsubstanz vor. Hat sich schließlich ein Kariesherd manifestiert, ist keine natürliche Ausheilung mehr möglich.

Fortschritt durch fluoridierte Zahnpasten

Derzeit verfügen nur 0,8% der Deutschen über völlig naturgesunde Zähne. 25% der Kinder und Jugendlichen, aber auch viele Erwachsene zeigen eine hohe Kariesaktivität. Damit stellt Zahnkaries eine der häufigsten "Infektionskrankheiten" des Menschen dar.

Gegenüber der Hoch-Karies-Zeit in den 60er-Jahren hat sich die Situation in Deutschland dennoch deutlich gebessert. Diese positive Entwicklung ist aber nicht etwa einem sparsameren Zuckerkonsum zu verdanken, denn dieser ist mit knapp 40 kg pro Kopf und Jahr immer noch recht hoch. Die beiden Hauptgründe sind vielmehr eine konsequente Erziehung zu intensiver Zahnhygiene und der breite prophylaktische Einsatz fluoridierter Zahnpasten, die sich Mitte der 70er-Jahre durchgesetzt haben.

Fluoride wirken hauptsächlich lokal

Dass Fluoride eine kariesprotektive Wirksamkeit besitzen, ist unbestritten. Früher vertrat man die Ansicht, dass Fluoridionen hierfür schon während der Zahnbildung präeruptiv in den Zahnschmelz eingebaut werden müssen. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass dieser Einbau nur in sehr geringem Umfang stattfindet und die Zahnhärte auf diesem Weg nur wenig verbessert. Außerdem hat man beobachtet, dass die Kariesprävalenz in Gegenden mit hohem Trinkwasserfluoridgehalt vergleichsweise geringer war und die Kariesresistenz der Menschen, die diese Gebiete verließen, sank, wenn sie keine anderen Fluoridquellen nutzten. Damit war die Einbautheorie widerlegt und die jahrelang präferierte systemische Fluoridzufuhr wurde von der Empfehlung lokaler Fluoride abgelöst. Heute ist belegt, dass sämtliche Fluoridierungsmaßnahmen – einschließlich Fluoridtabletten und fluoridiertem Speisesalz – in erster Linie posteruptiv und durch direkten Kontakt mit der Schmelzoberfläche kariesprotektiv wirken.

Protektion und Reparation

Die kariesschützenden Effekte der Fluoride werden auf folgende Mechanismen zurückgeführt: Zahnschmelz besteht zu 97% aus Hydroxylapatit. Bei der Reaktion mit Fluoridionen entsteht daraus das säurestabilere Fluorapatit, wodurch der Zahnschmelz resistenter gegenüber Demineralisierungsangriffen wird ("Schmelzhärtung"). Darüber hinaus führen fluoridhaltige Mund- und Zahnpflegemittel auf der Zahnoberfläche zur Bildung einer dünnen (1 bis 2 µm), säurestabilen Calciumfluorid-Deckschicht, die sich wie ein Schutzfilm über den Zahnschmelz legt und als lokales, pH-kontrolliertes Fluoriddepot dient. Bei einer kariösen Säureattacke können Fluoridionen von dort in benachbarte Primärkariesherde einwandern und für deren Remineralisierung sorgen. Daher haben Fluoridierungsmaßnahmen vor allem im Stadium von Initialkaries großen Nutzen. Insbesondere den Aminfluoriden wird außerdem ein gewisser antibakterieller Effekt zugeschrieben, weshalb sie die Säureproduktion der Kariesbakterien eindämmen können.

Fluoridierungs-Empfehlungen

Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde e.V. (DGZMK) empfiehlt, die lokale Kariesprophylaxe mit Fluoriden mit dem Durchbruch des ersten Milchzahns zu beginnen. Zuvor sind aus zahnärztlicher Sicht noch keine Fluoridierungsmaßnahmen notwendig. Die Zähne werden dann, parallel zur Verwendung von fluoridhaltigem Speisesalz, einmal täglich mit einer erbsengroßen Menge fluoridhaltiger Kinderzahnpasta (500 ppm Fluoridgehalt) geputzt; ab dem zweiten Geburtstag zweimal täglich. So wird das Kind außerdem frühzeitig und wie selbstverständlich an die tägliche Mundhygiene gewöhnt.

Um keinen Anreiz zum Verschlucken zu geben, sollte man auf aromatisierte Zahncremes mit Frucht- oder Bonbongeschmack besser verzichten. Eltern müssen das Zähneputzen ihrer Sprösslinge bis ins Schulalter hinein überwachen und gegebenenfalls nachputzen. Mit dem Schulalter erfolgt dann der Wechsel auf Erwachsenen-Zahnpasten mit einem Fluoridgehalt von 1000 bis 1500 ppm. Die häusliche Anwendung höher dosierter Fluoridgelees und -lösungen wird erst vom Schulalter an für Kinder mit erhöhtem Kariesrisiko empfohlen. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Kariesprophylaxe ist in jedem Fall die kontinuierliche und lebenslängliche Fluoridanwendung.

Hinweis bei der Abgabe von Fluoridtabletten

Fluoridtabletten besitzen laut DGZMK nur noch in Einzelfällen ihre Berechtigung. So z. B. wenn die Verwendung von fluoridiertem Speisesalz nicht gesichert bzw. nicht möglich ist, keine ausreichende Zahnhygiene gewährleistet werden kann oder ein besonders hohes Kariesrisiko besteht. Dann erhebt der Arzt eine Fluoridanamnese, wobei sämtliche Fluoridquellen (Trinkwasser, Mineralwasser, Säuglingsnahrung etc.) einbezogen werden. Wichtiger Abgabehinweis bei Fluoridtabletten: Um ihre lokale Wirkung sicher zu stellen, sollten die Tabletten nicht geschluckt, sondern langsam gelutscht werden. Der beste Zeitpunkt ist abends nach dem Zähneputzen. Alternativ können die Tabletten auch in Wasser aufgelöst verabreicht werden.

Geringe Überdosierungsgefahr

Akute Vergiftungen durch orale Fluoridprodukte sind weltweit äußerst selten, denn sie bedürfen extremer Dosierungen, die kaum aufgenommen werden können. Die wahrscheinlich toxische Dosis für Kleinkinder und ältere Menschen wird mit 5 mg Fluorid/kg Körpergewicht angegeben.

Beim Verschlucken großer Fluoridmengen entsteht im Magen Flusssäure, was sich in Übelkeit, Erbrechen und Durchfall äußern kann. Da dem Körper Calciumionen in Form von schwer löslichem Calciumfluorid entzogen werden, können z. B. auch Herz- und Muskelstörungen auftreten. Bei langfristiger Überdosierung besteht die Gefahr von Störungen im Knochenaufbau.

Insbesondere im Kindesalter führt eine dauerhafte Überdosierung lokaler oder systemischer Fluoride zur Dentalfluorose. Sie äußert sich in weißlichen Zahnschmelzflecken, die jedoch in der Zahnmedizin lediglich als kosmetisches Problem eingestuft werden.

Apothekerin Christiane Weber

 

Quelle
Dr. Siegwart Peters, Leichlingen;
Prof. Dr. Klaus König, Nijmegen Nieder- lande; Prof. Dr. Elmar Hellwig, Freiburg; Prof. Dr. Gisela Hetzer, Dresden: Presse- konferenz „Kariesprävention bei Milchzäh- nen, Die Empfehlungen der Deutschen Ge- sellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheil- kunde e. V. (DGZMK)“ Hamburg, 24. Oktober 2002, veranstaltet von der DGZMK. Presseunterlagen und wissenschaftliche Stellungnahmen der Deutschen Gesell- schaft für Zahn-, Mund- und Kieferheil- kunde e. V. (DGZMK) zur Kariesprophy- laxe mit Fluoriden.
DAZ 11/2003, S. 56 – 59
www.zahnwissen.de www.agz-rnk.de www.dgzmk.de www.kzbv.de www.gaba-dent.de
www.kariesvorbeugung.de

Das kariogene Potenzial eines Nahrungsmittels hängt nicht allein von seinem Zuckergehalt ab. Entscheidend ist vielmehr seine Kontaktzeit mit der Zahnoberfläche bzw. die so genannte Zuckerclearence, das heißt die Zeitspanne nach einer Mahlzeit, bis die ursprünglichen pH-Verhältnisse im Mund wiederhergestellt sind. Denn davon hängt die Dauer der Säure- attacke durch kariogene Bakterien ab. Während z. B. nach dem Verzehr von reinem Rohr- oder Traubenzucker schon etwa eine halbe Stunde später der Ausgangs-pH-Wert im Mund wieder erreicht ist, kann es nach kohlenhydrathaltigen Nahrungsmitteln, die gut an den Zähnen haften (Kekse, Honig, Kaubonbons), zwei Stunden dauern, bis sich der normale pH-Wert wieder eingependelt hat.

 

"Selbst wenn beim Putzen die verwendete Kinderzahnpasta quantitativ verschluckt würde, ist die damit aufgenommene maximale Fluoridmenge noch deutlich geringer als die Dosis, die mit einer altersentsprechenden Fluoridtablette zugeführt wird."

Prof. Dr. Gisela Hetzer, Dresden

Fluoridiertes Speisesalz

Die regelmäßige Verwendung von fluoridiertem Speisesalz wird von verschiedenen Fachgesellschaften ausdrücklich befürwortet. Nutzen und Unbedenklichkeit dieser Präventionsmaßnahme gelten als wissenschaftlich erwiesen. Mit dem in Deutschland vorgeschriebenen Fluoridgehalt von 0,25 mg/g ist bei üblicher Salzverwendung eine Fluoridüberdosierung ausgeschlossen. Fluoridiertes Speisesalz wird in Deutschland bisher ausschließlich in Kombination mit Jodid angeboten.

Der Zahnwurm

Die älteste überlieferte Theorie über die Kariesentstehung stammt aus der Zeit um 1800 v. Chr. und hatte bis ins 19. Jahrhundert Gültigkeit: Nach damaliger Vorstellung frisst sich ein Zahnwurm bis ins Zahninnere vor und verursacht dort unangenehme Schmerzen. 1889 fand dann der amerikani- sche Zahnarzt W. D. Miller heraus, dass kein Wurm, sondern zuckerverdauende Bakterien die Kariesverursacher sind. Diese „chemisch-parasitäre Kariestheorie“ konnte später durch moderne wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt werden. Bis heute gilt: ohne Zucker und ohne Bakterien kein Karies!

Karies ist ansteckend

Voraussetzung für die Entste von Karies ist das Vorkommen von Kohlenhydraten und kariogenen Bakterien (vor allem Streptococcus mutans). Nach heutiger Erkenntnis besiedeln diese Bakterien allerdings nicht von Geburt an die Mundhöhle, sondern werden dorthin über- tragen, was meist durch Speichel der Eltern geschieht. Karies-Betroffene sollten daher Schnuller oder Sauger von Kleinkindern nicht ablecken und zum Vorkosten stets einen eigenen Löffel verwenden.

Die Zuckerclearence ist entscheidend

Das kariogene Potenzial eines Nahrungsmittels hängt nicht allein von seinem Zuckergehalt ab. Entscheidend ist vielmehr seine Kontaktzeit mit der Zahnoberfläche bzw. die so genannte Zuckerclearence, das heißt die Zeitspanne nach einer Mahlzeit, bis die ursprünglichen pH-Verhältnisse im Mund wiederhergestellt sind. Denn davon hängt die Dauer der Säure-attacke durch kariogene Bakterien ab. Während z. B. nach dem Verzehr von reinem Rohr- oder Traubenzucker schon etwa eine halbe Stunde später der Ausgangs-pH-Wert im Mund wieder erreicht ist, kann es nach kohlenhydrathaltigen Nahrungsmitteln, die gut an den Zähnen haften (Kekse, Honig, Kaubonbons), zwei Stunden dauern, bis sich der normale pH-Wert wieder eingependelt hat.

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